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BSG - Entscheidung vom 13.08.2019

B 12 R 19/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 13.08.2019 - Aktenzeichen B 12 R 19/19 B

DRsp Nr. 2019/13584

Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Keine Rüge der Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen

1. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Revisionszulassung wegen Divergenz, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.2. Eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen liegt nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9215,08 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. in den Räumen ihrer sprachtherapeutischen Praxis in den Jahren 2005 bis 2007 Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge in Höhe von insgesamt 9215,08 Euro zu zahlen hat (Bescheide vom 13.4.2010 und 6.10.2011, Widerspruchsbescheid vom 16.12.2011). Das SG Hannover hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.8.2016), das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. sei nach ihrem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung einzuordnen. Sie seien in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, seien insbesondere nicht völlig weisungsfrei gewesen, hätten keine eigene Betriebsstätte unterhalten, kein Unternehmerrisiko getragen und seien nach außen hin auch nicht als Selbstständige aufgetreten. Die Vergütung habe der Höhe nach dem eines angestellten Mitarbeiters entsprochen und sei ein Prozentsatz der allein von der Klägerin gegenüber der Krankenkasse abgerechneten Vergütung gewesen (Urteil vom 28.3.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend bezeichnet.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Darüber hinaus muss die Beschwerde darlegen, inwiefern die der angefochtenen Entscheidung entnommenen Rechtssätze tragend sind. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin entnimmt auf S 10 bis 12 der Beschwerdebegründung der Entscheidung des LSG eine Reihe von vermeintlichen "Rechtssätzen" und stellt diese der Rechtsprechung des Senats gegenüber: Das LSG folgere aus dem Zulassungserfordernis für Heilmittelerbringer der gesetzlichen Krankenversicherung, dass die für diese tätigen Personen sozialversicherungsrechtlich den Status als abhängig Beschäftigte hätten, dass die Tätigkeit in den Räumen und mit den Mitteln des Auftraggebers sowie das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte für eine abhängige Beschäftigung spreche. Weiterhin habe das LSG ein Entgelt von unter 30 Euro und ein fehlendes Unternehmerrisiko stets und unabhängig von der Art der Tätigkeit für eine abhängige Beschäftigung gewertet. Das sei mit Entscheidungen des BSG (Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - SozR 4-2500 § 7a Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 3/17 R - SozR 4-2500 § 7 Nr 33, Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2500 § 7 Nr 30) nicht vereinbar. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin damit grundsätzliche Aussagen des LSG aufgezeigt hat. Jedenfalls legt sie nicht hinreichend dar, dass die vermeintlichen "Rechtssätze" dem angefochtenen Urteil entnommen werden können. Die Klägerin führt einzelne Sätze aus dem angefochtenen Urteil auf, formuliert sie um und stellt sie als mit der Rechtsprechung des BSG nicht vereinbar dar. Die Formulierung vermeintlicher "Rechtssätze" durch das LSG geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

Im Übrigen ist durch die Gegenüberstellung der vermeintlichen Rechtssätze des LSG mit der neueren Rechtsprechung des BSG ein Widerspruch im Grundsätzlichen nicht hinreichend aufgezeigt. Soweit die Beschwerde ausführt, das LSG hätte unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BSG die genannten Umstände nicht "als allein maßgeblich" bzw den "bloßen" Umstand der fehlenden Betriebsstätte nicht berücksichtigen, der Höhe des Entgelts "keine Bedeutung beimessen" dürfen und habe die Art der Tätigkeit der Beigeladenen bei der Prüfung des Unternehmerrisikos "berücksichtigen müssen", beanstandet sie die Subsumtion durch das LSG. Einen Widerspruch im Grundsätzlichen zeigt sie damit nicht auf.

Schließlich legt die Klägerin nicht hinreichend dar, dass die von ihr dem angefochtenen Urteil entnommenen Rechtssätze - unabhängig von deren fehlender Abstraktheit - tragend sind. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden ( BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - BSGE 123, 180 = SozR 4-2400 § 26 Nr 4, RdNr 24; BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - SozR 4-2500 § 7a Nr 10 RdNr 18, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, jeweils mwN). Unter Berücksichtigung der vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren Gewichtung hätte die Klägerin daher darlegen müssen, dass sich ohne die vermeintlichen Abweichungen das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so eindeutig zu ihren Gunsten verschoben hätte, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung der Beigeladenen nicht mehr hätte angenommen werden können. Daran fehlt es.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 , § 162 Abs 3 VwGO .

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 28.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 469/16
Vorinstanz: SG Hannover, vom 10.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 1468/11