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BGH - Entscheidung vom 26.09.2019

III ZR 282/18

Normen:
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 26.09.2019 - Aktenzeichen III ZR 282/18

DRsp Nr. 2019/15908

Zurechnung des Verschuldens eines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Rechtsmittelfrist hinsichtlich Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und Hinweispflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Hypothekenanleihen

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. August 2018 - I-14 U 121/17 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 122.635,88 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 85 Abs. 2 ; ZPO § 234 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die beklagte Partnerschaft von Rechtsanwälten unter dem Vorwurf der Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Hypothekenanleihen auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 21. August 2018 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß Empfangsbekenntnis am 22. August 2018 zugestellt. Die Zustellung von acht weiteren, in Parallelsachen ergangenen, Beschlüssen des Oberlandesgerichts vom 21. August 2018 erfolgte am 27. August 2018. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2018, eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung trägt sie - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung - vor, dass der für die Fristenkontrolle zuständigen Fachangestellten ihrer Prozessbevollmächtigten ein Büroversehen unterlaufen sei. Der Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei - zunächst im Fristenkalender und sodann in einem Stempelaufdruck auf dem Beschluss des Oberlandesgerichts - irrtümlich, ebenso wie für die acht Parallelsachen, erst für den 27. September 2018 eingetragen worden. Entsprechendes gelte für die kanzleiübliche einwöchige Vorfrist.

II.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg.

a) Es fehlt bereits an der erforderlichen Darlegung der Einhaltung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist, die mit dem Tage der Behebung des Hindernisses beginnt (§ 234 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 , § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ).

aa) Gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Zu diesen Tatsachen zählen auch diejenigen, die die Einhaltung der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergeben. Zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört damit Sachvortrag, demzufolge der Antrag rechtzeitig nach der Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO ) gestellt wurde (s. z.B. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 1998 - VI ZB 10/98, NJW 1998, 2678 , 2679; vom 13. Dezember 1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 ; vom 28. Februar 2008 - V ZB 107/07, NJW-RR 2008, 1084 , 1085 Rn. 11 und vom 20. Januar 2011 - IX ZB 214/09, NJW-RR 2011, 490 , 491 Rn. 14). Von einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung kann nur dann abgesehen werden, wenn die Wiedereinsetzungsfrist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 aaO und vom 28. Februar 2008 aaO).

bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, wann das Hindernis behoben wurde, und es ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, dass die Wiedereinsetzungsfrist offensichtlich eingehalten worden ist.

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, durch wen und wann die fehlerhafte Notierung der Rechtsmittelfrist bemerkt wurde oder dies hätte bemerkt werden müssen und somit das Hindernis für die fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde behoben worden ist. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags beschränkt sich auf die Darlegung der allgemeinen Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei sowie die irrtümliche Berechnung und entsprechende Eintragung der Fristen im vorliegenden Fall. Hieraus ergibt sich nicht, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. In Anbetracht der einwöchigen Vorfrist ist davon auszugehen, dass die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bereits am 20. September 2018 vorgelegt worden ist. Ob ihm die fehlerhafte Fristberechnung bereits an diesem Tage oder einem bestimmten späteren Tag erkennbar war, teilt die Klägerin nicht mit. Der am 9. Oktober 2018 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre nur dann fristgerecht gewesen, wenn das Hindernis ab dem 25. September 2018 behoben worden, nicht jedoch, wenn dies zuvor geschehen wäre. Zwar lief die Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erst am 24. September 2018 (Montag) ab. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist wird jedoch auch dann in Gang gesetzt, wenn das Hindernis vor Ablauf der zu wahrenden Notfrist behoben wird (BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830 ; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94, NJW 1994, 2831 , 2832 und vom 28. Februar 2008 aaO Rn. 10).

b) Zudem hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Fristversäumung unverschuldet war (§§ 233 , 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ).

aa) Zwar darf die Berechnung und Notierung einfacher Fristen grundsätzlich dem gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Büropersonal des Rechtsanwalts überlassen werden (s. nur Senat, Urteil vom 25. September 2014 - III ZR 47/14, NJW 2014, 3452 , 3453 Rn. 8 und Beschluss vom 19. September 2013 - III ZR 202/13, NJOZ 2014, 953 Rn. 4). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es aber, wenn - wie regelmäßig und auch hier - eine gerichtliche Entscheidung gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wird, eines besonderen Vermerks in den Handakten oder auf der Entscheidung, wann die Zustellung erfolgt ist, da nicht der Eingangsstempel, sondern das Datum, unter dem das Empfangsbekenntnis unterzeichnet ist, für den Beginn einer Rechtsmittelfrist maßgeblich ist (Senat, Beschluss vom 19. September 2013 aaO mwN). Um zu gewährleisten, dass ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass diese im Fristenkalender notiert worden ist (Senat, Beschluss vom 19. September 2013 aaO mwN). Hierbei und allgemein stets dann, wenn ihm die Sache im Zusammenhang mit einer (künftigen) fristgebundenen Prozess- oder Verfahrenshandlung vorgelegt wird, hat der Rechtsanwalt zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist. Er hat die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf (Senat, Urteil vom 25. September 2014 aaO sowie Beschlüsse vom 22. September 2011 - III ZB 25/11, BeckRS 2011, 24117 Rn. 8; vom 20. Dezember 2012 - III ZB 47/12, BeckRS 2013, 02649 Rn. 7; vom 19. September 2013 aaO S. 954 Rn. 7; vom 27. November 2013 - III ZB 29/13, NJOZ 2014, 411, 412 Rn. 8 und vom 29. Juni 2017 - III ZB 95/16, NJOZ 2018, 609, 610 Rn. 7, jeweils mwN). Liegt die Handakte nicht vor, so muss sich der Rechtsanwalt diese sogleich nachreichen lassen (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2013 aaO sowie Beschlüsse vom 22. September 2011 aaO; vom 20. Dezember 2012 aaO; vom 19. September 2013 aaO S. 953 Rn. 4; vom 27. November 2013 aaO und vom 29. Juni 2017 aaO).

bb) Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin ein - ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht ausgeräumt. Dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt anlässlich der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses oder nach Vorlage der Sache zur Vorfrist am 20. September 2018 die gebotene eigenverantwortliche Prüfung der Berechnung und Eintragung der Rechtsmittelfrist vorgenommen hat, trägt die Klägerin nicht vor. Hierfür sprechen auch keine Anhaltspunkte. Sowohl bei der Vorlage zur Unterzeichnung des auf den 22. August 2018 datierten Empfangsbekenntnisses als auch bei der Vorlage der Sache zur notierten Vorfrist am 20. September 2018 hätte der Rechtsanwalt nach einer Überprüfung der Fristberechnung seiner Fachangestellten (Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 27. September 2018) erkennen müssen, dass diese offensichtlich unrichtig war. In diesem Falle hätte er noch rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (am 24. September 2018) die Berichtigung der Fristberechnung und die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof veranlassen können.

2. Da die Klägerin die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat und ihr diesbezüglich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, ist ihr Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO ).

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 28.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 271/16
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 21.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen I-14 U 121/17