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BSG - Entscheidung vom 06.03.2019

B 8 SO 81/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB XII §§ 67 f.

BSG, Beschluss vom 06.03.2019 - Aktenzeichen B 8 SO 81/18 B

DRsp Nr. 2019/6456

Beschaffung einer Unterkunft bei drohender Obdachlosigkeit Gefestigte Rechtsprechung zur Übernahme von laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung

1. Die §§ 67 , 68 SGB XII enthalten denkbare Anspruchsgrundlagen für die Beschaffung einer Unterkunft, insbesondere wenn Obdachlosigkeit droht.2. Zur Übernahme von laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung, um einen aktuell tatsächlich bestehenden Unterkunftsbedarf zu decken, besteht gefestigte Rechtsprechung.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. September 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB XII §§ 67 f.;

Gründe:

I

Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) im Zeitraum 1.6. bis 31.7.2014 sowie die Feststellung, dass der Beklagte der Klägerin nach dem 13.5.2014 keinen geeigneten Wohnraum angeboten hat.

Nach der zwangsweisen Räumung ihrer Wohnung am 13.5.2014 übernachtete die Klägerin, die vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhielt, zunächst zeitweise im städtischen Übernachtungsheim des Beklagten, wohnte dann bis Ende Juli 2014 übergangsweise bei ihrer Tochter und bezog sodann zum 1.8.2014 eine neue Wohnung außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten. Den Antrag der Klägerin auf Zuweisung einer angemessenen Wohnung bzw auf Übernahme von Hotelkosten lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 10.6.2014). Über den hiergegen erhobenen Widerspruch wurde nach dem Bezug der neuen Wohnung zum 1.8.2014 nicht mehr entschieden. Außerdem stellte der Beklagte die Leistungsgewährung zum 31.5.2014 ein, da nach dem Wegfall der Mietzahlungen das vorhandene Einkommen den Bedarf übersteige (weiterer Bescheid vom 10.6.2014, Widerspruchsbescheid vom 10.9.2014). Klage und Berufung haben keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts [SG] Koblenz vom 16.12.2016, Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Rheinland-Pfalz vom 5.9.2018). Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin weitere Grundsicherungsleistungen im Zeitraum vom 1.6.2014 bis 31.7.2014 in Höhe von insgesamt 278 Euro begehre, sei die Berufung mangels Erreichen des Beschwerdewerts von 750 Euro unzulässig. Sie sei aber auch unbegründet, da der Beklagte zu Recht wegen des Wegfalls der Mietkosten für die zwangsgeräumte Wohnung die Leistungsbewilligung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ab dem Folgemonat aufgehoben habe. Die Klägerin habe ihrer Tochter im Juni/Juli 2014 keine Miete geschuldet. Ein Anspruch nach §§ 67 f SGB XII auf Zuweisung bzw Beschaffung einer Wohnung bestehe vorliegend nicht, zumal der Klägerin Wohnraum angeboten worden sei. Der (erste) Bescheid vom 10.6.2014 habe sich außerdem nach dem Einzug in die neue Wohnung zum 1.8.2014 erledigt; eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei nach dem Umzug mangels Feststellungsinteresses unzulässig.

Die Klägerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, ihr zugestellt am 16.10.2018, eingelegt. Der Vorsitzende hat die Begründungsfrist antragsgemäß um einen Monat, bis zum 17.1.2019, verlängert. Am 4.1.2019 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegeben, die Vertretung niedergelegt zu haben. Mit Senatsschreiben vom 8.1.2019 ist die Klägerin hierüber informiert und auf den Ablauf der Begründungsfrist am 17.1.2019 hingewiesen worden. Am 10.1.2019 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und am 14.1.2019 den Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII eingereicht, nicht aber die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

II

Der Senat kann offen lassen, ob PKH nach Niederlegung des Mandats durch die früheren Prozessbevollmächtigten schon deshalb nicht zu gewähren ist, weil die Klägerin bis zum Ablauf der Begründungsfrist nicht die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG], § 117 Abs 2 und 4 Zivilprozessordnung [ZPO]), dh mit dem durch die PKH-Formularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, eingereicht hat (vgl BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BSG Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 AL 14/01 B; BGH VersR 1981, 884 ; zur Verfassungsmäßigkeit vgl zB BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6; BVerfG NJW 2000, 3344 ), denn der Antrag auf Bewilligung von PKH ist ohnehin nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

Im Zusammenhang mit der Übernahme von laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung, um einen aktuell tatsächlich bestehenden Unterkunftsbedarf zu decken, besteht gefestigte Rechtsprechung (vgl etwa Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-3500 § 29 Nr 3; BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 4; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 19; BSG SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 20), ebenso zu Mietverhältnissen zwischen Verwandten, bei denen weder eine wirksame Mietzinsforderung besteht, noch sonst Kosten entstehen, die vom Leistungsberechtigten faktisch mitgetragen werden ( BSG SozR 4-3500 § 29 Nr 3; BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 4). Das BSG hat auch bereits entschieden, dass die §§ 67 , 68 SGB XII denkbare Anspruchsgrundlagen für die Beschaffung einer Unterkunft bieten, insbesondere wenn Obdachlosigkeit droht ( BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R = FEVS 64, 486; BSG SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 15 f). Das LSG hat diese Vorschriften geprüft und im vorliegenden Einzelfall mit ausführlicher Begründung das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen verneint. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu diesen Fragen eine grundsätzliche Bedeutung vortragen könnte.

Auch zu den Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG ) liegt gefestigte umfangreiche Rechtsprechung vor, gerade auch zu dem Fall, dass sich der Verwaltungsakt - vorliegend der erste Bescheid vom 10.6.2014 - bereits vor der Erhebung der Klage dadurch erledigt hat (vgl BSG SozR 4-1500 § 131 Nr 3, juris RdNr 10 ff), dass die Klägerin eine Wohnung gefunden hat und ihr Bedarf insoweit gedeckt gewesen ist, sodass eine Wohnungszuweisung nicht mehr in Betracht gekommen ist. Auch zu dem von der Klägerin vorgebrachten berechtigten Interesse an der begehrten Feststellung, etwa bei Wiederholungsgefahr (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 12) oder im Hinblick auf Folge-, insbesondere Schadensersatzansprüche ( BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 14; BSG SozR 4-3300 § 115 Nr 2 RdNr 13), existiert gefestigte Rechtsprechung des BSG . Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung vortragen könnte.

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Ein solcher Verfahrensmangel - Prozessurteil statt Sachurteil (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 6 mwN) - liegt insbesondere nicht darin, dass das LSG hinsichtlich der der Leistungen für die Monate Juni und Juli 2014 die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen und hinsichtlich ihres Fortsetzungsfeststellungsbegehrens als zulässig angesehen hat. Denn wenn innerhalb eines Klageverfahrens mehrere Streitgegenstände im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht werden, ist die Zulässigkeit von Rechtsmitteln hinsichtlich jedes Streitgegenstandes grundsätzlich eigenständig zu beurteilen ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 3), zumal ein Rechtsmittel auf einen von mehreren Streitgegenständen beschränkt werden kann (vgl nur BSGE 82, 198 = SozR 3-4100 § 242v Nr 1, juris RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 9 RdNr 5). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG hierauf beruhen könnte. Der Senat hätte bei Vorliegen eines Verfahrensmangels die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensmangels ausgehend von der Rechtsansicht des LSG zu beurteilen. Das LSG hat insoweit unabhängig von der Zulässigkeit der Berufung die Auffassung vertreten, dass sich die Klage auch als unbegründet erweist, weil die Kosten der Unterkunft für Juni und Juli 2014 entfallen waren. Gleiches gilt auch für die vom LSG vertretene Auffassung, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Auch hier führt das LSG ausdrücklich aus, dass die Klage bei gegebener Zulässigkeit unbegründet sei.

Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Beschwerde der Klägerin ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 3 SGG ) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der am 17.1.2019 abgelaufenen Frist durch einen vor dem BSG zugelassenen Bevollmächtigten begründet worden ist (§ 73 Abs 4 , § 160a Abs 2 SGG ). Eine erneute Verlängerung der Begründungsfrist ist nach den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 05.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 SO 12/17
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 16.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 SO 240/14