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BGH - Entscheidung vom 21.10.2019

AnwZ (Brfg) 32/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 7
BRAO § 112c Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
ZInsO 2019, 2520

BGH, Beschluss vom 21.10.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 32/19

DRsp Nr. 2019/16441

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Kostentragung des Verfahrens bei übereinstimmender Erledigungserklärung des Rechtsstreits in der Hauptsache

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Ein solcher Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

Tenor

Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.

Das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 23. Januar 2019 ist gegenstandslos.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 7 ; BRAO § 112c Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 25. Juni 2018 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Nach Abweisung seiner hiergegen gerichteten Klage beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 28. August 2019 verzichtete der Kläger auf die Rechte aus der Zulassung als Rechtsanwalt mit Wirkung zum 20. September 2019. In der Folge widerrief die Beklagte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO ). Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist für die noch zu treffenden Entscheidungen nach § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5 VwGO die Vorsitzende zuständig.

1. Gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Zulassungsverfahren einzustellen. Ferner ist zur Klarstellung nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 173 Satz 1 VwGO , § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos geworden ist.

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung liegt nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ). Der Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. August 2019 - AnwZ (Brfg) 42/19, juris Rn. 3 mwN). Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat, wovon der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgegangen ist, mit Recht die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen.

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 13. August 2019, aaO Rn. 4 und vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 5). Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO , § 882b ZPO ) eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO ). Dabei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, vorliegend mithin auf den Erlass des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 25. Juni 2018, abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. April 2019, aaO Rn. 3 und vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

b) Der Kläger räumt ein, dass zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs drei Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis vorlagen, bei denen die zugrunde liegende Forderung jeweils noch nicht getilgt war. Er macht allerdings geltend, dass bezüglich dieser Forderungen Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen worden seien. Dieser Umstand - seine Richtigkeit unterstellt - genügt jedoch nicht, um die durch die Eintragung begründete Vermutung für einen Vermögensverfall in Wegfall zu bringen. Hinzu kommen muss, dass der Schuldner diesen Ratenzahlungen nachkommt und während dessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. April 2019, aaO Rn. 6 und vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 7). Daran fehlt es: Auch nach Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen kam es wiederholt zu Eintragungen in das Schuldnerregister bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger.

c) Ein Rechtsanwalt, bei dem ein Vermögensverfall vermutet wird (Senat, Beschluss vom 29. Dezember 2016, aaO Rn. 5 mwN) oder bei dem auch nur entsprechende Beweisanzeichen wie Vollstreckungsmaßnahmen vorliegen (Senat, Beschluss vom 14. Februar 2017 - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9), muss zur Widerlegung dieser Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Ein solches Verzeichnis hat der Kläger nicht vorgelegt. Zwar hat der Kläger für die Jahre 2014 und 2015 Umsätze und Gewinne mitgeteilt. Diesen Angaben fehlt bereits die notwendige Aussagekraft für die Vermögensverhältnisse 2018. Auch in der Sache ergibt sich aus diesen Angaben ohne detaillierte Gegenüberstellung mit Ausgaben und Verbindlichkeiten kein schlüssiges Gesamtbild der Vermögensverhältnisse. Gleiches gilt für die hieraus abgeleitete pauschale Ermittlung des dem Kläger jährlich zur Verfügung stehenden Kapitals (die vom Kläger so bezeichnete "Finanzspritze"). Im Übrigen zeigt die Tatsache, dass es (jedenfalls) seit 2016 fortlaufend zu neuen Einträgen im Schuldnerverzeichnis und zu Vollstreckungsmaßnahmen gekommen ist, dass die Vermögensverhältnisse nicht als konsolidiert angesehen werden konnten.

Der Hinweis auf Außenstände in Höhe von 110.000 € verfängt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob und inwieweit diese Forderungen bereits im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs bestanden. Jedenfalls fehlt es an belastbarem Vortrag, ob und in welcher Höhe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Begleichung durch die Gläubiger zu erwarten stand (vgl. Senat, Beschluss vom 19. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/12, juris Rn. 3 und vom 24. März 2011 - AnwZ (Brfg) 3/11, juris Rn. 6). Der Kläger trägt selbst vor, dass der Gläubiger einer Honorarrestforderung von mehr als 50.000 € um Ratenzahlung gebeten habe; andere Rechnungen sind mit "letzte Mahnung" überschrieben. Berücksichtigungsfähig sind aber nur liquide Finanzmittel (Senat, Beschluss vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, aaO Rn. 8).

d) Mit dem Vermögensverfall des Rechtsanwalts ist nach der Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Gefährdung kann nach dieser Wertung nur in seltenen Einzelfällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Er setzt voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 13. August 2019, aaO Rn. 6 mwN).

Der Kläger ist jedoch als Einzelanwalt tätig und hat damit die Möglichkeit eines Zugriffs auf Mandantengelder.

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Rheinland-Pfalz, vom 23.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 AGH 6/18
Fundstellen
ZInsO 2019, 2520