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BSG - Entscheidung vom 18.02.2019

B 3 KR 65/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 106 Abs. 1
SGG § 112 Abs. 2 S. 2

BSG, Beschluss vom 18.02.2019 - Aktenzeichen B 3 KR 65/18 B

DRsp Nr. 2019/5691

Erstattung von Kosten für eine Rollstuhlrampe Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Keine Verpflichtung des Tatsachengerichts zum Hinwirken auf Beweisanträge

1. Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, nicht gestellten Beweisanträgen über den Umweg von § 106 Abs. 1 , § 112 Abs 2. S. 2 SGG zum Erfolg zu verhelfen.2. Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es nicht einen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben; sieht es von der Beweiserhebung ab, so muss es nicht von sich aus auf einen Beweisantrag hinwirken.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 106 Abs. 1 ; SGG § 112 Abs. 2 S. 2;

Gründe:

I

Das Schleswig-Holsteinische LSG hat mit Urteil vom 23.8.2018 den Anspruch der bei der Beklagten versicherten Klägerin auf Erstattung von Kosten für eine Rollstuhlrampe verneint: Der Beschaffungsweg sei nicht eingehalten worden, weil der Leistungsantrag erst nach Beschaffung der Rollstuhlrampe gestellt worden sei und keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe. Ein Anspruch gegen die Pflegekasse nach § 40 Abs 4 SGB XI scheitere, weil die Klägerin nicht zum Personenkreis der Pflegebedürftigen gemäß §§ 14 , 15 SGB XI zähle. Auch habe eine Leistungszusage der Beklagten nicht festgestellt werden können.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels nicht formgerecht dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Zurückweisung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 Abs 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen:

1. "Ferner ist die Rechtsfrage aufgeworfen: handelt es sich bei einer Rollstuhlrampe um ein Hilfsmittel, welches von Krankenkassen aus erstattungspflichtig anzuerkennen ist?

...

2. Muss ein Versicherter die schleppende Bearbeitung von Leistungsanfragen von Versicherten invers gegen sich gelten lassen, sodass der VN bei einer längeren Bearbeitungsdauer aber in der Vergangenheit jeweils erfolgten Leistungsbewilligung so gegen sich gelten lassen, dass er mit dem Einwand des § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V gesperrt ist und Leistungserstattung nicht von einer vorherigen Antragstellung abhängig machen kann?"

Vorliegend kann schon dahingestellt bleiben, ob die Klägerin mit ihren Fragen solche zur Anwendung und Auslegung von Bundesrecht (§ 162 SGG ) gestellt hat. Es fehlen jedenfalls Darlegungen dazu, ob die aufgeworfenen Fragen sich anhand der Gesetzeslage beantworten lassen bzw ob bereits Rechtsprechung des BSG zu dem aufgeworfenen Problemkreis vorliegt, anhand derer diese Fragen hinreichend zu beantworten sind. Die Klägerin setzt sich nicht mit der im Urteil des LSG zitierten Rechtsprechung des BSG auseinander und legt auch nicht dar, weshalb unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung neuer Klärungsbedarf entstanden sein könnte. Im Übrigen wird nicht hinreichend aufgezeigt, weshalb die umfangreichen Darlegungen zum "enttäuschten Vertrauensschutz der Beklagten" bzw zum "Haftungstatbestand des Rechtsscheins" im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnten. Die Klägerin trägt zusammenfassend vor, dass sie die angefochtene Entscheidung des LSG für inhaltlich unzutreffend hält. Die behauptete Unrichtigkeit des Berufungsurteils stellt aber keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

2. Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Berufungsurteil verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ), da weder eine Beweisaufnahme erfolgt noch ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei. Es fehle auch eine Hinweiserteilung des LSG, "zu welchen Vorgängen, hier zum gelebten Vertrauensschutz zwischen den Parteien, noch hätte weiter vortragen müssen".

Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen an die hinreichende Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn im Kern ihres Vortrags macht die Klägerin nichts anderes als die Rüge der fehlenden Sachverhaltsermittlung (§ 103 SGG ) geltend. Nach stRspr des BSG kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter aber nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrages nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll gegeben und aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge den Zugang zur Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 mwN). An entsprechenden Darlegungen fehlt es aber.

Es existieren auch keine Hinweispflichten des Berufungsgerichts, die den nicht gestellten Beweisanträgen über den Umweg von § 106 Abs 1 , § 112 Abs 2 S 2 SGG zum Erfolg verhelfen können (stRspr vgl nur BSG Beschlüsse vom 20.11.2014 - B 13 R 270/14 B - BeckRS 2014, 74498 RdNr 8, vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - Juris RdNr 10). Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme hingegen für notwendig, so hat es nicht einen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Sieht es dagegen von der Beweiserhebung ab, so muss es nicht von sich aus auf einen Beweisantrag hinwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 23.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 16/16
Vorinstanz: SG Lübeck, vom 13.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 19 KR 484/14