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BGH - Entscheidung vom 21.05.2019

AnwZ (Brfg) 60/18

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 882b

Fundstellen:
ZInsO 2019, 1795

BGH, Beschluss vom 21.05.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 60/18

DRsp Nr. 2019/9614

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Der Vermögensverfall eines Rechtsanwalts wird gesetzlich vermutet, wenn dieser mehrfach in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen worden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn er in diesem Verzeichnis auch wegen einer Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte während des gesamten Verfahrens eingetragen war.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. Juli 2018 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; ZPO § 882b;

Gründe

I. Der 1973 geborene Kläger wurde 2004 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und kündigte dessen Begründung bis zum 4. Dezember 2017 an. Nachdem keine Begründung eingegangen war, führte die Beklagte am 12. Dezember 2017 eine erneute Schuldnerverzeichnisabfrage durch. Danach war der Kläger wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in mehreren Fällen in das nach § 882b ZPO zu führende Register eingetragen. Am 28. Dezember 2017 erließ das Amtsgericht B. U. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Forderung in Höhe von 2.608,15 € (AZ: 3 ). Mit Bescheid vom 3. Januar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Am 15. Februar 2018 und am 22. Februar 2018 gingen Anträge auf Erlass von Haftbefehlen gegen den Kläger zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft beim Amtsgericht B. U. ein (AZ: 1 , 1 ).

Die gegen den Bescheid in der Fassung des Widerspruchbescheids gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II. Der Berufungszulassungsantrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ) liegt nicht vor.

Zwar hat der Kläger in seiner Rechtsmittelbegründung den Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemacht. Dieser entspricht jedoch dem Berufungszulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Kopp/Schenke-W.-R. Schenke, VwGO , 24. Aufl., § 124 Rn. 11), der damit als geltend gemacht anzusehen ist.

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höheren oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin ein Rechtssatz aufgestellt wird, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diesen tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2018 - AnwZ (Brfg) 5/18, NJW 2018, 2645 Rn. 18 mwN).

Der Kläger zeigt in seiner Rechtsmittelbegründung keine Abweichung eines tragenden Rechtssatzes im Urteil des Anwaltsgerichtshofs von anderen Rechtssätzen in Entscheidungen höherer oder gleichrangiger Gerichte auf. Er beruft sich darauf, dass die Grundsätze aus der Rechtsprechung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs in seinem Einzelfall zu einer anderen Würdigung hätten führen müssen. Damit ist jedoch nicht der Zulassungsgrund der Divergenz angesprochen, sondern der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , § 112e Satz 2 BRAO ). Abgesehen von der mangelnden Darlegung der Divergenz durch den Kläger ist eine solche auch nicht erkennbar. Vielmehr hat sich der Anwaltsgerichtshof in seiner Entscheidung an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtssätzen orientiert.

2. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen erfüllen den Zulassungsgrund dann nicht, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 36/17, juris Rn. 3 mwN).

Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht in Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

Der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft findet hier seine Grundlage in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO . Danach ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das nach § 882b ZPO vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

a) Der Kläger ist - was er auch nicht in Abrede stellt - mehrfach in das Verzeichnis eingetragen worden. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht darauf abgehoben, dass der Kläger in diesem Verzeichnis auch wegen einer Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in B. während des gesamten Verfahrens eingetragen war und deswegen der Vermögensverfall gesetzlich vermutet wird. Der Anwaltsgerichtshof hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass maßgeblich für die Beurteilung allein der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ist, vorliegend also der 3. Januar 2018; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

b) Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, seine Vermögensverhältnisse seien zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft geordnet gewesen. Im Jahre 2017 habe er einen Überschuss aus der Kanzleitätigkeit in Höhe von 25.472 € erzielt und ihm hätten zum 31. Dezember 2017 offene Forderungen in Höhe von 170.000 € zugestanden.

Zwar ist die Vermutung des Vermögensverfalls aufgrund der Eintragungen in das nach § 882b ZPO zu führende Verzeichnis widerlegbar. Zur Widerlegung der Vermutung muss der Rechtsanwalt jedoch ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und der Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse, wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids, nachhaltig geordnet waren. Der Rechtsanwalt muss darlegen, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gegen ihn bestanden und wie er sie zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 8; Beschluss vom 24. März 2017 - AnwZ (Brfg) 60/16, juris Rn. 6 f.).

Der Anwaltsgerichtshof ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht hinreichend dargetan hat, dass seine Vermögensverhältnisse geordnet waren. Der von ihm geltend gemachte Jahresüberschuss und auch die angeblich ihm zustehenden offenen Forderungen haben nicht ausgereicht, die Schulden zu tilgen. Er beruft sich mit seinem Zulassungsantrag lediglich darauf, dass "in absehbarer Zeit und voraussichtlich binnen Jahresfrist" eine Entschuldung zu erreichen sei. Eine Entschuldung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung macht er damit selbst nicht geltend. Im Übrigen sind während des Verfahrens, worauf der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, weitere Eintragungen in das Verzeichnis nach § 882b ZPO erfolgt.

Die vorgelegte Liste mit den angeblich offenen Forderungen in Höhe von ungefähr 170.000 € ist lediglich eine Zusammenstellung von Zahlen. Schuldner und Schuldgründe sind nicht angegeben. Eine realistische Bewertung, in welcher Höhe diese Forderungen tatsächlich bestehen und auch beitreibbar sind, enthält sie nicht. Vermögenswerte können aber nur dann von Bedeutung sein, wenn sie liquide sind (BGH, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 6). Da der Kläger ersichtlich nicht in der Lage war, die Forderungen beizutreiben und seine Schulden zu tilgen, sind mit der Vorlage dieser Liste keine Umstände vorgetragen, die die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls widerlegen.

Soweit sich der Kläger weiterhin darauf beruft, dass Forderungen gegen ihn gestundet seien und er Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen habe, hat er auch damit die gesetzliche Vermutung nicht ausgeräumt. Zwar können solche Vereinbarungen die Überschuldung und damit den Vermögensverfall ausschließen. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ist jedoch erforderlich, dass diese Vereinbarungen nicht nur pauschal behauptet, sondern substantiiert dargelegt und in geeigneter Weise belegt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 5). Daran fehlt es hier. Vielmehr hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, dass während des laufenden Gerichtsverfahrens weitere Eintragungen in das nach § 882b ZPO zu führende Register erfolgt sind.

c) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, eine konkrete Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden liege nicht vor. Es sei eine Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des eröffneten Insolvenzverfahrens und der arbeitsvertraglichen Beschränkung, denen sich der Rechtsanwalt unterworfen habe, vorzunehmen. Eine solche Gesamtwürdigung und Abwägung der tatsächlichen Gefährdung der Rechtsuchenden - die nicht gegeben gewesen sei - fehle im Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

Entgegen der Ansicht des Rechtsanwalts lässt sich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht ausschließen. Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 9 mwN). Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Um eine solche Gefährdung auszuschließen, darf ein Rechtsanwalt seine Tätigkeit nur noch im Rahmen einer anwaltlichen Sozietät ausüben und muss mit dieser entsprechende Sicherungsmaßnahmen verabreden. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind hingegen nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 13; Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 9 mwN). Da der Kläger als Einzelanwalt tätig ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass er Fremdgelder in Verwahrung nimmt. Er legt auch nicht dar, dass dies aus anderen Gründen ausgeschlossen wäre. Dass es bisher noch zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, ist nicht relevant, da die Vermutung nicht voraussetzt, dass bereits Schädigungen eingetreten sind (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 9 mwN).

3. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Der Anwaltsgerichtshof hat sich im Gegensatz zur Auffassung des Klägers mit der Frage der Gefährdung der Rechtsuchenden auseinandergesetzt und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine solche Gefährdung angenommen. Eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

4. Weitere Berufungszulassungsgründe sind nicht gerügt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Baden-Württemberg, vom 16.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen AGH 5/18 (I)
Fundstellen
ZInsO 2019, 1795