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BSG - Entscheidung vom 12.11.2019

B 9 SB 58/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 12.11.2019 - Aktenzeichen B 9 SB 58/19 B

DRsp Nr. 2019/18023

Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft Darstellung des Sachverhalts als zwingende Grundvoraussetzung für die ordnungsgemäße Darlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Das LSG hat nach Auswertung der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten die Beklagte verpflichtet, beim Kläger mit Wirkung ab 27.5.2014 einen GdB von 40 festzustellen. Den Antrag des Klägers, Prof. Dr. Dipl. Psych. M. nach § 109 SGG zu hören, hat es abgelehnt (Urteil vom 16.7.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht Verfahrensmängel und eine Rechtsprechungsabweichung geltend.

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 30.9.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Der Kläger hat als zwingende Grundvoraussetzung für die ordnungsgemäße Darlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt. Seinen Schilderungen können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche Schilderung des Sachverhalts auf der Grundlage der Feststellungen des LSG gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes; denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen LSG-Entscheidung selbst herauszusuchen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 8.11.2018 - B 9 V 29/18 B - juris RdNr 5; Senatsbeschluss vom 4.9.2014 - B 9 V 8/14 B - juris RdNr 5).

2. Die Beschwerdebegründung erfüllt aber auch im Übrigen nicht die Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe:

a. Der Kläger rügt, das LSG sei seinem mit Schriftsatz vom 15.7.2019 gestellten Beweisantrag, Prof. Dr. Dipl. Psych. M. gemäß § 109 SGG zu hören, ohne zureichenden Grund nicht gefolgt. Es habe den Antrag zu Unrecht als verspätet nach Maßgabe des § 109 Abs 2 SGG abgelehnt. Mit diesem Vortrag kann der Kläger keinen Verfahrensmangel begründen. In § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG ist ausdrücklich bestimmt, dass der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Der Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 SGG gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 7.6.2018 - B 9 V 69/17 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 5.7.2017 - B 13 R 145/17 B - juris RdNr 6). Selbst das Übergehen eines rechtzeitig gestellten formgültigen Antrags nach § 109 SGG würde keine Zulassung der Revision rechtfertigen (vgl BSG Beschluss vom 24.5.2013 - B 1 KR 50/12 B - juris RdNr 6).

b. Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) darin sieht, dass das LSG mit Schreiben vom 8.1.2019 ohne Begründung mitgeteilt habe, es gehe von einem Gesamt-GdB von 40 aus, hat er keinen Gehörsverstoß dargetan. Entsprechendes gilt für seinen Vortrag, dass sich das LSG der rechtlichen Diskussion entzogen habe, in dem es auf seinen Schriftsatz vom 26.2.2019 nach mehr als drei Monaten mit einer Terminsladung reagiert habe. Denn der Kläger behauptet nicht, dass das LSG in der mündlichen Verhandlung mit ihm nicht die Sach- und Rechtslage erörtert habe und er keine Gelegenheit gehabt habe, seine Rechtsansicht darzulegen.

Auch der vom Kläger angeführte Umstand, dass das Gericht insbesondere im Rahmen der Bemessung des Gesamt-GdB gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 12.4.2018 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 29.10.2018 argumentiert habe, bezeichnet keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines medizinischen Sachverständigen zu folgen, sondern entscheidet in freier Würdigung der erhobenen Beweise (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ). Die Beschwerdebegründung beanstandet, dass das Gericht den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. B. nicht gefolgt sei und insbesondere dessen Gesamt-GdB-Bewertung von 50 nicht übernommen habe. Damit legt die Beschwerdebegründung jedoch keine unvorhersehbare Anmaßung eigener Sachkunde des Gerichts dar. Vielmehr hat das LSG nur das getan, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der feststehenden medizinischen Tatsachen vorzunehmen und den Gesamt-GdB anhand der VersorgungsmedizinVerordnung ( VersMedV ) selbst zu beurteilen (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 27.5.2015 - B 9 SB 66/14 B - juris RdNr 9 mwN). Mit einer solchen richterlichen Vorgehensweise ECLI:DE: BSG :2019:121119BB9SB5819B0 - 2 - 4 - mussten die Beteiligten rechnen, insbesondere auch angesichts der in der Beschwerdebegründung ausdrücklich angesprochenen Stellungnahme des Beklagten (ua) vom 25.6.2018. Wieso hiernach die Entscheidung des LSG, dass dem Kläger kein Gesamt-GdB von 50 zustehe, überraschend gewesen sein könnte, vermag die Beschwerdebegründung nicht darzulegen. Soweit der Kläger meint, das LSG habe die Grundsätze der VersMedV bei der Bemessung des Gesamt-GdB unzutreffend zur Anwendung gebracht, wendet er sich gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG. Diese ist indessen von vornherein nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl Senatsbeschluss vom 27.5.2015 aaO RdNr 10).

c. Sollte der Kläger mit seinem Vorbringen, das LSG weiche von der Entscheidung des Senats vom 27.5.2015 ( B 9 SB 66/14 B - juris) ab, weil es nicht über die erforderliche eigene Sachkunde verfüge, um abweichend vom Sachverständigen Dr. B. und dem Beklagtenvortrag einen GesamtGdB von 40 festzusetzen, eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG rügen wollen, erfüllt sein Vortrag nicht die notwendigen Darlegungsvoraussetzungen für eine Divergenzrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN). Er benennt weder einen abstrakten Rechtssatz aus der von ihm zitierten Entscheidung des Senats, noch stellt er einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil gegenüber.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 16.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 165/16
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 05.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 SB 112/15