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BGH - Entscheidung vom 22.05.2019

IV ZR 73/18

Normen:
VVG § 186 S. 1
VVG § 186 S. 1
VVG § 186 S. 1
AUB (2000) Nr. 2.1.1.1
AUB (2000) Nr. 2.2.1.1

Fundstellen:
MDR 2019, 938
NJW 2019, 2534
WM 2019, 1417
r+s 2019, 475
r+s 2022, 424

BGH, Urteil vom 22.05.2019 - Aktenzeichen IV ZR 73/18

DRsp Nr. 2019/9001

Versicherung für fremde Rechnung; Informationsobliegenheit des Unfallversicherers; Informieren der versicherten Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers; Erforderliche fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung

Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren. Das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.

Tenor

Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2018 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 96% und die Beklagte zu 4%.

Normenkette:

VVG § 186 S. 1; AUB (2000) Nr. 2.1.1.1; AUB (2000) Nr. 2.2.1.1;

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung in Anspruch, die sie als versicherte Person ausweist und die von ihrem im Herbst des Jahres 2013 verstorbenen Ehemann genommen worden war.

Als Voraussetzung der vereinbarten Invaliditätsleistung und Unfallrente war unter Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 der dem Vertrag zugrundeliegenden "Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen ..." (im Folgenden: AUB 2000) jeweils Folgendes bestimmt:

"Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).

Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden."

Im Übrigen lauteten die AUB 2000 auszugsweise:

"2.5 Krankenhaustagegeld

2.5.1 Voraussetzungen für die Leistung: Die versicherte Person befindet sich wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung

....

5.1. Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:

5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle...

......

12 Wie sind die Rechtsverhältnisse der am Vertrag beteiligten Personen zueinander?

12.1 Ist die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen, die einem anderen zustoßen (Fremdversicherung), steht die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht der versicherten Person, sondern Ihnen zu. Sie sind neben der versicherten Person für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich."

Am frühen Morgen des 1. März 2013 stürzte die Klägerin aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des seinerzeit von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Anwesens und erlitt schwere Verletzungen.

Auf die "Schadenmeldung" vom 5. März 2013 übersandte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin ein Schreiben vom 8. März 2013, in welchem unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hingewiesen wurde. Mit Schreiben vom 24. April 2013 verneinte die Beklagte ihre Leistungspflicht gegenüber dem Ehemann der Klägerin mit der Begründung, dass es sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um einen Suizidversuch gehandelt habe. Sie wiederholte ihre Leistungsablehnung im November 2016 nach einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Klägerin, die inzwischen selbst als Versicherungsnehmerin geführt wurde.

Das Landgericht hat die unter anderem auf Zahlung von Krankenhaustagegeld in Höhe von 6.300 €, einer Invaliditätsentschädigung von 44.400 € (60 % der Invaliditätssumme) und einer Unfallrente von monatlich 1.440 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels verurteilt, an die Klägerin das geforderte Krankenhaustagegeld nebst Zinsen zu zahlen und sie von anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

Mit der vom Oberlandesgericht zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr weitergehendes Begehren mit Ausnahme des Anspruchs auf eine Auslagenpauschale von 30 € weiter. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der klägerischen Berufung.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel beider Parteien haben keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2018, 544 veröffentlicht ist, hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

An der Aktivlegitimation der Klägerin, die nicht Versicherungsnehmerin, sondern versicherte Person sei, bestünden im Hinblick auf § 44 Abs. 2 VVG keine Zweifel. Die Beklagte habe konkludent auf diesen Einwand verzichtet. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhaustagegeld für den Zeitraum vom 1. März bis 20. November 2013.

Bei dem Vorfall vom 1. März 2013 habe es sich um einen Unfall gehandelt. Die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsschädigung werde nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG vermutet. Es lasse sich weder aus den unstreitigen noch aus den von der Beklagten unter Beweis gestellten Umständen schließen, dass sich die Klägerin entweder in suizidaler Absicht willentlich aus dem Fenster gestürzt habe oder aber der Sturz auf eine Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 AUB 2000 zurückzuführen sei.

Hinsichtlich der Ansprüche auf Invaliditätsleistung und Unfallrente sei die Klage dagegen unschlüssig. Es fehle an der nach Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB 2000 erforderlichen fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung. Auf die Versäumung der Frist könne sich die Beklagte berufen, weil sie den Ehemann der Klägerin als Versicherungsnehmer den Anforderungen des § 186 VVG entsprechend auf die Notwendigkeit der Erstellung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung binnen einer Frist von 15 Monaten hingewiesen habe. Ein Hinweis an den Versicherungsnehmer sei auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung und bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person grundsätzlich ausreichend. Bei einer solchen Versicherung sei davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer, dem nach § 44 VVG grundsätzlich die alleinige Verfügungsbefugnis zugewiesen sei, auch für die Einhaltung der Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen zugunsten der versicherten Person Sorge tragen werde.

II. Dies hält den Angriffen von Revision und Anschlussrevision stand.

1. Zur Revision:

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin zwar zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist, es aber an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehlt und die Beklagte sich auf diese Fristversäumnis berufen kann.

a) Bei der vom Berufungsgericht festgestellten Versicherung für fremde Rechnung ist die versicherte Person nach Ziff. 12.1 AUB 2000 allerdings grundsätzlich nicht zur Geltendmachung ihrer Rechte befugt (vgl. Senatsurteil vom 22. März 2000 - IV ZR 233/99, VersR 2000, 753 unter 2 a [juris Rn. 9]). Dies ist vielmehr Sache des Versicherungsnehmers. Im Einzelfall kann der versicherten Person eine Rechtsverfolgung aber möglich sein, etwa wenn sich der Versicherer - wie es das Berufungsgericht hier angenommen hat - auf das Begehren eingelassen hat (vgl. hierzu Senatsurteile vom 13. September 2017 - IV ZR 302/16, VersR 2017, 1330 Rn. 21 f.; vom 22. Februar 1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409 unter I [juris Rn. 9]). Zudem hat die Klägerin nach dem unstreitigen Parteivorbringen mittlerweile selbst die Stellung als Versicherungsnehmerin erlangt.

b) Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung und Unfallrente stehen der Klägerin aber bereits deshalb nicht zu, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität gemäß Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 fehlt.

aa) Bei der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 , 169 [juris Rn. 7] m.w.N.). Die Leistungsablehnung der Beklagten vom 24. April 2013 ändert nichts daran, dass der Anspruch nicht entsteht, wenn Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt wird (vgl. Senatsurteil aaO m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Gegen seine tatrichterliche Würdigung, frühestens mit dem nach Fristablauf erstellten Attest vom 6. November 2017 sei eine den Anforderungen von Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 genügende ärztliche Feststellung der Invalidität (vgl. hierzu Senatsurteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, r+s 2015, 250 Rn. 20 f. m.w.N.) erfolgt, wendet sich die Revision zu Recht nicht.

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Ehemann der Klägerin als damaligem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 8. März 2013 der gebotene Hinweis im Sinne von § 186 Satz 1 VVG erteilt worden. Damit wurde den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eines an die Klägerin gerichteten Hinweises bedurfte es nicht.

Insoweit kann es dahinstehen, ob sich die Klägerin nicht auch die Belehrung gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann zurechnen lassen müsste, nachdem sie unstreitig als Rechtsnachfolgerin in seine Stellung als Versicherungsnehmer eingerückt ist, Feststellungen zu Grund und Zeitpunkt des Rechtsübergangs vom Berufungsgericht aber nicht getroffen worden sind. Auch unabhängig hiervon war ein inhaltsgleicher Hinweis an die Klägerin nicht erforderlich.

(1) Allerdings ist umstritten, ob es dem Versicherer bei einer Unfallversicherung für fremde Rechnung obliegt, über den Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG hinaus (auch) die versicherte Person selbst - hier mithin die Klägerin - entsprechend zu unterrichten.

Während die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums einen entsprechenden Hinweis für nicht notwendig erachten (so außer dem Berufungsgericht - zumindest im Grundsatz - OLG Naumburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60; OLG Oldenburg VersR 2018, 405 , 406 [juris Rn. 17]; OLG Saarbrücken r+s 2017, 432 Rn. 58 ff.; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 186 Rn. 4; Kloth/Piontek, r+s 2017, 561 , 562) und anderes nur für den Fall erwägen, dass der Versicherungsnehmer seine Verfügungsbefugnis zu Gunsten der versicherten Person ersichtlich aufgegeben hat (vgl. hierzu Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 186 Rn. 20; ähnlich Naumann/Brinkmann, Die private Unfallversicherung 2. Aufl. § 10 Rn. 18; siehe auch OLG Saarbrücken aaO Rn. 64; Rixecker aaO), geht ein anderer Teil der Literatur von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus und ist der Auffassung, dass die versicherte Person entweder stets (so Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 16; PK-VersR/Brömmelmeyer, 3. Aufl. § 186 Rn. 5 f.; Looschelders/Pohlmann/Götz, VVG 3. Aufl. § 186 Rn. 5; Kloth, r+s 2007, 397 , 398; anders aber ders., Private Unfallversicherung 2. Aufl. G Rn. 87) oder aber jedenfalls im Fall der Anzeige des Versicherungsfalls durch die versicherte Person (so Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 2.1 Rn. 110a; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 30. Aufl. § 186 Rn. 9; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. § 186 Rn. 3; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 186 Rn. 4; Marlow in ders./Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1253 und in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess 3. Aufl. § 12 Rn. 298) in den Adressatenkreis des Hinweises gemäß § 186 Satz 1 VVG einzubeziehen sei.

(2) Die zuerst genannte und auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung trifft zu. Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren; das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.

(a) Dabei steht - anders als die Revisionserwiderung meint - allein der Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG , nach dem die Hinweispflicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht, einem anderen Auslegungsergebnis allerdings nicht zwingend entgegen. So hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zur Kfz-Haftpflichtversicherung entschieden, dass Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz , im Pflichtversicherungsgesetz und in Versicherungsbedingungen, die nur den Versicherungsnehmer nennen, sinngemäß auch auf den mitversicherten Fahrer anzuwenden seien (Senatsurteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 55/87, BGHZ 105, 140 , 145 [juris Rn. 12]; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1967 - II ZR 51/65, VersR 1967, 1087 unter III [juris Rn. 14]; vgl. ferner zur Lebensversicherung, allerdings nur für den Fall, dass der Versicherte über den Anspruch verfügen kann, Senatsurteil vom 25. Juni 1986 - IVa ZR 219/84, VersR 1986, 803 unter II 2 [juris Rn. 19]). Jedoch hat der Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes 2008, der mit diesem Gesetz zahlreiche neue Hinweis- und Belehrungspflichten des Versicherers eingeführt hat, an mehreren Stellen spezielle Regelungen getroffen, die ausdrücklich eine Information der versicherten Person selbst gewährleisten sollen (vgl. etwa § 166 Abs. 4 , § 206 Abs. 3 Satz 2 VVG ; siehe nunmehr auch § 7d Satz 1 VVG , eingeführt durch Gesetz vom 20. Juli 2017, BGBl. I S. 2789 ). Mit dieser Regelungssystematik wäre es nicht vereinbar, die Hinweispflicht des § 186 Satz 1 VVG allein deshalb auf das Verhältnis zur versicherten Person zu erstrecken, weil dieser gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG die Rechte aus dem Vertrag zustehen.

Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die versicherte Person lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens in § 186 VVG nicht erwähnt haben könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - gerade auch im Zusammenhang mit der von ihm erkannten Problematik, dass der versicherten Person die zu stellende ärztliche Prognose bei sich länger hinziehenden Untersuchungen und Behandlungen häufig nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erkennbar sein müsse, eine Informationsobliegenheit des Versicherers nur gegenüber dem Versicherungsnehmer für geboten erachtet (BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.). Er hatte also erkennbar die Differenzierung zwischen Versicherungsnehmer und versicherter Person im Auge, was gegen ein gesetzgeberisches Versehen spricht (ebenso OLG Saarbrücken r+s 2017, 432 Rn. 59; OLG Naumburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60).

(b) Auch Sinn und Zweck der Norm gebieten nicht eine Einbeziehung der versicherten Person in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 VVG bezeichneten Hinweises.

Zwar soll mit dieser Vorschrift der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen (Senatsurteil vom 14. Januar 2015 - IV ZR 43/14, VersR 2015, 230 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.). Eben diese Gefahr kann sich bei einer Versicherung für fremde Rechnung in der Person des Versicherten verwirklichen, zu dessen Nachteil gemäß § 191 VVG von § 186 VVG nicht abgewichen werden kann. Ist aber der Versicherungsnehmer gemäß § 186 Satz 1 VVG über die Anspruchsvoraussetzung einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität unterrichtet worden, so liegt das Risiko der Wahrung dieser Frist bei der versicherten Person; dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Abhängigkeit der Rechte der versicherten Person vom Verhalten des Versicherungsnehmers (vgl. hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09, r+s 2012, 32 Rn. 32; Senatsurteil vom 15. November 1978 - IV ZR 183/77, VersR 1979, 176 unter 2 [juris Rn. 34 ff.]), dem die Rechtsverfolgung gegenüber dem Versicherer obliegt. Denn es entspricht dem gesetzlichen Regelfall (§ 44 Abs. 2 , § 45 Abs. 1 VVG ), dass der versicherten Person die formell-materielle Befugnis zur Geltendmachung ihrer Rechte fehlt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13, VersR 2014, 1118 Rn. 11 m.w.N.). Damit steht in Einklang, dass § 186 VVG keine gesonderte Regelung für die Versicherung für fremde Rechnung trifft, sondern unterschiedslos eine Unterrichtung nur des Vertragspartners des Versicherers vorsieht.

(c) Eine Pflicht zur Belehrung der versicherten Person folgt auch nicht daraus, dass diese gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 VVG ebenfalls den Versicherungsfall anzuzeigen hat. Zwar findet die Anzeige des Versicherungsfalles durch einen Dritten gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 VVG im Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG keine ausdrückliche Erwähnung. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, der Hinweis sei stets der Person zu erteilen, die den Versicherungsfall gemäß § 30 Abs. 1 VVG angezeigt hat.

Vielmehr ist § 186 Satz 1 VVG nur dahin zu ergänzen, dass die Hinweispflicht auch bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person besteht. Auch hier bleibt es jedoch dabei, dass der Hinweis grundsätzlich allein dem Versicherungsnehmer zu erteilen ist. Der Zweck der gesetzlichen Obliegenheit nach § 30 Abs. 1 VVG zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles (vgl. zum Rechtscharakter der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers BT-Drucks. 16/3945 S. 69 f.) besteht darin, dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung sowie schnelle und zuverlässige Klärung des Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 2000 - IV ZR 110/99, VersR 2000, 841 unter II 2 b bb [juris Rn. 14] zu einer vertraglichen Anzeigeobliegenheit; vom 7. Juli 1999 - IV ZR 32/98, VersR 1999, 1266 unter 2 d bb [juris Rn. 29] zu einer vertraglichen Ausschlussfrist). Insoweit trägt die vom Gesetz so bezeichnete Anzeigepflicht eines anspruchsberechtigten Dritten (vgl. zu deren streitiger Rechtsnatur MünchKomm-VVG/Wandt, 2. Aufl. § 30 Rn. 10 f.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 30 Rn. 10; jeweils m.w.N.) sowie des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung (vgl. zu dessen Einbeziehung in die Anzeigepflicht BT-Drucks. 16/3945 S. 70 li. Sp.) der Tatsache Rechnung, dass dieser oftmals deutlich früher als der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.

Die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherten begründet dagegen ebenso wenig wie ein bloßes Versäumnis des Versicherungsnehmers die formell-materielle Befugnis des Versicherten zur Geltendmachung seiner Rechte (vgl. zu den Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf § 7 Abs. 1 Satz 2 AHB Senatsurteile vom 13. September 2017 - IV ZR 302/16, VersR 2017, 1330 Rn. 21 f.; vom 4. Mai 1983 - IVa ZR 106/81, VersR 1983, 823 unter II 1 [juris Rn. 19] m.w.N.; siehe auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG 30. Aufl. Ziff. 12 AUB 2010 Rn. 2 f.; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 12 AUB 2008 Rn. 7). Diese Befugnis verbleibt beim Versicherungsnehmer. Dem Zweck des § 186 VVG , auch einem Anspruchsverlust zum Nachteil des Versicherten vorzubeugen, wie er sich aus § 191 VVG ergibt, wird deshalb auch in diesem Fall durch den Hinweis an den Versicherungsnehmer genügt.

(d) Des Weiteren entspricht es dem Interesse des Versicherers, Klarheit über den Adressaten des von ihm zu erteilenden Hinweises zu haben (vgl. zu dem Interesse des Versicherers, Klarheit hinsichtlich des richtigen Erklärungsadressaten zu haben, auch Senatsurteil vom 7. Februar 2018 - IV ZR 53/17, VersR 2018, 339 Rn. 20 bezüglich des Empfängers einer Anfechtungserklärung). So wird der Versicherer zum Beispiel bei Gruppenversicherungsverträgen nicht stets über hinreichende Informationen zu der potenziell leistungsberechtigten versicherten Person verfügen (zutreffend Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 186 Rn. 4).

(e) Soweit die Revision meint, die versicherte Person sei jedenfalls deshalb in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 VVG genannten Hinweises einzubeziehen, weil andernfalls die Fristenregelungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB mit § 307 BGB unvereinbar seien, dringt sie auch hiermit nicht durch. Der Senat hat bereits entschieden, dass solche Fristenregelungen einer Inhalts- und Transparenzkontrolle standhalten (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 Rn. 12 ff. m.w.N.). Einen Transparenzverstoß hat der Senat (aaO Rn. 16) ausdrücklich ohne Rücksicht auf die seinerzeit noch nicht anwendbare Regelung des § 186 Satz 1 VVG verneint. Aus dem Inkrafttreten dieser - vertragliche Fristen gerade voraussetzenden (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.) - Vorschrift kann nicht auf die Unwirksamkeit der Bestimmungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB 2000 geschlossen werden.

(f) Offen bleiben kann, ob es auch nach Einführung des § 186 VVG ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn sich der Versicherer auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität beruft (vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 186 VVG Senatsurteile vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 , 169 f. [juris Rn. 8]; vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210 , 218 [juris Rn. 23] m.w.N.). Ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Beklagten liegt nicht vor; ein solches ergibt sich nicht daraus, dass sie bei ihrer ersten Leistungsablehnung von einer Wiederholung des in § 186 Satz 1 VVG genannten Hinweises abgesehen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. November 2005 aaO S. 170 f. [juris Rn. 10]) und auch gegenüber der Klägerin an den Ablehnungsgründen festg ehalten hat, als diese - nach Ablauf der in Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 bezeichneten Frist - Ansprüche geltend gemacht hat.

2. Zur Anschlussrevision:

a) Die Anschlussrevision ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, obwohl die Zulassungsentscheidung nur zu Gunsten der Klägerin ergangen ist und Revision und Anschlussrevision jeweils prozessual selbständige Ansprüche (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. November 2005 - IV ZR 214/04, VersR 2006, 388 Rn. 6 f.) zum Gegenstand haben.

Für die Statthaftigkeit der Anschlussrevision genügt es, dass sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 168/15, r+s 2016, 255 Rn. 22; BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.). Diese Voraussetzung ist hier - anders als die Anschlussrevisionserwiderung meint - erfüllt. Die Klägerin macht aufgrund eines einheitlichen Geschehens mehrere vertraglich vereinbarte Leistungsarten geltend. Die von der Revision erstrebte weitergehende Stattgabe der Klage setzt dabei nicht anders als der von der Anschlussrevision erfasste Anspruch auf Krankenhaustagegeld voraus, dass die Beklagte mit ihrem übergreifenden Einwand, es habe sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um ein nicht versichertes Ereignis gehandelt, erfolglos bleibt (vgl. hierzu auch BGH, Urteile vom 16. Oktober 2014 - VII ZR 152/12, NJW 2014, 3645 Rn. 20; vom 5. Dezember 2006 - X ZR 165/03, VersR 2007, 1392 Rn. 6; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174 unter B 1 [juris Rn. 26]).

b) Die Anschlussrevision rügt jedoch ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 286 ZPO , soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass aus den unstreitigen und unter Beweis gestellten Umständen nicht auf eine freiwillige Gesundheitsschädigung oder einen Sturz aufgrund einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 AUB 2000 geschlossen werden könne.

aa) Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Das Revisionsgericht hat seine Würdigung nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (Senatsurteile vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10, r+s 2011, 376 Rn. 8; vom 22. November 2006 - IV ZR 21/05, r+s 2007, 59 Rn. 11 m.w.N.). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen (Senatsurteile vom 22. Juni 2011 aaO; vom 22. November 2006 aaO; vom 24. Januar 1996 - IV ZR 270/94, r+s 1996, 146 unter II [juris Rn. 6]; vom 15. Juni 1994 - IV ZR 126/93, VersR 1994, 1054 unter 2 [juris Rn. 10 f.]).

bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gerecht.

Das Vorbringen der Klägerin, sie sei zum Zwecke der Öffnung des Fensters auf den Sessel gestiegen und habe "Übergewicht bekommen", hat das Berufungsgericht für plausibel befunden. Es hat sodann auch gegen diese Annahme und für einen freiwilligen Sprung der Klägerin aus dem Fenster sprechende Umstände, namentlich die Grunderkrankung der Klägerin (bipolare Störung) einschließlich der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die eingeräumte unregelmäßige Medikamenteneinnahme während der Behandlung der Depression, den Strangulationsversuch der Klägerin im Jahre 2000 sowie die telefonisch gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten abgegebene Einschätzung der die Klägerin behandelnden Ärztin sowie die unkonkreten Angaben des Ehemannes aus dem Ermittlungsverfahren berücksichtigt und abgewogen. Ebenso hat es die von der Klägerin geschilderte Luftnot sowie die Hilfeschreie, die von Nachbarn sowie dem Ehemann der Klägerin vor dem Sturzgeschehen wahrgenommen worden waren, in seine Abwägung eingestellt und ausgeführt, dass diese Umstände auch in einer Gesamtschau einen ausreichend sicheren Schluss auf einen Suizidversuch wie auch auf eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung nicht zuließen.

Damit hat das Berufungsgericht alle gewichtigen Umstände zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Eine darüberhinausgehende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten war nicht geboten.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 22. Mai 2019

Vorinstanz: LG Heidelberg, vom 11.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 394/16
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 23.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 111/17
Fundstellen
MDR 2019, 938
NJW 2019, 2534
WM 2019, 1417
r+s 2019, 475
r+s 2022, 424