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BSG - Entscheidung vom 04.10.2019

B 12 R 21/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 04.10.2019 - Aktenzeichen B 12 R 21/19 B

DRsp Nr. 2019/17192

Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Nachweis einer Divergenz Einander widersprechende abstrakte Rechtssätze

Zum Nachweis einer Divergenz sind den vermeintlich abweichenden Entscheidungen tragende, abstrakte Rechtssätze zu entnehmen, die gegenüber zu stellen sind.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 79 023,93 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in Höhe von (noch) 79 023,93 Euro, die die beklagte D im Zuge einer Betriebsprüfung festgesetzt hat.

Die Klägerin betreibt ein medizinisches Dienstleistungsunternehmen, das über eine Erlaubnis nach dem AÜG verfügt. Nach einer Anzeige eines Konkurrenten im Jahr 2005 hatte die Beklagte eine Betriebsprüfung hinsichtlich der zu 7. bis 12. beigeladenen Personen durchgeführt und durch Bescheide vom 28.11.2007 abgeschlossen. Sie hatte festgestellt, dass jene aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlagen. Die dagegen gerichteten Klagen waren ohne Erfolg geblieben.

Nach Abschluss der sozialgerichtlichen Verfahren führte die Beklagte 2013 bei der Klägerin eine erneute Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums Januar 2004 bis August 2005 wiederum betreffend der zu 7. bis 12. beigeladenen Personen durch und forderte von jener Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 46 011,93 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 50 520 Euro nach. Widerspruch, Klage und Berufung sind überwiegend ohne Erfolg geblieben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte das mit der Klage verfolgte Begehren teilweise anerkannt und die Säumniszuschläge reduziert. Das LSG Hamburg hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG Hamburg zurückgewiesen (Urteil vom 26.2.2019). Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen, weil die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Die nach Teilanerkenntnis reduzierten Säumniszuschläge seien zu Recht festgesetzt worden. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder - das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder - bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

In der Beschwerdebegründung vom 12.6.2019 macht die Klägerin überwiegend eine Unrichtigkeit des Berufungsurteils geltend und stützt sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

1. Soweit die Klägerin eine materielle Unrichtigkeit des angefochtenen Berufungsurteils rügt, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil darin kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG dargelegt und bezeichnet wird.

Die Klägerin macht insbesondere geltend,

es ginge darum, "die Verjährungsfrage abschließend zu klären",

das Berufungsurteil könne nicht hingenommen werden; es stehe "im Widerspruch zur obergerichtlichen Rechtsprechung, auch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts",

den Ausführungen des LSG sei "vehement zu widersprechen"; es liege "eine Diskrepanz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor",

das Berufungsurteil stehe "im eklatanten Widerspruch zu dem oben genannten Urteil" des BSG vom 16.12.2015 (B 12 R 11/14 R),

die Argumentation des LSG sei "rechtsirrig".

Damit behauptet die Klägerin eine materielle Unrichtigkeit des Berufungsurteils. Dies kann jedoch - anders als etwa im zivilgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (vgl § 543 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ZPO ) - nicht in einer Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG geltend gemacht werden. Die Behauptung allein, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9).

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Die Klägerin führt auf Seite 8 der Beschwerdebegründung aus, das Berufungsurteil weiche "von wesentlichen rechtlichen Grundlagen der obergerichtlichen Rechtsprechung und (zumindest) den beiden oben genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts" ab. Schon allein aufgrund dieser Divergenz sei die Revision zuzulassen.

Hierdurch legt die Klägerin eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Weise dar. Dazu wäre insbesondere erforderlich gewesen, den Entscheidungen tragende, abstrakte Rechtssätze zu entnehmen, die zum Nachweis eines Widerspruchs im Grundsätzlichen gegenüber zu stellen wären. Dies unterlässt die Klägerin. Sie entnimmt den Entscheidungen des BSG lediglich Textpassagen in Zitatform und meint, das Berufungsurteil stehe dazu im Widerspruch. Die darin zum Ausdruck kommende Behauptung, ein Berufungsurteil weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, ist aber wiederum lediglich als Rüge einer vermeintlichen materiellen Unrichtigkeit anzusehen, worauf eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden kann.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Eines vorherigen, von der Klägerin ausdrücklich mit Telefax vom 2.10.2019 erbetenen Hinweises mit der Gelegenheit eines ergänzenden Vortrags, bedurfte es nicht (vgl § 160a Abs 2 Satz 1, § 73 Abs 4 SGG ; hierzu BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Hamburg, vom 26.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 56/17
Vorinstanz: SG Hamburg, vom 27.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 847/14