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BGH - Entscheidung vom 29.04.2019

AnwZ (Brfg) 21/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 112e S. 2

BGH, Beschluss vom 29.04.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 21/19

DRsp Nr. 2019/9592

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 10. Oktober 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 112e S. 2;

Gründe

I.

Der Kläger ist seit dem 28. Juni 1989 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit ihm am 25. Oktober 2017 zugestelltem Bescheid vom 24. Oktober 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheides oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 4 mwN und vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 24. Oktober 2017 in Vermögensverfall befunden.

a) Der Anwaltsgerichtshof hat den Vermögensverfall des Klägers tragend aus mehreren, von ihm im Einzelnen aufgeführten Forderungen hergeleitet, die gegen den Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides bestanden (Seite 9 f. der Entscheidungsgründe). Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 4 mwN), nach welcher offene Forderungen, Titel und Vollstreckungsmaßnahmen Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind. Im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung bestanden gegen den Kläger offene Forderungen der Finanzverwaltung sowie der Gläubiger H. , S. GmbH, R. und Se. über insgesamt 21.959,61 €. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend erkannt, dass diese Forderungen den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen.

b) Der Kläger kann diese Schlussfolgerung nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, wie er die Forderungen zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14; Beschluss vom 21. März 2017 - AnwZ (Brfg) 44/16, juris Rn. 7). Von einem Vermögensverfall kann nur dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Rechtsanwalt sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides in Vergleichs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern zur ratenweisen Tilgung seiner Verbindlichkeiten verpflichtet hat, diesen Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (Senat, Beschlüsse vom 14. Februar 2017 aaO Rn. 9 und vom 29. Dezember 2016 aaO Rn. 7 mwN). Hierzu genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt Ratenzahlungsvereinbarungen pauschal behauptet. Er hat sie vielmehr umfassend und substantiiert unter Angabe von Einzelheiten und Vorlage entsprechender Unterlagen, insbesondere der Erklärungen der betroffenen Gläubiger, darzulegen (Senat, Beschluss vom 29. Dezember 2016 aaO).

Soweit der Kläger erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung vorträgt, die zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides noch offenen Forderungen hätten - wie auch die vorherigen Forderungen - noch im Jahr 2017 mit Hilfe von laufenden Honoraren zuverlässig zurückgeführt und reguliert werden sollen, genügt dieser knappe Vortrag den vorgenannten Anforderungen nicht im Ansatz. Es werden weder ein Zahlungsplan noch die vom Kläger erwarteten Honorare nach Höhe und Fälligkeit noch Ratenzahlungsvereinbarungen mit den betroffenen Gläubigern und deren Erfüllung dargelegt. Gerade letzteres wäre indes in besonderem Maße erforderlich gewesen, hatte der Kläger doch ausweislich seiner an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 14. März 2016 und 15. Juli 2016 bereits zuvor Forderungen nur durch Ratenzahlungen erfüllen können. Es erscheint daher nicht nachvollziehbar, dass er, wie er indes vorträgt, die zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 24. Oktober 2017 in Höhe von insgesamt 21.959,61 € gegen ihn bestehenden offenen Forderungen noch im Jahr 2017 hätte begleichen können.

Auch der Hinweis des Klägers auf ein in seinem Eigentum stehendes Hausgrundstück mit einem Verkehrswert von 1.050.000 €, das mit einem - jederzeit zu erhöhenden - Hypothekendarlehen von ca. 400.000 € belastet sei, entkräftet nicht den - auf den vorgenannten offenen Forderungen beruhenden - Schluss auf den Eintritt seines Vermögensverfalls. Immobilienvermögen ist nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit nach ständiger Senatsrechtsprechung an (Senat, Beschlüsse vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, juris Rn. 17 und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 10; jeweils mwN). Der knappe Vortrag des Klägers zu seinem Immobilienvermögen lässt indes Rückschlüsse auf eine solche Liquidität nicht zu. Soweit er meint, er habe das Hypothekendarlehen zum Ausgleich der gegen ihn bestehenden Forderungen erhöhen können, falls laufende Honorare weggeblieben wären, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Es ist davon auszugehen, dass der Gewährung eines (weiteren) Hypothekendarlehens eine eingehende Prüfung der finanziellen Verhältnisse des Klägers durch den Darlehensgläubiger vorausgegangen wäre. Hätte der Kläger kein hinreichendes Einkommen nachweisen können - für diesen Fall führt er die Erhöhung des Hypothekendarlehens an - wäre die Gewährung eines weiteren Darlehens äußerst zweifelhaft gewesen. Bei dieser Sachlage kann nicht von einer jederzeit möglichen Erhöhung des Hypothekendarlehens und damit auch nicht von einer hinreichenden Liquidität des Immobilienvermögens des Klägers ausgegangen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Bayern, vom 10.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH I 1 32/17