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BGH - Entscheidung vom 27.03.2019

XII ZB 564/18

Normen:
FamFG § 61
FamFG § 61
FamFG § 61 Abs. 1
FamGKG § 42 Abs. 3
JVEG § 20

Fundstellen:
FamRB 2019, 268
FamRZ 2019, 1078
FuR 2019, 471
MDR 2019, 824
NJW 2019, 1752
NZM 2019, 782

BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - Aktenzeichen XII ZB 564/18

DRsp Nr. 2019/7354

Verpflichtung eines Beteiligten zur Belegvorlage durch Beschaffung von Unterlagen aus dem Besitz eines nicht zur Herausgabe bereiten Dritten hinsichtlich Berücksichtigung des Kostenaufwands für eine entsprechende Rechtsverfolgung i.R.d. Beschwer

Ist ein Beteiligter zur Belegvorlage verpflichtet worden und umfasst diese Verpflichtung die Beschaffung von Unterlagen aus dem Besitz eines nicht zur Herausgabe bereiten Dritten, ist im Rahmen der Beschwer der Kostenaufwand für eine entsprechende Rechtsverfolgung zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 ).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 27. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 8. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: bis 1.000 €

Normenkette:

FamFG § 61 Abs. 1 ; FamGKG § 42 Abs. 3 ; JVEG § 20 ;

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten - auf beiden Seiten als Rechtsnachfolger verstorbener Ehegatten - um einen Stufenantrag zum Zugewinnausgleich. Das Amtsgericht hat die Antragsgegner in der ersten Stufe durch Teilbeschluss dazu verpflichtet,

... dem Antragsteller folgende Unterlagen in Ablichtung zu übersenden:

Wohnungs- und Garagenmietverträge für die Hausgrundstücke T. Weg in B., die zum Stichtag am 28. Januar 2014 gültig waren, sowie die nach Abschluss der Mietverträge erfolgten letzten Mieterhöhungsverlangen und Zustimmungsverlangen der Mieter,

Vereinbarung, aufgrund derer die bei dem Amtsgericht B. im Grundbuch [...] eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung für die O.-Unterstützungseinrichtung in B. gelöscht wurde,

Bewilligung über die Löschung der vorbezeichneten Auflassungsvormerkung,

Vereinbarung, aufgrund derer in den Jahren 2010 bis 2014 an Herrn M. Zahlungen in Höhe von insgesamt 66.724,25 Euro vorgenommen wurden.

Hiergegen haben sich die Antragsgegner mit ihrer Beschwerde gewendet. Sie haben geltend gemacht, dass sich die Wohnungs- und Garagenmietverträge, die mehrere - zum Vermögen des verstorbenen Ehemanns gehörende und zwischenzeitlich veräußerte - Mietshäuser betreffen, im Besitz der neuen Eigentümer der Immobilien befänden, welche diese Unterlagen nicht ohne gerichtliche Hilfe herausgeben würden. Die sonstigen in der Beschlussformel genannten Unterlagen existierten nicht. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner.

II.

Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig und in der Sache begründet.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die Beschwerde der Antragsgegner im Hinblick auf die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG zu verwerfen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand und verletzt die Antragsgegner in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

1. Der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist hierbei grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2018 - XII ZB 637/17 - FamRZ 2018, 1762 Rn. 8 und vom 8. März 2017 - XII ZB 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 5 mwN). Hat die vom Rechtsmittelführer angegriffene Auskunftsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wird die Beschwer insoweit durch die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten bestimmt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. September 2018 - XII ZB 588/17 - FamRZ 2018, 1934 Rn. 18 und vom 11. Mai 2016 - XII ZB 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 16 mwN). Das vom Beschwerdegericht bei der Bemessung des Werts der Beschwer ausgeübte tatrichterliche Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2018 - XII ZB 82/18 - FamRZ 2018, 1529 Rn. 8 und vom 8. März 2017 - XII ZB 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 6 mwN).

2. Gemessen daran ist die angefochtene Entscheidung von Ermessensfehlern beeinflusst.

a) Soweit die Antragsgegner geltend machen, dass ein Teil der in dem familiengerichtlichen Teilbeschluss genannten Unterlagen (Vereinbarung zur Löschung der Vormerkung, Bewilligung über die Löschung, Vereinbarung über Zahlungen an Herrn M.) nicht existierten, ist für die Wertbemessung darauf abzustellen, welche Kosten den Antragsgegnern entstünden, um sich gegen die Vollstreckung der Pflicht zur Vorlage dieser Unterlagen zur Wehr zu setzen. Im Verfahren der Zwangsvollstreckung können bis zu 0,6 Rechtsanwaltsgebühren (vgl. § 18 Nr. 13 RVG i.V.m. VV RVG 3309, 3310) zuzüglich Auslagen (VV RVG 7000 ff.) und Mehrwertsteuer anfallen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. Mai 2016 - XII ZB 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 19 und Senatsurteil vom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05 - FamRZ 2009, 495 Rn. 16). Dies hat im Ausgangspunkt auch das Beschwerdegericht erkannt. Für die Wertbemessung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren wäre aber - anders als das Beschwerdegericht offensichtlich meint - nicht das Verteidigungsinteresse des Vollstreckungsschuldners, sondern das Angriffsinteresse des Vollstreckungsgläubigers an der Vorlage der Belege maßgeblich. Da mangels greifbarer Anhaltspunkte für die Bewertung des antragstellerseitigen Interesses an der Belegvorlage einiges dafür sprechen würde, zur Wertbestimmung auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG in Höhe von 5.000 € zurückzugreifen, errechnen sich für die Verteidigung im Zwangsvollstreckungsverfahren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 240,14 €. Dieser Betrag übersteigt die vom Beschwerdegericht zugestandenen 147,56 €.

b) Rechtsbedenkenfrei sind demgegenüber die Erwägungen des Beschwerdegerichts zur Bemessung des Aufwands für das Zusammenstellen der Mietunterlagen und die Anfertigung der geforderten Fotokopien. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den erforderlichen Zeitaufwand mit 20 Stunden geschätzt und diesen Zeitaufwand im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechend § 20 JVEG mit einem Stundensatz von 3,50 € bewertet hat. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert nichts dagegen, für den erforderlichen Arbeitsaufwand keinen höheren Betrag als 70 € anzusetzen. Es ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht die erforderlichen Kopierkosten nicht mit pauschalen Erstattungssätzen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG ), sondern mit den tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen bewertet und deshalb für die Anfertigung von 400 Ablichtungen keinen höheren Betrag als 50 € angesetzt hat.

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet die Entscheidung des Beschwerdegerichts allerdings, soweit es eine Berücksichtigung von Rechtsverfolgungskosten im Zusammenhang mit dem Verlangen nach Einsicht in die Mietvertragsunterlagen ohne weiteres abgelehnt hat.

aa) Noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegner nach den insoweit eindeutigen Ausführungen in den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung dazu verpflichtet sind, die Herausgabe der genannten Mietvertragsunterlagen zum Zwecke der Anfertigung von Fotokopien erforderlichenfalls auch mit gerichtlicher Hilfe gegenüber den neuen Eigentümern der Mietshäuser durchzusetzen.

bb) Eine werterhöhende Berücksichtigung von Rechtsverfolgungskosten kann unter diesen Umständen nicht im Hinblick auf prozessuale Kostenerstattungsansprüche unterbleiben, die den Antragsgegnern im Falle einer erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung ihres Herausgabeverlangens gegenüber den neuen Hauseigentümern zustehen würden. Denn unabhängig davon, dass die Antragsgegner wegen der Gerichtskosten und der Kosten für den eigenen Rechtsanwalt auf jeden Fall in Vorleistung treten müssten, begründet schon die Unsicherheit der Realisierung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruches eine Beschwer in Höhe der voraussichtlichen Rechtsverfolgungskosten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 20).

cc) Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn ein Anspruch auf Herausgabe der Mietvertragsunterlagen zum Zwecke der Einsichtnahme nicht bestünde und die Rechtsverfolgung der Antragsgegner aus diesem Grunde keine Aussicht auf Erfolg hätte. Es könnte den Antragsgegnern auch in diesem Fall nicht versagt werden, sich auf die Kosten der Rechtsverfolgung für ihre Beschwer zu berufen. Andernfalls würde man ihnen den Versuch absprechen, die nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 888 ZPO durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft erfolgende Zwangsvollstreckung bezüglich der Vorlage der Mietvertragsunterlagen abzuwenden. Zwar kann der Schuldner auch im Vollstreckungsverfahren Unmöglichkeit einwenden. Er muss indessen zunächst alles Zumutbare unternommen haben, um die geschuldete Handlung vorzunehmen; erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung feststeht, darf eine Zwangsmaßnahme nicht mehr verhängt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 21).

dd) Es ist evident, dass bei zusätzlicher Berücksichtigung dieser Rechtsverfolgungskosten der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG erreicht würde. Soweit das Beschwerdegericht offensichtlich in Zweifel zieht, dass ein gerichtliches Vorgehen zur Erlangung einer Einsichtnahme in die Mietvertragsunterlagen überhaupt erforderlich ist, musste es den Antragsgegnern jedenfalls Gelegenheit dazu geben, ihr diesbezügliches Vorbringen entsprechend § 511 Abs. 3 ZPO gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 294 ZPO glaubhaft zu machen.

Vorinstanz: AG Siegburg, vom 25.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 328 F 176/16
Vorinstanz: OLG Köln, vom 08.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 27 UF 180/18
Fundstellen
FamRB 2019, 268
FamRZ 2019, 1078
FuR 2019, 471
MDR 2019, 824
NJW 2019, 1752
NZM 2019, 782