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BSG - Entscheidung vom 26.08.2019

B 8 SO 25/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 26.08.2019 - Aktenzeichen B 8 SO 25/19 B

DRsp Nr. 2019/14726

Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Begriff der Abweichung Verkennung höchstrichterlicher Rechtsprechung

1. Eine Divergenz im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nur vor, wenn das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. 2. Nicht ausreichend ist insoweit, wenn das Berufungsgericht eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die Rechtsanwaltssozietät "S" beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Im Streit steht die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung (hier: Miete und kalte Betriebskosten) des Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) beziehenden Klägers.

Nach Vorlage von Betriebskostenabrechnungen setzte der Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung - teilweise rückwirkend - für den Zeitraum 1.5.2012 bis 30.4.2014 fest und orientierte sich dabei hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Kaltmiete an einer von ihm 2011 erlassenen Verwaltungsvorschrift (Bescheid vom 26.8.2013, Widerspruchsbescheid vom 26.9.2013, Änderungsbescheid vom 28.1.2016 für die Zeit ab 1.1.2014 wegen höherer [indexierter] Angemessenheitsgrenze). Das Sozialgericht ( SG ) Dessau-Roßlau hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erbringen, da die Verwaltungsvorschrift des Beklagten nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts ( BSG ) an ein sog "schlüssiges Konzept" entspreche und daher die höheren Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz ( WoGG ) heranzuziehen seien (Urteil vom 4.10.2017). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt das SG -Urteil abgeändert und die Klage weitgehend abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, lediglich für April 2013 ergebe sich ein aus Betriebskostennachzahlungen resultierender weiterer Anspruch von 73,50 Euro; im Übrigen sei das Konzept des Beklagten schlüssig und anwendbar (Urteil vom 31.1.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der Beschwerde, macht die grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Sache sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät "S". Die Verwaltungsvorschrift des Beklagten genüge nicht den Anforderungen des BSG an die Erstellung eines sog "schlüssigen Konzepts".

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch eine Rechtsprechungsdivergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) in der gebotenen Weise dargelegt worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl etwa BSG vom 5.9.2018 - B 8 SO 33/18 B - juris mwN). Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht gerecht, weil sie keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht ( BSG vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern lediglich die vom Kläger für falsch erachteten Gründe der Entscheidung des LSG referiert und die grundsätzliche Bedeutung unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift des Beklagten nur auf die Breitenwirkung der von ihm angestrebten Entscheidung stützt.

Soweit der Kläger eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu einer Entscheidung des BSG betreffend die Gewährung von Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung behauptet, genügt sein Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG vom 16.7.2013 - B 8 SO 14/13 B - RdNr 6; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG vom 16.7.2013 - B 8 SO 14/13 B - RdNr 6; BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn das Berufungsgericht eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (stRspr; zB BSG vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - juris RdNr 26; BSG vom 9.5.2017 - B 13 R 240/16 B - juris RdNr 20 mwN). Auch für die Darlegung der Divergenz ist zudem erforderlich, dass die behauptete Abweichung entscheidungserheblich ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger benennt schon keinen konkreten, vom LSG in Abkehr von der BSG -Rechtsprechung bewusst aufgestellten Rechtssatz. Die Beschwerdebegründung begnügt sich damit auszuführen, die Entscheidung des LSG sei inhaltlich falsch und gibt insofern nur Auszüge aus dem Urteil wieder, um dann zu behaupten, die Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des BSG ab. Dies vermag die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ( BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 - juris RdNr 2; BSG vom 8.1.2019 - B 8 SO 65/18 B - juris RdNr 6).

Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 SGG , § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) bietet, ist dem Kläger auch keine PKH zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 31.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SO 62/17
Vorinstanz: SG Dessau-Roßlau, vom 04.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 SO 71/13