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BGH - Entscheidung vom 21.03.2019

V ZB 91/18

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2
AufentG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 5

BGH, Beschluss vom 21.03.2019 - Aktenzeichen V ZB 91/18

DRsp Nr. 2019/6592

Vorliegen der materiellen Haftvoraussetzungen zur Sicherung einer Abschiebung; Möglichkeit der Heilung eines Mangels des Haftantrages; Einhaltung der formellen Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG

Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer. Die zur Dauer der Haft angeführte Begründung, dass eine Rückführung nach Marokko nur mit einer Vorlaufzeit von mindestens 12 Wochen durchgeführt werden kann, genügt den Begründungsanforderungen nicht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 18. Mai 2018 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 21. März 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Bielefeld auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 ; AufentG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 5;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste Anfang 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik ein. Mit Bescheid vom 28. Februar 2017 ordnete die beteiligte Behörde seine Ausweisung verbunden mit einer Abschiebungsandrohung an. Rechtsmittel des Betroffenen blieben erfolglos.

Mit Beschluss vom 21. März 2018 hat das Amtsgericht Haft bis zum 20. Juni 2018 zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat seine Beschwerde zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 19. Juni 2018 nach Marokko abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Haftanordnung ihn in seinen Rechten verletzt habe.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts genügt der Haftantrag den formellen Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG . Insbesondere lege er die erforderliche Dauer der Haft ausreichend dar. Es lägen auch die materiellen Haftvoraussetzungen vor. Zu Recht habe das Amtsgericht die Haftanordnung auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufentG und § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Sie rügt zu Recht, dass es an einem zulässigen Haftantrag fehlt.

a) Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Die Ausführungen müssen die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2017 - V ZB 74/17, juris Rn. 6 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht.

Zur Dauer der beantragten Haft von drei Monaten führt die beteiligte Behörde in ihrem Antrag einzig aus, „auf heutige Nachfrage bei der Zentralstelle für Fluganmeldungen kann ein begleiteter Flug mit einer Vorlaufzeit von mindestens 12 Wochen gebucht werden“. Dies genügt nicht den Begründungsanforderungen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt dies allerdings nicht daraus, dass der Haftantrag keine Angaben zur Erforderlichkeit einer Sicherheitsbegleitung des Betroffenen enthält. Wie sich aus dem Haftantrag ergibt, wurde der Betroffene mit Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 3. August 2017 u.a. wegen schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung, mithin wegen Gewaltdelikten, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass eine Sicherheitsbegleitung des Betroffenen bei der Rückführungsmaßnahme erforderlich ist.

Aus dem Haftantrag lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, warum für die Buchung eines begleiteten Fluges ein Zeitraum von zwölf Wochen benötigt wird. Zwar ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt (Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11). In diesen Fällen erschließt sich grundsätzlich ohne weiteres, dass der organisatorische Aufwand eine solche Zeit in Anspruch nimmt, da erst die für die Begleitung in Betracht kommenden Personen ermittelt und innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitfenster die Flüge für den Betroffenen und die Begleitpersonen gebucht werden müssen. Im Hinblick auf die beschränkten Personalressourcen wird zwangsläufig ein zeitlicher Vorlauf benötigt, der bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen und als angemessen angesehen werden kann, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es aber einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Fluggesellschaften, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation; vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11). An einer Begründung für die angegebene Dauer von zwölf Wochen fehlt es hier. Die beteiligte Behörde beschränkt sich darauf, sich auf eine Auskunft der Zentralstelle für Fluganmeldungen zu berufen, ohne dass ersichtlich wird, warum ein Zeitraum von zwölf Wochen für die Buchung eines begleiteten Fluges nach Marokko benötigt wird. Im Hinblick darauf, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ), sind die Ausführungen im Haftantrag insoweit unzureichend.

2. Der Mangel des Haftantrages ist nicht geheilt worden.

a) Mängel des Haftantrages können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 14 mwN).

b) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 3. Mai 2018 zwar ergänzend zu den einzelnen Abläufen vorgetragen. Zudem hat das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung festgestellt, dass seitens der Zentralstelle für Flugabschiebungen am 12. April 2018 eine Flugdatenbestätigung für den 19. Juni 2018 erteilt worden sei. Diese Angaben waren auch ausreichend, um die Erforderlichkeit der verbleibenden Haftzeit zu belegen. Der Betroffene wurde hierzu aber durch das Beschwerdegericht nicht persönlich angehört. Da er bereits abgeschoben worden ist, kann die unterlassene Anhörung auch nicht nachgeholt werden, so dass eine Heilung des mangelhaften Haftantrages nicht möglich ist. Im Übrigen können Mängel eines Haftantrags nur mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. November 2018 - V ZB 54/18, juris Rn. 11 mwN).

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Vorinstanz: AG Bielefeld, vom 21.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 90 XIV 207/18
Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 18.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 23 T 159/18