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BGH - Entscheidung vom 17.09.2019

XI ZR 677/17

Normen:
BGB § 346
BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 1
BGB § 495 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1

BGH, Urteil vom 17.09.2019 - Aktenzeichen XI ZR 677/17

DRsp Nr. 2019/17392

Widerruf der auf den Abschluss mehrerer Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen zur Finanzierung des Erwerbs eines Hausgrundstücks; Feststellung der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse i.R.d. Feststellungsklage

Bei einem im Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits vollständig zurückgeführten Darlehen schuldet der Darlehensgeber Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen auf vor dem Wirksamwerden des Widerrufs erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen nicht nur für die Zeit bis zur Beendigung des Darlehensvertrags, sondern bis zum Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, insbesondere durch Aufrechnung, die nur auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rückgewährschuldverhältnisses - den Zugang der Widerrufserklärung - und nicht weiter zurückwirkt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Oktober 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. Mai 2017 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Normenkette:

BGB § 346 ; BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 1; BGB § 495 Abs. 1 ; ZPO § 256 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss mehrerer Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Zur Finanzierung des Erwerbs eines Hausgrundstücks schlossen die Kläger mit der Beklagten am 11. August 2003 die folgenden vier Darlehensverträge:

Der Darlehensvertrag mit der Nr. 655 (künftig: Nr. 655) über 25.000 € sah einen bis zum 30. Juli 2008 festen Nominalzinssatz von 3,83% p.a. vor und war durch eine Grundschuld gesichert. Dieses Darlehen wurde zum 8. Januar 2007 vollständig zurückgeführt.

Zusammengefasst in einer zweiten Urkunde schlossen die Parteien einen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag über 96.000 € (Nr. 630 [künftig: Nr. 630]) sowie einen Personalkredit über 11.000 € (Nr. 648 [künftig: Nr. 648]). Der Zinssatz für beide Verträge von 4,51% p.a. war fest vereinbart bis zum 30. Juli 2013. Im Juli 2009 wurde ein höherer Tilgungssatz vereinbart. Im Dezember 2012 vereinbarten die Parteien für beide Verträge für die Zeit ab 1. August 2013 einen bis zum 30. Juli 2018 festen Zinssatz von 1,88% p.a.

Schließlich schlossen die Parteien einen weiteren grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag über 35.000 € zu einem bis zum 30. Juli 2006 festen Zinssatz in Höhe von 3,54% p.a. (Nr. 663 [künftig: Nr. 663]). Im Juli 2006 trafen die Parteien eine Anschlusszinsvereinbarung, mit der dieses Darlehen wie folgt aufgespalten wurde: Ein Teilbetrag in Höhe von 6.500 € wurde zu einem bis zum 30. Juli 2007 festen Zinssatz von 4,22% p.a. unter der Kontonummer 082 (künftig: Nr. 082) weitergeführt. Für den Restbetrag in Höhe von 28.500 € wurde die ursprüngliche Darlehenskontonummer beibehalten und ein bis zum 30. Juli 2009 fester Zinssatz von 4,52% p.a. vereinbart. Der Vertrag Nr. 082 wurde zum 30. Juli 2007 und der Vertrag Nr. 663 zum 31. Juli 2009 vollständig zurückgeführt.

Bei Abschluss sämtlicher Darlehensverträge im August 2003 belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht im Wesentlichen entsprechend der Belehrung, die Gegenstand des Senatsurteils vom 11. September 2018 ( XI ZR 64/17, juris Rn. 2) war.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2016 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf den Abschluss der Darlehensverträge sowie der Anschlussvereinbarungen gerichteten Willenserklärungen und forderten die Beklagte zur Zahlung von 15.966,06 € bis zum 10. März 2016 auf. Nachfolgend leisteten die Kläger keine weiteren Zahlungen auf die beiden noch laufenden Verträge Nr. 630 und Nr. 648.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass sie sämtliche Darlehen "wirksam widerrufen haben", sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 15.966,06 € nebst Zinsen seit dem 11. April 2016. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen den von den Klägern errechneten Nutzungen der Beklagten aus den auf sämtliche Darlehensverträge erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz und der am 31. Januar 2016 noch offenen Darlehensvaluta der Verträge Nr. 630 und Nr. 648.

Das Landgericht hat den Feststellungsantrag als Antrag auf Feststellung der Umwandlung der Darlehensverhältnisse in Rückgewährschuldverhältnisse ausgelegt und diesen wegen des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig und den Zahlungsantrag wegen Verwirkung des Widerrufsrechts als unbegründet abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Kläger, mit der diese ihre erstinstanzlichen Anträge unverändert weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass sich sämtliche Darlehensvertragsverhältnisse aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 15. Februar 2016 in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die der Senat zugelassen hat, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, und mit der diese die vollständige Zurückweisung der Berufung der Kläger erstrebt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Feststellungsklage, die dahingehend auszulegen sei, dass sie auf die Feststellung der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse gerichtet sei, sei zulässig. Die Kläger könnten nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen werden. Sie hätten bereits mit dem Widerrufsschreiben die Aufrechnung ihrer Ansprüche auf Rückerstattung sämtlicher Ratenzahlungen zuzüglich Nutzungsersatz in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeder Zahlung gegen die Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung der Darlehensvaluten zuzüglich marktüblicher Verzinsung erklärt, gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestünden. Es ergebe sich "bereits bei überschlägiger Berechnung", dass im Rahmen der Rückabwicklung ein Saldo zugunsten der Beklagten verbleibe. Der Umstand, dass die Kläger selbst einen Rückabwicklungssaldo zu ihren Gunsten errechnet hätten, der Gegenstand des Zahlungsantrags sei, beruhe ausschließlich auf der fehlerhaften Auffassung, die Kläger könnten für sämtliche Kredite von der Beklagten Nutzungswertersatz in Höhe von fünf (statt zweieinhalb) Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zum Widerruf (und nicht nur bis zur vollständigen Rückführung der Darlehen) verlangen. Eine Klage auf Feststellung, dass die Kläger der Beklagten nach Widerruf nicht mehr als den konkret errechneten Rückabwicklungssaldo schuldeten, sei ebenfalls nicht zumutbar. Eine solche Klage würde unzulässig werden, sobald der Gegner eine nicht mehr einseitig rücknehmbare Leistungsklage erheben würde. Zudem sei den Ausführungen der Beklagten nicht zu entnehmen, in welcher Höhe konkret sie sich eines Zahlungsanspruchs gegenüber den Klägern berühme.

Den Klägern stehe hinsichtlich der Darlehensverträge vom 11. August 2003, auf die abzustellen sei, ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB , § 355 BGB in der Fassung vom 23. Juli 2002 (künftig: aF) zu. Da die erteilte Belehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF genügt habe und sich die Beklagte nicht auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung berufen könne, sei die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Die Kläger seien nicht durch die Konditionsanpassungsvereinbarungen wirksam nachbelehrt worden.

Das Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt, da zwar das Zeitmoment erfüllt sein dürfte, aber das Umstandsmoment fehle. Zwar seien der Vertrag Nr. 655 vorzeitig und die Verträge Nr. 663 und Nr. 082 planmäßig beendet worden, so dass für eine Nachbelehrung nach diesem Zeitpunkt keine Veranlassung mehr bestanden habe. Allerdings seien in keinem der genannten Fälle zwischen Beendigung des Darlehensverhältnisses und erklärtem Widerruf mehr als 10 Jahre vergangen. Darüber hinaus seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger der Beklagten gegenüber zu erkennen gegeben hätten, dass sie vom Bestehen des Widerrufsrechts infolge fehlerhafter Belehrung Kenntnis erlangt hätten. Die Kläger hätten der Beklagten daher durch die Ablösung der drei Darlehen keinen Anlass gegeben anzunehmen, sie würden ein noch bestehendes Widerrufsrecht nicht mehr ausüben. Der Abschluss der Konditionsanpassungsvereinbarungen zu den Verträgen Nr. 630, Nr. 648 und Nr. 663 sei insoweit ebenfalls ohne Bedeutung. Auch der Umstand, dass die Beklagte keine Rückstellungen für etwaig zu erwartende Forderungen oder Rechtsstreitigkeiten gebildet habe, genüge nicht zum Beleg des Umstandsmoments. Denn es handele sich hierbei um typische, aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung resultierende Folgen, beruhend auf einem Verhalten der Beklagten, und nicht um besondere, auf dem Verhalten der Berechtigten beruhende Umstände, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Wie die Revision zutreffend geltend macht, ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen.

a) Der Antrag festzustellen, die Kläger hätten mit Schreiben vom 15. Februar 2016 die Darlehen "wirksam widerrufen", ist - wenn allein auf seinen Wortlaut abgestellt wird - bereits deshalb unzulässig, weil er auf die Klärung einer nicht feststellungsfähigen bloßen Vorfrage und nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 12, vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 18 und vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, juris Rn. 10). Für Zwischenfeststellungsklagen gilt insoweit nichts anderes (BGH, Urteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331 , 332, vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 170/90, NJW 1992, 364 , 366 und vom 15. Juni 2005 - XII ZR 82/02, NZM 2005, 704 ; Senatsurteil vom 10. Juli 2018, aaO).

b) Aber auch eine Feststellungsklage des von beiden Vorinstanzen im Wege der Auslegung ermittelten, im Berufungsverfahren indessen von den Klägern nicht in diesem Sinne klargestellten Inhalts, die Darlehensverträge hätten sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt, wäre nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, juris Rn. 11 mwN und Beschluss vom 12. Februar 2019 - XI ZB 24/17, juris Rn. 6) unzulässig, da den Klägern insoweit das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehlt.

Dies gilt auch dann, wenn die Darlehensnehmer geltend machen, nach der von ihnen erklärten Aufrechnung verbleibe zu ihren Gunsten kein Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 (künftig: aF) in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB . Eine positive Feststellungsklage ist im Lichte dieser Behauptung nicht nur unzulässig, sondern auch unschlüssig (Senatsurteile vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rn. 11 und vom 26. März 2019 - XI ZR 321/17, juris Rn. 14; Senatsbeschlüsse vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, VuR 2018, 464 , 465 und vom 12. Februar 2019 - XI ZB 24/17, juris Rn. 6). Hier kommt hinzu, dass die Kläger gerade im Gegenteil behaupten, es ergebe sich zu ihren Gunsten ein positiver Saldo, den sie überdies mit dem Zahlungsantrag in beiden Vorinstanzen geltend gemacht haben.

Ein auf die Feststellung der Umwandlung in Rückgewährschuldverhältnisse gerichteter Antrag ist hier auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 ( XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt. Im Gegenteil haben sich die Parteien in den Vorinstanzen auch über die Höhe der von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auseinandergesetzt.

Eine mangels Feststellungsinteresses unzulässige Klage auf Feststellung der Umwandlung des Darlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann schließlich nicht in eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO umgedeutet werden (Senatsurteile vom 17. April 2018 - XI ZR 446/16, WM 2018, 1358 Rn. 15 ff., vom 10. Juli 2018 - XI ZR 674/16, juris Rn. 11 und vom 19. Februar 2019 - XI ZR 225/17, juris Rn. 11; Senatsbeschluss vom 12. Februar 2019 - XI ZB 24/17, juris Rn. 6).

c) Die von der Revisionserwiderung gewünschte Auslegung des Feststellungsantrags dahin, die Kläger begehrten die negative Feststellung, die Beklagte habe gegen die Kläger seit dem Zugang der Widerrufserklärung keinen Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung, kommt mangels eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 15, vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 19 und vom 3. Juli 2018 - XI ZR 572/16, WM 2018, 1599 Rn. 4 und 11; einen anderen Fall betraf Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 10 ff.). Im Übrigen wäre ein solcher negativer Feststellungsantrag in Bezug auf die in den Jahren 2007 und 2009 beendeten Darlehensverträge Nr. 655, Nr. 082 und Nr. 663 ebenfalls unzulässig, weil sich die Beklagte insoweit keiner Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB berühmt (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2019 - XI ZR 225/17, juris Rn. 12).

2. Überdies weisen die Überlegungen des Berufungsgerichts, das auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts zutreffend davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Kläger unrichtig über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 17 ff., 20 ff. und vom 11. September 2018 - XI ZR 64/17, juris Rn. 2 und 13), zur Verwirkung revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf.

Indem das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass in keinem der genannten Fälle zwischen Beendigung des Darlehensverhältnisses und der Widerrufserklärung mehr als 10 Jahre vergangen seien, hat es außer Acht gelassen, dass sich die Frage, ob eine Verwirkung vorliegt, nach den Umständen des Einzelfalls richtet, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (Senatsurteile vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 30, vom 3. Juli 2018 - XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 9 und vom 11. September 2018 - XI ZR 64/17, juris Rn. 14; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 9; jeweils mwN), und dass der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs bei der Prüfung des Umstandsmoments Berücksichtigung finden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16, WM 2017, 2146 Rn. 8 und vom 23. Januar 2018, aaO Rn. 14). Denn bei einem im Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits vollständig zurückgeführten Darlehen schuldet der Darlehensgeber Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen auf vor dem Wirksamwerden des Widerrufs erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nicht nur - wie das Berufungsgericht meint - für die Zeit bis zur Beendigung des Darlehensvertrags, sondern bis zum Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, insbesondere durch Aufrechnung, die nach § 389 BGB nur auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rückgewährschuldverhältnisses - den Zugang der Widerrufserklärung - und nicht weiter zurückwirkt (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 12, 16 ; Senatsurteile vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 37 ff., vom 25. April 2017 - XI ZR 314/16, BKR 2017, 373 Rn. 3 f. und 18 sowie vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17, WM 2019, 917 Rn. 3, 17 ff.).

Die Erwägung, die Kläger hätten der Beklagten gegenüber nicht zu erkennen gegeben, dass sie vom Bestehen des Widerrufsrechts infolge fehlerhafter Belehrung Kenntnis erlangt hätten, steht in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nach dieser kann gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren, was in besonderem Maße gilt, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 41, vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 22 und vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17, WM 2019, 917 Rn. 11; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 16). Dabei kommt es weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juni 1957 - II ZR 15/56, BGHZ 25, 47 , 53 und vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, WM 2007, 1940 Rn. 8; Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 26, XI ZR 449/16, WM 2017, 2251 Rn. 19 und XI ZR 555/16, WM 2017, 2259 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018, aaO Rn. 17). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Unternehmer "die Situation selbst herbeigeführt hat", indem er keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (Senatsurteile vom 10. Oktober 2017, aaO und vom 18. September 2018 - XI ZR 750/16, juris Rn. 11; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018, aaO Rn. 18).

Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der Umstand, dass die Beklagte keine Rückstellungen für etwaig zu erwartende Forderungen gebildet habe, sei nicht zu berücksichtigen, da es sich hierbei um typische Folgen der Vertragsbeendigung handele, die auf einem Verhalten der Beklagten und nicht auf dem Verhalten des Berechtigten beruhten, hat es nicht beachtet, dass es für den Tatbestand der Verwirkung auch auf das Verhalten des Verpflichteten ankommt und dass gerade auch dieses ebenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu prüfen und zu beurteilen ist (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 21) und dass der anderweitige Einsatz der vom Darlehensnehmer erlangten Mittel bei der Anwendung des § 242 BGB herangezogen werden kann (Senatsurteile vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 Rn. 16 f. und vom 19. Februar 2019 - XI ZR 225/17, juris Rn. 16; Senatsbeschluss vom 5. Juni 2018 - XI ZR 577/16, juris Rn. 4).

III.

Das Berufungsurteil ist damit, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, aufzuheben (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ).

Der Senat kann selbst über die Berufung der Kläger gegen die Abweisung der Feststellungsklage, deren Zurückweisung die Beklagte auch mit der Revision begehrt, entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Den Klägern muss nicht zuvor Gelegenheit gegeben werden, ihren Antrag in einer wiedereröffneten Berufungsverhandlung umzustellen. Denn die Kläger haben bereits in den Vorinstanzen mit dem Zahlungsantrag ihr Leistungsbegehren formuliert, schon das Landgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig erachtet und die Parteien haben auch vor dem Berufungsgericht über die Zulässigkeit der Feststellungsklage gestritten (vgl. Senatsurteile vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 20, vom 10. Juli 2018 - XI ZR 652/16, juris Rn. 15 und vom 19. Februar 2019 - XI ZR 225/17, juris Rn. 18).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. September 2019

Vorinstanz: LG Hannover, vom 18.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 238/16
Vorinstanz: OLG Celle, vom 18.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 128/17