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BGH - Entscheidung vom 19.03.2019

5 StR 104/19

Normen:
StPO § 250

BGH, Beschluss vom 19.03.2019 - Aktenzeichen 5 StR 104/19

DRsp Nr. 2019/5707

Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit durch die Verlesung der Einlassungen der früheren Mitangeklagten

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2018

a)

mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben,

aa)

in den Fällen II.1, 4 bis 6, 26 und 27 der Urteilsgründe,

bb)

in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die Einziehung von Taterträgen in den Fällen II.1 und 4 bis 6 der Urteilsgründe,

b)

dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen II.2, 3 und 7 bis 25 der Urteilsgründe in Höhe von 8.535 € angeordnet ist.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 250 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 27 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer sechsjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 27.555 € und eines Handys nebst Hülle angeordnet. Die Revision des Angeklagten ist im aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfolgreich und im Übrigen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

1. Die von der Revision zulässig erhobene Rüge eines Verstoßes gegen § 250 StPO führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte in den Fällen II.26 und 27 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu zutreffend Folgendes dargelegt:

"Das Landgericht hat durch die Verlesung der Einlassungen der früheren Mitangeklagten U. und B. K. , die sie in dem vor Abtrennung des Beschwerdeführers und sodann gegen ihn ausgesetzten Verfahren über ihre Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 15. August 2018 haben verlesen lassen, gegen den in § 250 StPO niedergelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen. Ausnahmen sind nur unter bestimmten, in den §§ 251 ff. StPO im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen möglich (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2007 - 2 StR 490/06 -, juris Rdnr. 10). Ein derartiger Ausnahmefall lag hier nicht vor. Insbesondere waren weder die formellen noch die materiellen Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 , 2 oder 4 StPO gegeben."

Der Senat vermag nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass das Urteil im bezeichneten Umfang auf den Verfahrensverstößen beruht (§ 337 Abs. 1 StPO ). Dies gilt auch für den Fall II.27, bei dem der Angeklagte seine Beteiligung weitgehend eingeräumt hat und weitere Beweismittel auf seine Täterschaft hindeuten. Denn das Landgericht hat seine Überzeugung hiervon maßgeblich auch auf die Erklärungen der früheren Mitangeklagten gestützt.

2. Die auf die erhobene Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils deckt einen die Fälle II.1 und 4 bis 6 betreffenden Rechtsfehler auf (a) und veranlasst eine Änderung der Einziehungsanordnung (auch) in den übrigen Fällen (b).

a) Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Die Feststellungen rechtfertigen ferner nicht den Schluss, der Angeklagte habe in den Fällen 1 und 4 bis 6 mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben.

aa) Die Strafkammer hat es verabsäumt, die Wirkstoffgehalte und Wirkstoffmengen der in den Fällen 1 bis 25 ... jeweils gehandelten Drogen aufzuklären ...

bb) Der Rechtsfehler führt in den Fällen 1 und 4 bis 6 zur Aufhebung des Urteils. Bei diesen Taten ist nicht belegt, dass der Angeklagte eine nicht geringe Menge Ecstasy-Tabletten im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Zwecke des Handeltreibens verkaufte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist allein auf der Grundlage der im Urteil mitgeteilten Stückzahl von jeweils 500 bis 2000 Ecstasy-Tabletten ... eine ausreichend sichere Feststellung der Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 30 Gramm MDA/MDMA/MDE-Base nicht möglich, weil die in der Praxis als Ecstasy vertriebenen Tabletten erfahrungsgemäß von unterschiedlichem Gewicht sind und deren Wirkstoffkonzentrationen und -kombinationen schwanken (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 296/10 -, juris Rdnr. 3; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 9. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rdnr. 338). In Ermangelung konkreter Feststellungen zum Gewicht der gehandelten Ecstasy-Tabletten lässt sich auch mit Blick auf die Verkaufspreise nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Angeklagte jeweils Ecstasy in einer den Verbrechenstatbestand begründenden Menge veräußerte."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und hebt daher die Schuldsprüche in den Fällen II.1 und 4 bis 6 - ebenso wie in den Fällen II.26 und 27 - mit den zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO ) auf. Für die übrigen mit dem Rechtsfehler behafteten Fälle schließt er aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen hingegen aus, dass das Urteil hierauf beruht.

b) Die Einziehungsanordnung bedarf auch aus einem weiteren in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angegebenen Grund der Änderung:

"Das Landgericht hätte gemäß §§ 73 Abs. 1 , 73c Satz 1 StGB auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen anstelle der Einziehung von Taterträgen ... erkennen müssen. In einer Konstellation, in der sich - wie hier - die vom Betäubungsmittelhändler unmittelbar aus den abgeurteilten Drogengeschäften erlangten Geldscheine nicht mehr nachweisbar in dessen Besitz befinden, bestimmt sich die Entscheidung nach der Vorschrift des § 73c Satz 1 StGB über die Einziehung des Wertersatzes, weil die Einziehung des Erlangten selbst aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist (vgl. Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 9. Aufl. § 33 Rdnr. 164, 169).

Rechtsfehlerbehaftet ist zudem die Anordnungshöhe. Die Strafkammer hat nicht erkennbar bedacht, dass eingedenk des wirksamen Verzichts des Angeklagten auf das bei ihm sichergestellte Bargeld über insgesamt 8.020 EUR ... der staatliche Zahlungsanspruch in Höhe des genannten Betrages erloschen und die Einziehung des (Wertes des) Tatertrages insoweit ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 198/18 -, juris Rdnr. 33). Für die Fälle 2, 3 und 7 bis 25 verbleibt deshalb ein einzuziehender Betrag von lediglich 8.535 EUR (16.555 EUR abzüglich 8.020 EUR ...)."

Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an und ändert die vom Landgericht getroffene Einziehungsentscheidung entsprechend ab.

3. Der Wegfall der im Fall II.27 verhängten vierjährigen Einsatzstrafe sowie der für die Fälle II.1, 4 bis 6 sowie 26 festgesetzten Geld- und Freiheitsstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass er den bisherigen Feststellungen zum Fall II.27 eine vom Angeklagten mittäterschaftlich mit dem früheren Mitangeklagten K. begangene Einfuhr im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG entnehmen würde.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 01.10.2018