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BSG - Entscheidung vom 17.12.2019

B 3 KR 45/19 B

Normen:
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.12.2019 - Aktenzeichen B 3 KR 45/19 B

DRsp Nr. 2020/2747

Kostenerstattung für selbst angeschafften Cross-Trainer Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB V § 33 Abs. 1 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist mit seinem Begehren einer Kostenerstattung für einen von ihm selbst zwischenzeitlich angeschafften Cross-Trainer ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des LSG Bad en-Württemberg vom 8.8.2019 - L 5 KR 2194/18): Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sei der begehrte Cross-Trainer als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Da der Cross-Trainer nicht dazu dienen solle, auf eine Krankheit einzuwirken, sei auch der Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V nicht eröffnet. Die Beklagte habe zudem die maßgebliche Entscheidungsfrist gewahrt, sodass der sachliche Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V nicht eröffnet sei,

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger mit einem von ihm persönlich unterzeichneten Schreiben Beschwerde eingelegt und begehrt zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).

II

1. Der Antrag auf PKH ist nach summarischer Prüfung abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG , § 114 ZPO ). Es kann daher offenbleiben, ob der Kläger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH erfüllt.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Antrags auf PKH scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde aus 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision 160a SGG ). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs hier nicht ersichtlich und könnte auch von einem rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden.

Es ist nach Aktenlage und Klägervorbringen nicht erkennbar, dass die Beschwerde erfolgreich auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Es ist nicht ersichtlich, dass im Rechtsstreit des Klägers solche Fragen von Bedeutung sind. Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln nur, soweit die Hilfsmittel nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sind. Angesichts diesen klaren Wortlauts und vor dem Hintergrund der bisher bereits ergangenen Rechtsprechung (beispielhaft: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 5 S 13 - Schreibtelefon; BSGE 84, 266 , 268 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 S 196 - Luftreinigungsgerät; ähnlich auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 190 - Therapie-Tandem) steht keine Rechtsfrage im Raum, die der grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren (noch) bedürfte. Ähnliches gilt hinsichtlich der Ausführungen des LSG zu § 13 Abs 3a SGB V .

Der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte voraussichtlich nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil das LSG bei seiner Entscheidung die maßgeblichen Rechtsnormen angewandt hat und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG gefolgt ist.

Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler des LSG ersehen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Ausgangspunkt für das Vorliegen eines Verfahrensmangels ist regelmäßig die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 16b sowie RdNr 23 und § RdNr 16c mwN). Nach der Rechtsauffassung des LSG handelt es sich bei dem begehrten Cross-Trainer um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens nach § 33 Abs 1 Sa tz 1 SGB V . Der Leistungsausschluss nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V erfasst Gegenstände, die als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens allgemein auch von Gesunden im täglichen Leben verwendet werden ( BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 5 S 13 - Schreibtelefon). Maßgebend hierfür ist die jeweilige Zweckbestimmung, ausgehend von Funktion und Gestaltung des Gegenstands, wie er konkret beansprucht wird und beschaffen ist (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 7 RdNr 18 - Schutzserviette). Danach ist ein Gegenstand trotz geringer Verbreitung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand einzustufen, wenn er von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist. Keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind dagegen für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelte und so benutzte Gegenstände, selbst wenn sie - wie bei Brillen oder Hörgeräten - millionenfach verbreitet sind (vgl BSGE 84, 266 , 268 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 S 196 - Luftreinigungsgerät; ähnlich auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 190 - Therapie-Tandem).

Das nicht spezifizierte Vorbringen des Klägers zur Verletzung seines rechtlichen Gehörs 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) kann seinem PKH-Gesuch ebenso nicht zum Erfolg verhelfen. Ein Gehörsverstoß liegt ua vor, wenn das LSG seine Pflicht verletzt, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen (sog Erwägensrüge, vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 13; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen oder Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (sog Überraschungsentscheidung, BVerfGE 98, 218 ; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 62 RdNr 8b). Ferner hat das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen und ihnen dazu angemessene Zeit eingeräumt wird ( BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6 mwN). Gerichte haben den Beteiligten grundsätzlich nur zu entscheidungserheblichem Sachverhalt rechtliches Gehör zu gewähren. Es ist aber schon nicht erkennbar, das die Entscheidung des LSG anders hätte ausfallen können, wenn dem Kläger Gelegenheit zu weiterem Vortrag geboten worden wäre.

2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ), weil sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 08.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 2194/18
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 22.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 KR 4065/17