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BGH - Entscheidung vom 24.09.2019

2 ARs 229/19

Normen:
StGB § 56f Abs. 1 S. 1
StPO § 14

Fundstellen:
NStZ-RR 2019, 384

BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - Aktenzeichen 2 ARs 229/19

DRsp Nr. 2019/15245

Widerruf der Bewährung aufgrund der Nachverurteilung hinsichtlich Bestimmung der Zuständigkeit des Gerichts

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO wird abgelehnt.

Normenkette:

StGB § 56f Abs. 1 S. 1; StPO § 14 ;

Gründe

I.

1. Das Landgericht Lüneburg – Strafvollstreckungskammer – führt seit dem 26. November 2015 die Bewährungsaufsicht über den Verurteilten aus einem Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 übersandte das Amtsgericht Syke dem Landgericht Lüneburg eine neue Anklage gegen den Verurteilten wegen Betruges in 20 Fällen zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 19. November 2018, eingegangen beim Landgericht Lüneburg am 28. November 2018, teilte die Staatsanwaltschaft Verden mit, dass der Verurteilte vom Amtsgericht Syke durch Urteil vom 31. Januar 2018, rechtskräftig seit dem 19. September 2018, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde.

Seit dem 13. Januar 2019 wird diese neue Strafe gegen den Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt Lingen vollstreckt.

In einem Vermerk vom 25. Februar 2019 führt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg aus, dass aufgrund der Nachverurteilung ein Widerruf der Bewährung in Betracht käme. Für diese Entscheidung sei aufgrund der zwischenzeitlichen Inhaftierung des Verurteilten in Lingen gemäß § 462a StPO nunmehr die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz am Amtsgericht Lingen zuständig. Eine Vorbefaßtheit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit der Frage des Widerrufs der Bewährung läge nicht vor, weil ein solcher vor einer Versendung des Bewährungsheftes an die Staatsanwaltschaft Bremen am 23. Oktober 2017 und auch bislang nicht beantragt worden sei.

Die Staatsanwaltschaft Bremen beantragte daraufhin beim Landgericht Lüneburg mit Schreiben vom 1. März 2019, die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB zu widerrufen. Zur Frage der gerichtlichen Zuständigkeit verhielt sie sich nicht.

Mit Beschluss vom 15. März 2019 hat das Landgericht Lüneburg die Bewährungsaufsicht an die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz am Amtsgericht Lingen abgegeben, mit Verfügung vom 22. März 2019 wurde die Bewährungssache dort übernommen.

Mit Beschluss vom 30. April 2019 hat das Landgericht Osnabrück – Strafvollstreckungskammer mit dem Sitz in Lingen – die dem Verurteilten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung nach vorheriger Anhörung widerrufen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 4. Juni 2019 hat der Verurteilte gegen den vorgenannten Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt.

2. Mit Beschluss vom 8. August 2019 hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Sache gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichthof vorgelegt, mit dem Anliegen, das für den Bewährungswiderruf zuständige Gericht zu bestimmen. Das Oberlandesgericht führt aus, es beabsichtige, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück aufzuheben und den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen sei örtlich nicht zuständig gewesen. Durch die Übersendung der Anklageschrift sei die Strafvollstreckungskammer des Landgericht Lüneburg bereits mit dem Widerruf der Strafaussetzung befasst gewesen; die so begründete örtliche Zuständigkeit sei durch die Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Lingen am 13. Januar 2019 nicht beendet worden.

Das Oberlandesgericht sieht sich indes an der beabsichtigten Entscheidung gehindert, weil diese zu einem Stillstand des Verfahrens führen würde. Das aus seiner Sicht zuständige Landgericht Lüneburg habe bereits aktenkundig gemacht, dass es sich für nicht zuständig halte. Es läge damit ein negativer Kompetenzkonflikt vor, welcher vom Bundesgerichthof als gemeinschaftlichem oberen Gericht zu entscheiden sei.

II.

Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:

„Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 14 StPO liegen nicht vor.

Erforderlich ist, dass zwischen mehreren Gerichten ein Streit über die Zuständigkeit besteht. Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn sämtliche mit derselben Sache befassten Gerichte sich für unzuständig halten. Es ist nur dann nach § 14 StPO zu verfahren, wenn zwischen den Gerichten „Streit“ besteht, d.h. wenn mindestens zwei Entscheidungen anfechtbar sind (KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl. 2019, StPO § 14 Rn. 1). Daran fehlt es hier:

Das Landgericht Lüneburg hat lediglich in einem Vermerk niedergelegt, dass es sich für unzuständig hält (s.o. I 10). Ob dieser Vermerk in einen anfechtbaren Beschluss umgedeutet werden könnte, kann dahinstehen, denn nach Aktenlage gibt es - noch - keinen Dissens zwischen den mit derselben Sache befassten Gerichten. Das Landgericht Lüneburg und das Landgericht Osnabrück sind sich vielmehr einig, dass das Landgericht Osnabrück für den Bewährungswiderruf zuständig ist. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat demgegenüber lediglich erklärt, wie es zu entscheiden beabsichtigt, in der Sache indes noch nicht entschieden. Eine bloße Beschlussabsicht kann einen negativen Kompetenzkonflikt aber nicht begründen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem über die Kommentierung in Löwe/Rosenberg vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Senates vom 14. Oktober 1975 ( 2 ARs 292/75; BGHSt 26, 212 ), denn dort hatten beide beteiligten Amtsgerichte eine Zuständigkeit bereits verneint, als das auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin mit der Sache befasste Landgericht die Akte dem Bundesgerichtshof zugeleitet hat.

Sollte nach einer etwaigen Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Osnabrück - Strafvollstreckungskammer mit dem Sitz in Lingen - vom 30. April 2019 (s.o. I 13) und erneuter Befassung des Landgerichts Lüneburg dort trotz der zutreffenden Begründung des Oberlandesgerichts Oldenburg, welche in dem Vermerk vom 25. Februar 2019 nicht berücksichtigt wurde, eine Zuständigkeit verneint werden, kann das Bewährungsheft zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes erneut vorgelegt werden. Ein Stillstand des Verfahrens ist damit nicht zu befürchten.“

Dem schließt sich der Senat an.

Vorinstanz: LG Lüneburg, vom 26.11.2015
Vorinstanz: OLG Oldenburg, - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 276/19
Vorinstanz: LG Osnabrück, - Vorinstanzaktenzeichen 13 BRs 21/19
Fundstellen
NStZ-RR 2019, 384