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BSG - Entscheidung vom 27.06.2019

B 3 KR 61/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 27.06.2019 - Aktenzeichen B 3 KR 61/18 B

DRsp Nr. 2019/13164

Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Nichtanwendung oder Falschanwendung von Rechtssätzen des BSG

1. Allein in einer behaupteten vermeintlichen Nicht- oder Falschanwendung von Rechtssätzen des BSG liegt keine Divergenz im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG . 2. Die Rüge einer vermeintlich falschen Rechtsanwendung im Einzelfall kann einer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 139 792,87 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 2.8.2018 einen Schadensersatzanspruch der Klägerin als Leistungserbringerin gegen die beklagte Krankenkasse (KK) wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus einem mit der Beklagten abgeschlossenen Hilfsmittelvertrag aufgrund europaweiter Ausschreibung nach § 127 SGB V verneint. Sowohl bei Annahme eines schwerpunktmäßig dem Werkvertragsrecht des BGB zuzuordnenden Vertrages als auch bei Zugrundelegung der allgemeinen Regelung der §§ 280 f BGB und Annahme eines dienstvertraglichen Schwerpunktes scheitere der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz für die Aufwendungen bei der Selbstbeschaffung der Daten daran, dass die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Leistung bzw Nacherfüllung gesetzt habe. Auch habe keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten bestanden, in Fällen der "Umversorgung" zur Erleichterung der Weiterversorgung der Versicherten durch die Klägerin die von ihr angeforderten Daten zu übermitteln, die der Beklagen auch gar nicht bekannt gewesen seien.

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nicht formgerecht aufgezeigt (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Zurückverweisung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 Abs 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

2. Die Klägerin ist der Ansicht, das Berufungsurteil beruhe auf Abweichungen von den Urteilen des BSG vom 13.9.2011 ( B 1 KR 23/10 R - BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7) und vom 28.11.2013 ( B 3 KR 27/12 R - BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1). In diesen Urteilen habe das BSG entschieden, dass die spezialgesetzlichen Regelungen im Bereich der Heilmittelversorgung mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung eigener Art begründeten und sich die Versorgung mit Heilmitteln nicht nach dem Recht des Dienstvertrags (§ 611 BGB iVm § 69 SGB V ) richteten. Im Zusammenhang mit einem von einer KK auch für schuldrechtliche und sonstige Regelungen des auf Normen des BGB gestützten Anspruchs auf Herausgabe bestimmter Abrechnungsinformationen habe das BSG festgestellt, dass die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und deren Verbänden durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend geregelt seien und eine entsprechende Anwendung nach Vorschriften des BGB nur in Betracht komme, wenn die Regelungen des SGB V lückenhaft seien. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des BGB komme neben den Regelungen von §§ 126 , 127 SGB V in aller Regel nicht in Betracht.

Demgegenüber beruhe das Berufungsurteil auf der Rechtsannahme, dass es sich bei dem zwischen den Parteien begründeten Vertragsverhältnis zur "Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln zur Behandlung schlafbezogener Atemstörungen gem. § 127 Abs. 2 SGB V " im Kern um einen Werkvertrag handele, für den das Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung Anwendung finde. Infolge dessen sei die Klägerin verpflichtet gewesen, vor einer "Ersatzvornahme" durch die eigenständige Beschaffung der benötigten Versorgungsdaten eine angemessene Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zu setzen, wie man dies gegenüber einem Handwerker zu tun hätte, der nicht vertragsgerecht leiste. Eine solche Nachfrist sei nicht gesetzt worden. Dies sei nach werkvertraglichen Grundsätzen auch nicht entbehrlich gewesen mit der Folge, dass die Klägerin nichts beanspruchen könne (Bl 4 und 5 der Beschwerdebegründung).

3. Dieser Vortrag entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung einer formgerechten Divergenz. Aus den umfangreichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung wird zwar deutlich, dass die Klägerin jedenfalls nicht die Rechtsansicht des LSG teilt, sondern meint, es habe im Vergleich zur Rechtsprechung des BSG die rechtliche Einordnung des Vertragswerkes gegenteilig und den Rechtsstreit daher im Ergebnis unzutreffend entschieden. Diesen Ausführungen fehlt aber die klare und deutliche Gegenüberstellung zweier sich einander widersprechender Rechtssätze aus den Urteilen des BSG einerseits und aus dem des angefochtenen Berufungsurteils andererseits. Es kann letztlich offenbleiben, ob das Vorgehen in der Beschwerdebegründung den Zulässigkeitsanforderungen genügt, bei dem es dem Revisionsgericht schließlich überlassen bliebe, aus einem umfangreichen Vortrag jene Elemente herauszusuchen, die die Zulässigkeit und Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde begründen könnten (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 30.1.2014 - B 12 R 13/13 B - Juris RdNr 12).

a) Denn der Vortrag der Klägerin leidet auch daran, dass er die Gründe des Berufungsurteils nur unzureichend wiedergibt. Unabhängig davon, ob das LSG - dem Vortrag der Klägerin entsprechend - den Rechtsstreit dem Werkvertragsrecht zuordnet, hat es den Schadensersatzanspruch auch unter Zugrundelegung der allgemeinen Regelung der §§ 280 f BGB bei Annahme eines dienstvertraglichen Schwerpunktes für die Aufwendung bei der Selbstbeschaffung der Daten daran scheitern lassen, dass die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Leistung bzw Nacherfüllung gesetzt habe. Dass sich das LSG für die Ablehnung des Schadensersatzanspruchs auch hierauf gestützt hat, wird in der Beschwerdebegründung aber gar nicht erwähnt. Insofern ist die behauptete Divergenz aus diesem Grund bereits nicht entscheidungserheblich dargelegt, wenn das LSG die Ablehnung des Anspruchs mit einem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt tragend begründet. Im Übrigen ist das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG der Ansicht, dass sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nach § 127 SGB V bestimmen, die Vorschiften des Zivilrechts aber im Fall der Lückenhaftigkeit des SGB V weiterhin Anwendung fänden. Dies steht aber nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 27/12 R - BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 37).

b) Mit den weiteren Ausführungen, dass das LSG im Kern von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sei, weil der Vertrag selbst "keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Bereitstellung der von der Klägerin in Umversorgungsfällen benötigten Einstellungsparameter des vorherigen Leistungserbringers beinhalte", hat die Klägerin ebenfalls keine Divergenz formgerecht aufgezeigt. Auch hier fehlt es an der Gegenüberstellung zweier sich einander widersprechender Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und aus Urteilen des BSG . Die Klägerin führt anstelle dessen lediglich aus, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des BSG verkenne, soweit die Klägerin die Bereitstellung benötigter Einstellungsparameter in Umversorgungsfällen benötige und dass das LSG dem "Versorgungsdreieck" zwischen Versicherten, KKn und Leistungserbringern nicht ausreichend Rechnung getragen habe.

Damit benennt sie aber keine abstrakte rechtliche Aussage des LSG, mit dem dieses von einem Rechtssatz des BSG abgewichen sein könnte. Denn allein in der hiermit behaupteten vermeintlichen Nicht- oder Falschanwendung von Rechtssätzen des BSG liegt noch keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG . Auf eine solche Rüge der vermeintlich falschen Rechtsanwendung im Einzelfall kann die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 24). Schließlich liegt aus denselben Gründen auch keine formgerecht dargelegte Divergenz vor, wenn die Klägerin meint, das LSG habe unter "Missachtung der zitierten vertragsrechtlichen Einordnungen" die Bieterfrage Nr 46 und deren Beantwortung missverstanden. Hier erschließt sich dem Senat auch nicht der Bezug zu den zitierten BSG -Urteilen.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO .

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 02.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 42/17
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 19.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 14 KR 300/15