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BSG - Entscheidung vom 11.09.2019

B 6 KA 24/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB X § 50 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 11.09.2019 - Aktenzeichen B 6 KA 24/18 B

DRsp Nr. 2019/14242

Anspruch auf Kostenerstattung für ein vertragsärztliches Widerspruchsverfahren Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Belastung eines Honorarkontos Rückforderung bereits gezahlten Honorars

1. Nach gefestigter Rechtsprechung kann die Mitteilung der Belastung des Honorarkontos eines Kassenzahnarztes im Einzelfall als Rückforderung bereits gezahlten Honorars und somit als Verwaltungsakt anzusehen sein. 2. Dies gilt für die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs durch Belastung des Honorarkontos entsprechend.3. Auch kann die Ankündigung einer Belastung des Honorarkontos bei der nächstfolgenden Honorarabrechnung mit einem bestimmten Betrag zugleich die Rückforderung dieses Betrags nach § 50 Abs 1 SGB X enthalten.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2078 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB X § 50 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Die Klägerin, eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zweier im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung niedergelassener Vertragsärzte, begehrt die Erstattung von Kosten, die ihr für die anwaltliche Vertretung in einem gegen die Beklagte geführten Widerspruchsverfahren entstanden sind.

Der Beschwerdeausschuss der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Rheinland-Pfalz bestätigte die vom Prüfungsausschuss gegenüber der Klägerin festgesetzten Heilmittelregresse für die Quartale 1/2002 bis 4/2003 in überwiegendem Umfang (Bescheid vom 2.7.2007). Klage, Berufung und Revision blieben weitgehend ohne Erfolg (vgl BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35). Im Verlauf des Revisionsverfahrens teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe und sie deshalb die Regressbeträge in Höhe von 28 078,99 Euro "in voller Höhe in das Honorarkonto Ihrer Mandanten einbuchen" werde; wegen der erforderlichen Rückzahlungsmodalitäten (Ratenzahlung) werde man in Kürze Kontakt aufnehmen (Schreiben vom 25.5.2011). Hiergegen erhob die Klägerin am 9.6.2011 Widerspruch. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Widerspruch zur Bearbeitung an die zuständige Widerspruchsstelle abgegeben, aber im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren die Vollstreckung des Regressbetrags bis zur Zustellung der Entscheidung des BSG ausgesetzt werde; das Honorarkonto der Klägerin werde wieder freigegeben und die ihr zustehende Restzahlung für das Quartal 1/2011 kurzfristig ausgezahlt (Schreiben vom 10.8.2011). Nach Abschluss des Revisionsverfahrens schloss die Klägerin mit den Landesverbänden der Krankenkassen eine Zahlungsvereinbarung ab, die eine quartalsweise, mit der jeweiligen Honorar-Schlusszahlung zu verrechnende Ratenzahlung in Höhe von jeweils 3000 Euro vorsah.

Die Beklagte hat - nach von der Klägerin erfolgreich erhobener Untätigkeitsklage - den Widerspruch der Klägerin als zwar zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen und die von der Klägerin begehrte Erstattung von Kosten des Vorverfahrens abgelehnt (Widerspruchsbescheid vom 19.2.2014). Die auf Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren gerichtete Klage ist ebenso wie die Berufung ohne Erfolg geblieben (Urteile des SG vom 29.3.2017 und des LSG vom 24.5.2018). Das LSG hat ausgeführt, dass Kosten des Widerspruchsverfahrens nur zu erstatten seien, sofern der Widerspruch statthaft gewesen sei, nicht aber, wenn die Behörde gar keinen Verwaltungsakt erlassen habe (Hinweis auf BSG Urteil vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 2 RdNr 11). Das Schreiben vom 25.5.2011 stelle mangels Regelung keinen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dar. Zwar könne die Verrechnung des Regressanspruchs der Krankenkassen mit dem Honoraranspruch des Vertragsarztes einen Verwaltungsakt enthalten; die hier lediglich erfolgte Ankündigung einer Verrechnung durch Einbuchung in das Honorarkonto sei aber noch kein Verwaltungsakt. Ebenso wenig sei das Schreiben vom 10.8.2011 als Abhilfebescheid anzusehen.

Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung klar ergibt ( BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). An der Klärungsfähigkeit mangelt es, wenn die Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich ist oder die Frage aufgrund besonderer Umstände einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist. Nach diesen Maßstäben ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hier zu verneinen.

Die Klägerin bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage,

"ob die Mitteilung einer Kassenärztlichen Vereinigung an ein ihr unterworfenes Mitglied, für das bei ihr ein Honorarkonto geführt werde wie dies in aller Regel bei einem Vertragsarzt der Fall ist, wonach in dessen Honorarkonto eine geldwerte Position beispielhaft ein Honorarregress eingebucht werde, eine unmittelbare und mit dem Widerspruch angreifbare Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Leistungserbringer bewirkt oder ob sich diesbezüglich eine durchaus auch rechtlich geprägte Erscheinungsform einer Handlungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung feststellen lässt, die - eventuell noch - nicht zu einer respektive der Rechtsform des Verwaltungsaktes kondensiert ist."

Auch wenn sich der Sinn dieser Formulierung nicht auf den ersten Blick erschließt, zielt die Frage nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin ersichtlich auf eine Klärung der Frage, ob die Mitteilung einer KÄV an den Vertragsarzt, dass ein von den Prüfgremien festgesetzter Heilmittelregress in sein Honorarkonto eingebucht werde, eine Regelung iS des § 31 SGB X und somit einen mit Widerspruch angreifbaren Verwaltungsakt enthält oder ob die Ansicht des LSG zutrifft, dass eine solche Mitteilung lediglich eine künftige Verrechnung ankündigt und deshalb noch nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist.

Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , die einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich ist. Die Frage danach, welchen genauen Inhalt eine bestimmte, von einer Behörde abgegebene verwaltungsrechtliche Willenserklärung hat bzw welche rechtliche Bedeutung ihr zukommt, enthält keine Rechtsfrage zur Auslegung zB des Merkmals "Regelung" in § 31 Satz 1 SGB X . Eine Antwort auf diese Frage ist vielmehr von den im konkreten Einzelfall jeweils maßgeblichen tatsächlichen Umständen abhängig, insbesondere von dem wirklichen Willen der Behörde, wie ihn der konkrete Empfänger bei verständiger Würdigung objektiv verstehen musste ( BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 47 RdNr 17; s auch Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X , 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 23, 25). Die Antwort auf die Frage, wie eine bestimmte behördliche Erklärung auszulegen und rechtlich einzuordnen ist, ist demnach das Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs, hat aber nicht unmittelbar die Auslegung einer Rechtsnorm zum Gegenstand (vgl BSG Beschluss vom 31.8.2011 - GS 2/10 - BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 12; in diesem Sinne auch BVerwG Urteil vom 17.8.1995 - 1 C 15/94 - BVerwGE 99, 101 , 103 = juris RdNr 17: Beitragsabrechnung und Mitteilung des nach dem jeweiligen Kontostand zu überweisenden Betrags "der bisher gebräuchlichen Art" durch den Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung ist kein Verwaltungsakt). Eine gerade darauf zielende Frage kann mithin nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.

Ungeachtet dessen ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage auch nicht weiter klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Mitteilung der Belastung des Honorarkontos eines Kassenzahnarztes im Einzelfall als Rückforderung bereits gezahlten Honorars und somit als Verwaltungsakt anzusehen sein kann ( BSG Urteil vom 20.11.1986 - 6 RKa 14/85 - juris RdNr 10). Entsprechendes gilt für die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs durch Belastung des Honorarkontos ( BSG Urteil vom 10.4.1990 - 6 RKa 11/89 - SozR 3-5555 § 12 Nr 1 juris RdNr 11). Ebenso kann die Ankündigung einer Belastung des Honorarkontos bei der nächstfolgenden Honorarabrechnung mit einem bestimmten Betrag zugleich die Rückforderung dieses Betrags nach § 50 Abs 1 SGB X enthalten ( BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 15). Die zuletzt genannte Entscheidung legt aber auch nahe, dass die Aufrechnung als Maßnahme des "außergerichtlichen Selbsthilfezugriffs" in der Regel noch nicht mit der bloßen Ankündigung der Einstellung einer bestimmten Forderung in das Honorarkonto, sondern erst mit einer verbindlichen Mitteilung der in das Honorarkonto tatsächlich eingestellten Buchungsposten (im Rahmen des nächsten Quartalshonorarbescheids) als außenwirksame Regelung umgesetzt wird (zur Regelung einer Aufrechnung durch Verwaltungsakt s auch BSG Beschluss vom 29.8.2011 - B 6 KA 18/11 R - SozR 4-1500 § 86a Nr 2 RdNr 16).

Von der bloßen Ankündigung einer im Rahmen des nächsten Quartalshonorarbescheids beabsichtigten Aufrechnung ist hier auch das LSG bei seiner rechtlichen Bewertung des Inhalts des Schreibens der Beklagten vom 25.5.2011 nach Maßgabe der von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls ausgegangen. Für diese Bewertung spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die Beklagte dem Schreiben vom 25.5.2011 noch keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt und zudem ausdrücklich angekündigt hatte, mit der Klägerin noch Kontakt aufzunehmen, um zunächst die für erforderlich gehaltenen Rückzahlungsmodalitäten insbesondere im Hinblick auf eine Ratenzahlung abzuklären. Demgegenüber zeigt die Klägerin nicht auf, welche weitergehende, in der bisherigen Rechtsprechung des BSG noch nicht entwickelte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Regelung" in § 31 Satz 1 SGB X der Senat in dem von ihr erstrebten Revisionsverfahren vornehmen müsste, um die von ihr aufgeworfene Frage zu beantworten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO und dem Umstand, dass die Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 , § 52 Abs 3 Satz 1 GKG . Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, der keiner der Beteiligten widersprochen hat.

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 24.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KA 9/17
Vorinstanz: SG Mainz, vom 29.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 KA 32/14