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BSG - Entscheidung vom 20.03.2019

B 12 KR 48/18 B

Normen:
SGB V § 229 Abs. 1 S. 3
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 20.03.2019 - Aktenzeichen B 12 KR 48/18 B

DRsp Nr. 2019/6715

Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung unter Einbeziehung von Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Beiträge nach Beendigung der Erwerbstätigkeit unter Einrücken des Versicherten in die Stellung des Versicherungsnehmers

Das BVerfG hat die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung zur Heranziehung von Lebensversicherungsverträgen bei der Beitragsbemessung grundsätzlich gebilligt und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, eine Ausnahme gemacht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB V § 229 Abs. 1 S. 3; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unter Einbeziehung von Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung.

Der Kläger ist als Rentner in der GKV und sPV pflichtversichert. Gemäß einer Mitteilung eines privaten Lebensversicherungsvereins aG an die beklagte Krankenkasse vom 17.11.2015 erhielt er eine Kapitalleistung iH von 36 684,75 Euro, wovon 2292,80 Euro durch den Kläger als Versicherungsnehmer erzielt worden seien. Die Beklagten legten einen Betrag von 34 391,95 Euro verteilt auf 120 Monate der Beitragserhebung zugrunde. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben ( SG -Gerichtsbescheid vom 22.3.2017; LSG-Urteil vom 27.2.2018). Einen Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestands hat das LSG durch Beschluss vom 4.3.2019 abgelehnt. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.2.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach § 153 Abs 4 S 1 SGG oder § 158 S 2 SGG (vgl § 153 Abs 4 S 3, § 158 S 3 SGG ).

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 12.9.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48).

Der Kläger wirft auf Seite 6 der Beschwerdebegründung die Fragen auf, ob

229 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch auf Auszahlungen einer Direktlebensversicherung anwendbar ist, bei denen saldiert keine Erträge, sondern Verluste erwirtschaftet wurden",

"Leistungen im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch Auszahlungen einer Direktlebensversicherung sind, die den saldierten Einzahlungen in die Versicherung, soweit sie durch Gehaltsumwandlung wirtschaftlich allein vom Arbeitnehmer erbracht wurden, entsprechen",

"es mit Art. 3 u. Art. 14 GG vereinbar ist, wenn eine Rente im Sinne von § 228 SGB V mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 11,35 % belastet wird, eine Leistung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V jedoch mit dem Vielfachen bzw. mit 83,1 %".

a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil der Kläger keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Jedenfalls legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit seiner Fragen nicht in einer den Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechenden Weise dar. Er setzt sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl zB BVerfG Kammerbeschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BVerfG Kammerbeschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2007 - B 12 KR 25/05 R - Juris; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - SozR 4-2500 § 229 Nr 16), auf die bereits das LSG zT hingewiesen hat, auseinander. Insbesondere berücksichtigt er nicht, dass das BSG konkret zur Heranziehung von Lebensversicherungsverträgen, die vor 2004 abgeschlossen wurden, mehrere Entscheidungen getroffen hat (vgl zB BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2400 § 229 Nr 4 RdNr 14; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2400 § 229 Nr 6 RdNr 18 mwN). Auch setzt sich der Kläger nicht damit auseinander, dass das BVerfG die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung grundsätzlich gebilligt hat und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, eine Ausnahme gemacht hat (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit der vorliegende Sachverhalt (erneut) klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft.

Soweit der Kläger eine Besonderheit seines Falls darin erblickt, das er seine Beitragsbelastung vom prognostizierten Ertrag seiner betrieblichen Altersversorgung in Abzug bringt (saldiert), legt er eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dar, denn die (zumindest im Ergebnis) vermögensmindernde Belastung mit Beiträgen zur GKV und sPV war bereits Gegenstand der Entscheidungen des BSG und des BVerfG. Dies gilt auch, soweit er geltend macht, in seinem konkreten Fall würde nach seiner Berechnung seine Beitragsbelastung 83,1 % des prognostizierten Ertrags aufzehren und zu einem Verlust iH von 2271,02 Euro führen. Der Kläger zeigt nicht auf, dass sich durch die von ihm vorgenommene Saldierung des prognostizierten Ertrags seiner Altersvorsorge mit den zu zahlenden Beiträgen ein Unterschied im Vergleich zu den bereits entschiedenen Fällen ergibt, wo ebenfalls die Belastung mit Beiträgen vermögensmindernd war.

Im Übrigen rügt der Kläger im Kern seines Vorbringens eine vermeintliche materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden.

2. Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler zeigt der Kläger nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise auf.

a) Der Kläger behauptet, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es zwar seinen Vortrag zu seinem Verlust iH von 2271,02 Euro im Tatbestand erwähnt habe, sich aber mit den ihm dazu aufgeworfenen und - seiner Meinung nach - entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit keinem Wort befasst habe.

Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu stellenden Anforderungen genügt der Kläger mit diesen Ausführungen nicht, weil er nicht - wie aber erforderlich - detailliert darlegt, welches konkrete Vorbringen vom LSG übergangen worden sein soll, und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit dem Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Der Kläger zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern sein Vorbringen eines nach Saldierung entstandenen Verlustes hinsichtlich der entscheidungserheblichen Frage einer Beitragsbelastung relevant wäre (siehe oben).

b) Der Kläger trägt vor, das vollständig abgefasste Urteil sei erst lange nach der Monatsfrist des § 134 Abs 2 SGG , aber innerhalb der Fünf-Monatsfrist der Geschäftsstelle übermittelt worden. Die Diskrepanz zwischen der Erwähnung des Umstands seines Verlustes im Tatbestand und dem Schweigen in den Entscheidungsgründen dazu sowie das völlige Weglassen seines in der mündlichen Verhandlung erörterten Schriftsatzes vom 20.2.2018 sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen würden belegen, dass infolge der - seiner Meinung nach - verzögerten Abfassung der Urteilsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung maßgebenden Erwägungen nicht mehr gewährleistet gewesen sei.

Auch insoweit zeigt der Kläger einen Verfahrensverstoß nicht auf: Er geht offenbar selbst davon aus, dass § 134 Abs 2 SGG als Soll-Vorschrift keine zwingende Vorschrift ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 17) und die Fünf-Monatsfrist (hierzu GmSOGB Beschluss vom 27.4.1993 - GmS- OGB 1/92 - SozR 3-1750 § 551 Nr 4) eingehalten wurde. Im Übrigen legt er auch insoweit nicht dar, inwieweit sein Vorbringen eines Verlustes nach Saldierung entscheidungsrelevant hätte sein können (siehe oben). Schließlich sind nach § 128 Abs 1 S 2 SGG in dem Urteil (nur) die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht muss nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 27.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 177/17
Vorinstanz: SG Stade, vom 22.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 KR 197/16