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BGH - Entscheidung vom 17.10.2019

StB 25/19

Normen:
StGB § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 2

Fundstellen:
NStZ 2020, 83

BGH, Beschluss vom 17.10.2019 - Aktenzeichen StB 25/19

DRsp Nr. 2019/16439

Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstoßes i.R.e. Verurteilung wegen versuchter mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2019 wird verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Normenkette:

StGB § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ;

Gründe

1. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Beschwerdeführer am 7. Juli 2016 wegen versuchter mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Der Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und angewiesen, sich wöchentlich an einem bestimmten Tag zum präventiv-polizeilichen Gespräch bei der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums einzufinden. Mit Beschluss vom 18. Juni 2019 hat das Oberlandesgericht ihn zudem angewiesen, sich zweimal wöchentlich beim zuständigen Polizeirevier zu melden. Der Generalbundesanwalt hat am 14. August 2019 beantragt, die Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstoßes zu widerrufen. Das Oberlandesgericht hat dem Verurteilten am 3. September 2019 Gelegenheit zur mündlichen Anhörung zum Antrag des Generalbundesanwalts gegeben. Zu diesem Termin ist der Verurteilte nicht erschienen. Mit Beschluss vom 5. September 2019 hat das Oberlandesgericht die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Verteidiger des Beschwerdeführers auch dessen psychiatrische/psychologische Untersuchung beantragt hat, bleibt ohne Erfolg.

2. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ) liegen vor. Der Senat schließt sich nach umfassender Prüfung den in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Gründen an und macht sich diese zu eigen. Sie werden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.

Es hat insbesondere kein Anlass bestanden, dem Antrag des Verteidigers des Beschwerdeführers folgend ein psychiatrisches/psychologisches Gutachten einzuholen. Dem Beschwerdevorbringen kann schon nicht eindeutig entnommen werden, ob die beantragte Untersuchung der möglichen Aufdeckung einer psychischen Störung beim Beschwerdeführer, die einem Verschulden der Weisungsverstöße entgegenstehen könnte, oder der Klärung der Kriminalprognose dienen soll. Jedenfalls ist eine gutachterliche Untersuchung zu beiden Fragen nicht erforderlich. Zwar sind auch die Vollstreckungsgerichte mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gehalten, Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung und einer in tatsächlicher Hinsicht genügenden Grundlage zu treffen, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297 , 308 mwN). Indes liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leidet, die sich auf die Weisungsverstöße oder seine Gefährlichkeit auswirken könnte.

Hierzu reicht es insbesondere nicht aus, dass die erste Anhörung des Verurteilten vor dem Strafsenat am 4. Juni 2019 wegen krampfartiger Ausfälle (so das Protokoll der Anhörung) bzw. einer kurzfristigen Ohnmacht des Beschwerdeführers (so der Verteidiger) unterbrochen werden musste; denn sie konnte nach Intervention des Ersthelfers des Oberlandesgerichts und einer kurzen Pause ohne Schwierigkeiten fortgesetzt werden.

Auch im Übrigen ist die Einholung eines kriminalprognostischen Gutachtens nicht notwendig. Gesetzlich ist in Fällen einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstößen eine prognostische Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht gefordert. Für die vom Vollstreckungsgericht selbständig zu treffende Prognose (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297 , 310), ob aus einem Weisungsverstoß die Besorgnis folgt, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen, verfügen die Vollstreckungsgerichte in der Regel über eigene Sachkunde. Auf die Unterstützung eines Sachverständigen ist der zuständige Richter nach Aufklärungsgesichtspunkten nur angewiesen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine ergänzende Befunderhebung oder sachverständige wissenschaftliche Bewertung erforderlich sein könnte, für die ihm die Sachkunde fehlt. Dies ist mit Blick auf psychiatrische oder psychologische Sachverständigengutachten nur dann der Fall, wenn Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche psychische Fehlhaltung oder gar Erkrankung vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2002 - 2 BvR 613/02, NJW 2002, 2773 , 2774). Das Oberlandesgericht hat ausreichend begründet, warum es aus den fortgesetzten Verstößen gegen die Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss auf die Gefahr neuerlicher Straffälligkeit geschlossen hat. Hinweise auf eine entscheidungserhebliche psychische Erkrankung oder sonstige Besonderheiten, die ausnahmsweise die Beiziehung eines Sachverständigen erforderten, liegen nicht vor.

Der Senat ist an der vorliegenden Entscheidung nicht deshalb gehindert, weil die mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragte Pflichtverteidigerbestellung erst mit Verfügung vom heutigen Tage abgelehnt worden ist. Denn der Verteidiger hat das Rechtsmittel gleichwohl begründet. Dass er nach einer etwaigen Verteidigerbestellung nochmals und ergänzend vortragen wolle, hat er in diesem Zusammenhang nicht angekündigt.

Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 05.09.2019
Fundstellen
NStZ 2020, 83