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BGH - Entscheidung vom 16.07.2019

XI ZB 10/18

Normen:
ZPO § 574 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 16.07.2019 - Aktenzeichen XI ZB 10/18

DRsp Nr. 2019/11919

Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung; Anforderungen an die zivilrechtliche Berufungsbegründung

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. März 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO ).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 65.000 €.

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Beklagten.

Die Parteien schlossen im Dezember 2004 einen Darlehensvertrag über 62.000 € mit einem bis zum 31. Januar 2015 festen Nominalzinssatz von 4,04% p.a. Die Beklagten erbrachten vertragsgemäße Leistungen. Im Juni 2013 einigten sich die Parteien auf geänderte Darlehenskonditionen. Unter dem 18. Juni 2016 widerriefen die Beklagten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.

Dem daraufhin anhängig gemachten Begehren der Klägerin festzustellen, dass der bestimmt bezeichnete Darlehensvertrag durch den von den Beklagten am 18. Juni 2016 erklärten Widerruf nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sei, sondern wirksam fortbestehe, hat das Landgericht entsprochen. Die auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen gerichtete Widerklage der Beklagten hat es abgewiesen. Die Beklagten hätten das Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Zwar führe die - hier: elfeinhalbjährige - vorbehaltlose Vertragserfüllung grundsätzlich nicht dazu, dass der Widerruf als rechtsmissbräuchlich zu erachten sei. Etwas anderes gelte aber dann, wenn der Darlehensnehmer darüber hinaus seinen Willen, an dem Vertrag festzuhalten, dokumentiert habe, den Vertrag anschließend anstandslos bediene und sich erst Jahre später nach einer weiteren Absenkung des Zinsniveaus zum Widerruf entschließe. Im konkreten Fall seien im Juni 2013 auf Wunsch der Beklagten schon vorzeitig die neuen Zinskonditionen vor Ablauf der zunächst vereinbarten Zinsbindungsfrist neu verhandelt und angepasst worden. Die Beklagten seien daran interessiert gewesen, das aus damaliger Sicht gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Zins günstigere Zinsniveau schon vorzeitig festzuschreiben. Deshalb seien sie auch bereit gewesen, zum 31. Januar 2015 eine zusätzliche Tilgung zu erbringen. Durch dieses Verhalten, auf das sich die Klägerin eingelassen habe, hätten die Beklagten dokumentiert, dass sie bereit gewesen seien, das Darlehen zu günstigeren Konditionen fortzuführen. In der Folgezeit hätten sie das Darlehen weiter jahrelang ordnungsgemäß bedient, so dass die Klägerin mit einem Widerruf nicht mehr habe rechnen müssen. Die Beklagten hätten die ihnen erteilte Widerrufsbelehrung "von ihrem objektivierten Empfängerhorizont her betrachtet" richtig verstanden. Bei dem erst im Jahr 2016 erklärten Widerruf sei es ihnen ersichtlich nicht darum gegangen, sich wegen einer eventuell übereilten Entscheidung durch Widerruf zu lösen, sondern allein darum, unter Ausnutzung einer aus ihrer Sicht gegebenen formalen Rechtsstellung finanzielle Vorteile in Form der von ihnen geltend gemachten Nutzungsentschädigung zu ziehen.

Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift haben sie mit den Sätzen eingeleitet, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das landgerichtliche Urteil werde daher in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. Sie haben - die Ausführungen aus der Klageerwiderung um ein Wort gekürzt wörtlich wiederholend - zur Treuwidrigkeit des Widerrufs vorgetragen, die Ausübung des Widerrufsrechts sei weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich. Der Senat habe in seinem Urteil vom 12. Juli 2016 ( XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 ff.) in einem Fall, in dem der Widerruf rund sieben Jahre nach vollständiger Beendigung des Darlehensvertrags erklärt worden sei, entschieden, dass die Ausübung des Widerrufsrechts auch nach vollständiger Rückzahlung des Darlehens weder rechtsmissbräuchlich noch verwirkt sei, und das dortige Berufungsurteil aufgehoben. "Bei laufenden Kreditgeschäften" gebe es - belegt durch eine weitere Entscheidung des Senats - "für Verwirkung und unzulässige Rechtsausübung erst Recht keinen Raum". "Insoweit dürften die Argumente der Klägerin zu der Wirksamkeit ihrer Widerrufsbelehrung und der Verwirkung sowie der unzulässigen Ausübung des Widerrufsrechts überholt sein".

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach Erteilung eines Hinweises als unzulässig verworfen, weil sich die Berufungsbegründungsschrift in der wörtlichen Wiedergabe der Klageerwiderung erschöpft habe und die Berufung damit nicht wirksam begründet worden sei.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86 , 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO ) nicht erforderlich. Das Berufungsgericht ist vielmehr, ohne den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) oder auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) zu verletzen, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, die Berufung der Beklagten sei nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet worden.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt (Senatsurteil vom 2. April 2019 - XI ZR 466/17, juris Rn. 13; Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2008 - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11, vom 12. Mai 2009 - XI ZB 21/08, juris Rn. 13 und vom 1. März 2011 - XI ZB 26/08, juris Rn. 11, jeweils mwN). Der Berufungskläger hat deshalb diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (Senatsurteil vom 2. April 2019, aaO, mwN). Die Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2008, aaO, vom 12. Mai 2009, aaO, vom 1. März 2011, aaO, und vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10). Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (Senatsurteil vom 9. Oktober 2001 - XI ZR 281/00, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2019 - XI ZB 9/18, juris Rn. 8). Ungenügend sind insbesondere Textbausteine und Schriftsätze aus anderen Verfahren (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2008, aaO, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 - IX ZB 46/12, juris Rn. 7).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten nicht. Sie setzt sich über die formelhafte Einleitung hinaus, das Landgericht habe falsch entschieden, mit der differenzierten und auf die besonderen Umstände des Einzelfalls bezogenen Argumentation des Landgerichts zum Rechtsmissbrauch nicht auseinander. Stattdessen beschränkt sie sich in wörtlicher Übernahme der Ausführungen aus der Klageerwiderung auf eine kursorische Auseinandersetzung mit den Argumenten der Klägerin in der Klageschrift. Darin liegt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine hinreichend auf das landgerichtliche Erkenntnis bezogene Bekräftigung des eigenen Rechtsstandpunkts. Aus dem Beschluss des I. Zivilsenats vom 7. Juni 2018 ( I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 10) ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nichts anderes. Diese Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt. Dass die Berufungsbegründung - das Berufungsgericht hat vorab lediglich darauf hingewiesen, sie verhalte "sich inhaltlich nicht zur Frage des Rechtsmissbrauchs" - schlagwortartig den Begriff des Rechtsmissbrauchs nennt, genügt als Befassung mit dem angegriffenen Urteil nicht. Damit verfehlt die Berufungsbegründung die gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO .

Vorinstanz: LG Köln, vom 16.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 22 O 257/16
Vorinstanz: OLG Köln, vom 14.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 236/17