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BGH - Entscheidung vom 07.03.2019

3 StR 192/18

Normen:
EGStGB Art. 316h S. 1
StGB § 76a Abs. 2 S. 1
StGB § 76b Abs. 1
StGB § 78 Abs. 1
EGStGB Art. 316h S. 1
StGB § 76a Abs. 2 S. 1
StGB § 76b Abs. 1
StGB § 78 Abs. 1
EGStGB Art. 316h S. 1
StGB § 76a Abs. 2 S. 1
StGB § 76b Abs. 1
StGB § 78 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
SchwarzArbG § 11 Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
NJW 2019, 1891
NStZ 2020, 170
NStZ 2020, 724
NStZ-RR 2019, 216
NZG 2019, 1433
NZI 2019, 534
StV 2019, 730
StV 2020, 251
ZInsO 2019, 1164
wistra 2019, 323
wistra 2019, 511

BGH, Beschluss vom 07.03.2019 - Aktenzeichen 3 StR 192/18

DRsp Nr. 2019/7452

Vereinbarkeit des Art. 316h S. 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes; Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang aus grobem Eigennutz; Einziehung der Werts von Taterträgen

Art. 316h Satz 1 EGStGB ist mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB ) eingetreten war.

Tenor

Soweit es die Revisionen der Nebenbeteiligten betrifft, wird

1.

das Verfahren ausgesetzt,

2.

eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Frage eingeholt:

Ist Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB ) eingetreten war?

Normenkette:

EGStGB Art. 316h S. 1; StGB § 76a Abs. 2 S. 1; StGB § 76b Abs. 1 ; StGB § 78 Abs. 1 ; GG Art. 20 Abs. 3 ; SchwarzArbG § 11 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2017 hat das Landgericht Oldenburg die Angeklagten De. und Di. von den Vorwürfen der Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang aus grobem Eigennutz in sechs Fällen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 , 2 Buchst. a, Abs. 2 SchwarzArbG , § 14 Abs. 1 , § 53 StGB ) bzw. der Beihilfe hierzu (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 , 2 Buchst. a, Abs. 2 SchwarzArbG , § 27 Abs. 1 , § 53 StGB ) freigesprochen. Darüber hinaus hat es nach § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1, § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB gegen die Nebenbeteiligte zu 1 die Einziehung von 10.598.676,48 € sowie gegen die Nebenbeteiligte zu 2 die Einziehung von 72.091,47 € angeordnet. Gegen diese Anordnungen wenden sich die Nebenbeteiligten mit ihren zulässigen, jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen.]

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leitete der Angeklagte De. im Tatzeitraum vom 25. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2010 die Nebenbeteiligte zu 1, ein fleischverarbeitendes Unternehmen; er war einziger Geschäftsführer der Komplementärin dieser Kommanditgesellschaft. Der Angeklagte Di. hatte die alleinige Geschäftsführung der Nebenbeteiligten zu 2, eines Personaldienstleistungsunternehmens, inne.

Die Nebenbeteiligte zu 1 beschäftigte im Tatzeitraum 933 bulgarische Arbeiter ohne die erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit. Damals war die nichtselbständige Erwerbstätigkeit von bulgarischen Staatangehörigen als neuen Bürgern der Europäischen Union noch genehmigungsbedürftig (§ 284 Abs. 1 SGB III in der Fassung vom 7. Dezember 2006).

Um die abhängige Beschäftigung zu verschleiern, waren die Angeklagten übereingekommen, die Arbeiter formal im Rahmen von Werkverträgen in dem Betrieb der Nebenbeteiligten zu 1 einzusetzen. In einem von den Angeklagten geschlossenen Rahmenwerkvertrag vom 1. Februar 2008 verpflichtete sich die Nebenbeteiligte zu 2 gegenüber der Nebenbeteiligten zu 1, in eigener Regie bestimmte Arbeiten laut beigefügten Werkbeschreibungen durchzuführen. Wie von vorneherein beabsichtigt, vereinbarte daraufhin Di. für die Nebenbeteiligte zu 2 sukzessive gleichlautende Werkverträge mit in Bulgarien ansässigen Subunternehmen, wonach diese damit beauftragt wurden, eigenverantwortlich die nach dem Rahmenwerkvertrag von der Nebenbeteiligten zu 2 geschuldeten Leistungen zu erbringen. Ab Anfang Dezember 2009 schloss De. für die Nebenbeteiligte zu 1 inhaltsgleiche Werkverträge - ohne Einbindung der Nebenbeteiligten zu 2 - unmittelbar mit den bulgarischen Subunternehmen. In sämtlichen Werkverträgen war ausdrücklich geregelt, dass der jeweilige Auftraggeber (eine der beiden Nebenbeteiligten) kein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmens haben sollte, die Arbeitnehmer nicht in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sein sollten und der Werklohn nach festen Vergütungssätzen auf der Grundlage von Kilogramm-Mengen gezahlt werden sollte.

Die Werkverträge wurden jedoch tatsächlich nicht vollzogen. Die Leistungen der insgesamt vier bulgarischen Vertragspartner beschränkten sich vielmehr im Wesentlichen darauf, in Bulgarien über Anwerbebüros Arbeitswillige zu akquirieren, mit ihnen Arbeitsverträge zu schließen und sie der Nebenbeteiligten zu 1 zur Verfügung zu stellen. Diese setzte die bulgarischen Arbeiter an zwei Betriebsstätten wie eigene Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer ein. Sie waren vollständig in den Betrieb integriert und unterlagen dem Weisungsrecht der Nebenbeteiligten zu 1 in sachlicher und zeitlicher Hinsicht. Entgegen der Vertragslage zahlte diese keine Verrechnungspreise nach Kilogramm-Mengen, sondern vergütete die Arbeitsstunden. All dies war den Angeklagten bekannt.

Die 933 von der Nebenbeteiligten zu 1 ohne Genehmigung beschäftigten bulgarischen Arbeiter leisteten im Tatzeitraum von ihr vergütete 833.223,04 Arbeitsstunden. Ihr gegenüber rechnete die Nebenbeteiligte zu 2 (soweit sie eingebunden war) den Einsatz der vermittelten Arbeiter mit einem Zuschlag von insgesamt 72.091,47 € auf die Eingangsrechnungen der bulgarischen Subunternehmen ab.

2. Das Landgericht hat den Freispruch der Angeklagten sowie die - gleichwohl - gegen die Nebenbeteiligten getroffenen Einziehungsentscheidungen wie folgt begründet:

a) Zwar habe sich der Angeklagte De. wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang in vier Fällen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG , § 14 Abs. 1 , § 53 StGB strafbar gemacht, der Angeklagte Di. wegen Beihilfe hierzu gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG , § 27 Abs. 1 , § 53 StGB . Mittlerweile sei jedoch insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB ); denn die Taten seien gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB mit Ablauf der doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB ) seit Tatbeendigung (§ 78a Satz 1 StGB ), somit spätestens nach dem 31. Juli 2016, absolut verjährt. Der noch verfolgbare Qualifikationstatbestand des § 11 Abs. 2 SchwarzArbG sei hingegen nicht erfüllt, weil nicht habe festgestellt werden können, dass die Angeklagten aus grobem Eigennutz gehandelt hätten.

b) Auch wenn die Straftaten selbst verjährt seien, sei gemäß dem durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ) seit dem 1. Juli 2017 geänderten Recht die Anordnung der selbständigen Einziehung von Erträgen aus diesen Taten zulässig (§ 76a Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB ). Nach Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien.

Die Einziehungsbeträge entsprächen dem Wert dessen, was die Nebenbeteiligten durch die Straftaten der Angeklagten erlangt hätten (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 , § 73c Satz 1 StGB ). Hinsichtlich der Nebenbeteiligten zu 1 errechne sich der Wert der insgesamt 833.223,04 Arbeitsstunden auf 10.598.676,48 €, indem ein Verrechnungssatz für (legale) Leiharbeitnehmer von 12 € pro Stunde zugrunde gelegt werde (§ 73d Abs. 2 StGB ); abzugsfähige Aufwendungen lägen nicht vor (§ 73d Abs. 1 StGB ).

II.

Soweit es die Revisionen der Nebenbeteiligten betrifft, ist das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Der Senat ist davon überzeugt, dass Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar ist, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872 ) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB ) eingetreten war und somit der Verfall nach §§ 73 , 73a StGB aF nicht angeordnet werden durfte. Zur Verfassungsmäßigkeit ist deshalb eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

1. Die Vorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB bedingt § 2 Abs. 5 StGB ab und bestimmt, dass die durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit Wirkung zum 1. Juli 2017 eingeführten neuen Regelungen über die Einziehung (des Werts) von Taterträgen grundsätzlich auch für rechtswidrige Taten gelten, die bereits zuvor begangen wurden. Die in Art. 316h Satz 2 EGStGB normierte Ausnahme von diesem Grundsatz greift hier nicht.

2. Die Frage, inwieweit Art. 316h Satz 1 EGStGB verfassungsgemäß ist, ist für die Entscheidung über die zulässige Revision maßgeblich.

a) Am Maßstab der nach Art. 316h Satz 1 EGStGB anwendbaren Regelungen halten die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts sachlichrechtlicher Überprüfung stand.

aa) Gegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte De. habe sich wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang in vier Fällen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG , § 14 Abs. 1 , § 53 StGB , der Angeklagte Di. wegen Beihilfe hierzu gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG , § 27 Abs. 1 , § 53 StGB strafbar gemacht, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

(1) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen der Nebenbeteiligten zu 1 und den bulgarischen Arbeitern Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG bestanden. Zu Recht hat es - entgegen der von der Verteidigung des Angeklagten De. im Einzelnen dargelegten Ansicht - hierfür nicht die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG herangezogen, so dass es nicht darauf ankommt, ob diese Vorschriften als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) auszulegen sind.

Die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind hier nicht anwendbar, weil die Voraussetzungen einer Leiharbeit im Sinne dieses Gesetzes nicht erfüllt sind:

(a) Für eine Leiharbeit ist erforderlich, dass zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein reguläres Arbeitsverhältnis besteht, das unabhängig von dem Verleihvertrag eingegangen wurde und diesen überdauert (vgl. BSG , Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, BSGE 31, 235 , 242; BayObLG, Beschluss vom 25. Januar 1991 - 3 Ob OWi 149/90, wistra 1991, 233 , 234; Paetzold in Ignor/Mosbacher, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl., § 3 Rn. 24). Dagegen handelt es sich in Fällen, in denen Arbeitnehmer zu dem alleinigen Zweck angeworben werden, anschließend Tätigkeiten für einen Dritten auf dessen Weisung unter Eingliederung in den Betrieb auszuüben, ohne dass ein darüber hinausgehender Einsatz beabsichtigt ist, grundsätzlich um eine bloße Arbeitsvermittlung (s. auch § 1 Abs. 2 AÜG ); als solche fällt diese nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (vgl. BSG , Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, aaO, S. 242 f.; BayObLG, Beschluss vom 25. Januar 1991 - 3 Ob OWi 149/90, aaO). Ob Arbeitnehmerüberlassung oder Arbeitsvermittlung vorliegt, ist gegebenenfalls anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. BSG , Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, aaO, S. 243 ff.).

(b) Die bulgarischen Subunternehmen traten im Verhältnis zu den Nebenbeteiligten nicht als Verleiher, sondern als Arbeitsvermittler auf. Zwar hatten sie mit den der Nebenbeteiligten zu 1 zur Verfügung gestellten bulgarischen Arbeitern ihrerseits Arbeitsverträge geschlossen; jedoch sahen diese lediglich rein formal eine Tätigkeit für das jeweilige Subunternehmen vor (UA S. 11). Tatsächlich war das Verhältnis im Wesentlichen darauf beschränkt, dass die Subunternehmen die bei der Nebenbeteiligten zu 1 benötigten Arbeiter in Bulgarien "über Anwerbebüros gleichsam direkt von der Straße" rekrutierten und deren Transport zu den Betriebsstätten der Nebenbeteiligten zu 1 sowie ihre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften in Betriebsnähe organisierten (UA S. 11 f.). Soweit zwei der Subunternehmen in Bulgarien über eigene Betriebsstätten verfügten, in denen im Übrigen andere Fleischprodukte als bei der Nebenbeteiligten zu 1 hergestellt wurden, wurden die vermittelten Arbeiter dort nicht eingesetzt. Bei der Nebenbeteiligten zu 1 führten die Arbeiter, die regelmäßig über keine Erfahrungen in diesem Industriezweig verfügten, sodann Tätigkeiten aus, die zuvor von eigenen Mitarbeitern vorgenommen worden waren (UA S. 12). Sie wurden in die Organisation des Betriebs integriert, unterstanden dem Weisungsrecht der Nebenbeteiligten zu 1 und wurden je nach zeitlichem und örtlichem Bedarf beschäftigt (UA S. 12 f.). Auch die Entlohnung der Arbeiter vollzog sich nur formal über die Subunternehmen; die Zahlungsvorgänge folgten dem die wahren Beschäftigungsverhältnisse verdeckenden verschrifteten Vertragswerk. Die Nebenbeteiligte zu 1 erledigte die Abrechnungen und gab den Subunternehmen die zu zahlenden Beträge vor, die diese dann auskehrten (UA S. 15 ff.). Überdies waren die Arbeiter vielfach der Papierform nach unmittelbar aufeinanderfolgend bei verschiedenen Subunternehmen tätig, obwohl sie fortwährend unter gleichbleibenden Bedingungen bei der Nebenbeteiligten zu 1 eingesetzt waren; mit Ausnahme der Bezeichnung des vermeintlichen Arbeitgebers änderte sich für sie nichts (UA S. 13, 38, 39).

Nach alledem bestanden zwischen den Subunternehmen und den Arbeitern keine regulären Arbeitsverhältnisse, die als Basis für eine Verleihung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hätten dienen können. Das bloße Vermitteln von Arbeitnehmern an einen Dritten zuzüglich weiterer allein der Verschleierung dienender Handlungen erfüllt die Voraussetzungen eines Verleihvertrages nicht (s. auch BGH, Beschluss vom 4. September 2013 - 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321 ).

(2) Die Einwände der Nebenbeteiligten zu 2 gegen die in den Urteilsgründen dargelegte Feststellung und Bewertung der durch den Angeklagten Di. begangenen Beihilfetaten verfangen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen nicht.

bb) Nach den gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB anwendbaren Vorschriften der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1 , § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF erweist sich die selbständige Anordnung der Einziehung des Werts von Taterträgen gegen die Nebenbeteiligten als rechtsfehlerfrei. Hinsichtlich der Taten des Angeklagten De. als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Nebenbeteiligten zu 1 und des Angeklagten Di. als (früherer) Geschäftsführer der Nebenbeteiligten zu 2 ist spätestens am 1. August 2016 das Prozesshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten. § 76a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF regeln, dass gleichwohl unter den Voraussetzungen der §§ 73 , 73b , 73c StGB nF die Anordnung der selbständigen Einziehung (des Werts) von Taterträgen aus der verjährten rechtswidrigen Tat möglich ist, und entkoppeln die Zulässigkeit der Anordnung somit von der Verjährung der Tat. Nach § 76b Abs. 1 StGB nF, der die Verjährung für die selbständige Einziehung eigenständig regelt, verjährt diese Maßnahme erst in 30 Jahren ab Tatbeendigung.

cc) Die Anordnung der selbständigen Einziehung gegenüber den Nebenbeteiligten entspricht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der §§ 73 ff. StGB nF.

(1) Durch die Straftaten des Angeklagten De. erlangte die Nebenbeteiligte zu 1 als Drittbegünstigte gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF (Vertretungsfall) im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF Arbeitsstunden, deren Wert (§ 73c Satz 1 StGB nF) der Einziehung unterliegt.

(a) Die Bereicherung durch die geleisteten Arbeitsstunden wurde durch die Taten kausal hervorgebracht. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB nF kommt es - entgegen der Ansicht der Nebenbeteiligten zu 1 - allein auf eine tatsächliche ("gegenständliche") Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nicht zu berücksichtigen. Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, den er dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Wendung "aus der rechtswidrigen Tat" in der alten Vorschrift über den Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF) durch die Worte "durch die rechtswidrige Tat" ersetzt hat (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 62; 18/11640, S. 78).

Soweit sich die Nebenbeteiligte zu 1 auf das Urteil des Senats vom 19. Januar 2012 ( 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 ) beruft, sind die dortigen Ausführungen zum Umfang des Erlangten (aaO, S. 83 ff.) durch die neue Gesetzeslage überholt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass bei Anwendung der § 73 Abs. 1 , § 73d Abs. 1 StGB nF an dieser Entscheidung lediglich im Ergebnis und allein deshalb festzuhalten wäre, weil ihr eine Fahrlässigkeitstat zugrunde lag (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 69).

(b) Die Bestimmung des Werts der Arbeitsstunden liegt im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens (§ 73d Abs. 2 StGB nF) und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

(c) Die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die in Bulgarien ansässigen Subunternehmen waren nicht gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nF vom Wert des Erlangten abzuziehen, weil das Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB nF greift. Es handelte sich um Aufwendungen, die der Angeklagte De. zugunsten der Nebenbeteiligten zu 1 bewusst und willentlich für die Tatbegehung tätigte.

Zwar weist die Nebenbeteiligte zu 1 im rechtlichen Ansatz zutreffend darauf hin, dass dieses Abzugsverbot in Anlehnung an die Zivilrechtsprechung zu § 817 Satz 2 BGB unter wertenden Gesichtspunkten einschränkend dahin auszulegen ist, dass Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen auch dann abzugsfähig sind, wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 68; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 mwN). Die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die bulgarischen Subunternehmen wurden jedoch für eine für sich gesehen illegale - und damit zu beanstandende - Vermittlung von Arbeitnehmern geleistet. Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Rahmenwerkvertrag zwischen den Nebenbeteiligten und deren Werkverträge mit den bulgarischen Subunternehmen waren nur zum Schein abgeschlossen und als solche bereits nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig (zu Scheinwerkverträgen bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung s. BAG, Urteil vom 12. Juli 2016 - 9 AZR 352/15, BB 2016, 2686 , 2687; Timmermann, BB 2012, 1729 , 1730, jeweils mwN). Die verdeckten (§ 117 Abs. 2 BGB ) Verträge waren auf einen nach § 284 SGB III verbotenen Erfolg gerichtet, nämlich die Vermittlung von Arbeitnehmern, ohne dass die erforderlichen Genehmigungen für deren Beschäftigung vorlagen. Eine Verletzung von § 284 SGB III unterfällt jedenfalls dann § 134 BGB , wenn die Vertragsparteien Kenntnis von der Genehmigungspflicht haben und der Vertrag ohne Genehmigung durchgeführt werden soll (s. BAG, Urteil vom 30. Mai 1969 - 5 AZR 256/68, BAGE 22, 22 , 27 f. [hinsichtlich § 43 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung <AVAVG> aF]; Staudinger/Sack/Seibl, BGB , 2017, § 134 Rn. 284). Hier zielten die Scheinwerkverträge gerade darauf, die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse zu verschleiern und das Genehmigungserfordernis zu umgehen. Für deren Nichtigkeit ist es ohne Bedeutung, ob Arbeitsentgeltansprüche aus den Arbeitsverhältnissen, somit anderen Rechtsverhältnissen, gesetzlich über die Vorschrift des § 98a AufenthG geschützt sind, auf die sich die Revision der Nebenbeteiligten zu 1 beruft. Das gilt umso mehr, als diese Regelung ohnehin erst am 26. November 2011 - nach Beendigung der Taten - in Kraft getreten ist.

(d) Ebenso wenig sind die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die bulgarischen Subunternehmen nach der in § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB nF geregelten Rückausnahme vom Abzugsverbot zu berücksichtigen; es handelte sich nicht um Leistungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber den Verletzten der Tat. Zum einen waren die bulgarischen Arbeiter nicht Leistungsempfänger, auch wenn ihnen letztlich ein Teil des gezahlten Geldes zugutegekommen sein dürfte. Zum anderen kann § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB nF nur bei Delikten Anwendung finden, die dem Individualgüterschutz dienen. Dies hat der Gesetzgeber (erst) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens klargestellt, indem er das Merkmal "Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzen" mit den Worten "der Tat" ergänzt hat (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 80). Eine Anwendung der Rückausnahmeregelung bei Strafnormen, die - wie hier jedenfalls vorrangig - den Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit bezwecken, scheidet entgegen der Auffassung der Nebenbeteiligten zu 1 aus (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17, StV 2019, 42 , 46; Köhler, NStZ 2017, 497 , 509).

(2) Durch die Beihilfetaten des Angeklagten Di. erlangte die Nebenbeteiligte zu 2 als Drittbegünstigte gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF einen Geldbetrag von zumindest 72.091,47 €. In dieser Höhe verblieben die von der Nebenbeteiligten zu 1 auf den Rahmenwerkvertrag geleisteten Zahlungen bei ihr. Dass das Landgericht gegen die Nebenbeteiligte zu 2 nur die Einziehung des Nettogewinns angeordnet hat, beschwert sie jedenfalls nicht.

b) Nach der vor dem 1. Juli 2017 gültigen Gesetzeslage wäre hingegen die Anordnung der Vermögensabschöpfung gegen die Nebenbeteiligten wegen des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung ausgeschlossen gewesen.

aa) Gemäß § 76a Abs. 1 StGB aF kam eine selbständige Verfallsanordnung nur in Betracht, wenn die rechtswidrige Tat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr verfolgt werden konnte. War dagegen die Verfolgung der Tat verjährt, schied diese Maßnahme aus. Für den Fall, dass Verfolgungsverjährung eingetreten war, sah § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB aF lediglich die Sicherungseinziehung gefährlicher Tatprodukte, Tatinstrumente und gewisser Beziehungsgegenstände vor. Für Tatgewinne - wie hier - und Tatentgelte blieb es bei der allgemeinen Verjährungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB .

bb) Auch eine Strafbarkeit der Angeklagten nach anderen unverjährten Strafvorschriften, die eine (unselbständige) Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 , § 73a Satz 1 StGB aF ermöglicht hätten, scheidet aus. Dementsprechend hat der Senat die gegen die Freisprüche der Angeklagten gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom heutigen Tag verworfen.

Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Angeklagten den Qualifikationstatbestand des § 11 Abs. 2 SchwarzArbG verwirklicht hätten; dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Wegen Anstiftung der Verantwortlichen der bulgarischen Subunternehmen zum unerlaubten Überlassen nichtdeutscher Arbeitnehmer oder wegen Beihilfe hierzu gemäß § 15 Abs. 1 AÜG , § 26 bzw. § 27 Abs. 1 StGB haben sich die Angeklagten schon deshalb nicht strafbar gemacht, weil das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - wie dargelegt (s. oben II. 2. a) aa) (1)) - auf den festgestellten Sachverhalt nicht anwendbar ist.

Für den Angeklagten De. käme zwar auch eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und 2 StGB , § 14 Abs. 1 StGB in Betracht, für den Angeklagten Di. eine solche wegen Beihilfe hierzu. Derartige Taten sind jedoch nicht von der Anklage erfasst, weil sie gegenüber den den Straftatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG erfüllenden Handlungen im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO prozessual eigenständig sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 - 3 Ss OWi 355/09, juris Rn. 14 ff.). Darüber hinaus würde die Vermögensabschöpfung nach altem wie neuem Recht andere Taterträge (die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge) erfassen.

c) Für die vom Senat zu treffende Entscheidung kommt es daher insoweit, als es um die Zulässigkeit der Anordnung der selbständigen Einziehung geht, darauf an, ob die Anwendungsregel des Art. 316h Satz 1 EGStGB verfassungsgemäß ist.

III.

Soweit Art. 316h Satz 1 EGStGB die Vorschriften der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1 , § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB jeweils in der seit dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten Verfolgungsverjährung eingetreten war, verstößt er nach der Überzeugung des Senats zwar nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG , jedoch gegen das allgemeine rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.

1. Art. 103 Abs. 2 GG , wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit vor Tatbegehung gesetzlich bestimmt war, findet keine Anwendung.

a) Verjährungsvorschriften unterliegen nicht dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG , weil sie lediglich die Verfolgbarkeit der Tat regeln und deren Strafbarkeit bzw. deren Unrecht und Schuld unberührt lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52, BVerfGE 1, 418 , 423; vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269 , 284 ff.; vom 31. Januar 2000 - 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251 ; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17, BGHSt 62, 184 , 195; ferner Hennecke, NZWiSt 2018, 121, 124).

b) Art. 103 Abs. 2 GG ist auch deshalb nicht anwendbar, weil die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 ff. StGB nF keinen Strafcharakter hat. Dies war für den Verfall nach altem Recht, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 , 14 ff.; BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369 ). Die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat zwar unter anderem zu einer Änderung des Begriffs der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB ) - von Verfall in Einziehung von Taterträgen - geführt, wodurch das Recht an die im Recht der Europäischen Union gebräuchliche Begrifflichkeit ("confiscation") angelehnt werden sollte (s. BT-Drucks. 18/9525, S. 48). Die Neuregelung hat indes die Rechtsnatur der Maßnahme unberührt gelassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 - 5 StR 600/17, juris Rn. 14; vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400 ; Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 ).

2. Art. 316h Satz 1 EGStGB ist jedoch an den allgemeinen Grundsätzen zu messen, die im Hinblick auf die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für den Bürger belastende rückwirkende Gesetze gelten.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu unterscheiden zwischen solchen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und nur ausnahmsweise zulässig sind, und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich verfassungsgemäß sind. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich ändernd in einen der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 , 181; Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300 , 302; Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG , Band 2, 7. Aufl., Art. 20 Rn. 294, jeweils mwN).

Die rückwirkende Anwendung der Regelungen der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1 , § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF in Fällen, in denen nach altem Recht hinsichtlich des Verfalls bereits vor dem 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung aufgrund deren Koppelung an die Verjährung der Tat eingetreten war, ist als echte Rückwirkung zu beurteilen. Art. 316h Satz 1 EGStGB greift nachträglich ändernd in vor der Verkündung des Gesetzes abgeschlossene Tatbestände ein, soweit er die Anordnung der Einziehung von Taterträgen aus Alttaten auch dann ermöglicht, wenn nach früher geltendem Recht eine Verfallsanordnung wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr hätte ergehen dürfen. Die Vorschrift erklärt eine bereits eingetretene Verjährung für rechtlich unbeachtlich und regelt damit einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt rückwirkend neu. Abweichend hiervon läge eine unechte Rückwirkung vor, wenn es nur um die Verlängerung noch laufender Verjährungsfristen in die Zukunft hinein ginge (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269 , 290 f.; ferner BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 2000 - 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251 ; zu einer ähnlichen Abgrenzung zur Entfristung der Sicherungsverwahrung s. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 , 184).

b) Die nachträgliche Bewirkung der Zulässigkeit der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten ist als echte Rückwirkung auch nicht ausnahmsweise verfassungsgemäß.

aa) Freilich sind solche Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze allgemein anerkannt. Insoweit gilt:

Das Verbot echt rückwirkender Gesetze findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 , 271; Beschlüsse vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446, 1174/77, BVerfGE 50, 177 , 193; vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300 , 304 mwN). Daneben lassen zwingende Gründe des gemeinen Wohls Durchbrechungen des Rückwirkungsverbots zu (vgl. Grzeszick in Maunz/Dürig, GG , 48. EL, Art. 20 VII. Rn. 85; Schulze-Fielitz in Dreier, GG , Band II, 3. Aufl., Art. 20 Rn. 158).

Das Bundesverfassungsgericht hat - nicht abschließend definierte - Fallgruppen entwickelt, in denen es echt rückwirkende Gesetze für ausnahmsweise verfassungsgemäß erachtet hat; dabei handelt es sich um Typisierungen eines ausnahmsweise fehlenden gerechtfertigten Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage (zu diesem Bezugspunkt insbesondere BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143 , 158) oder um Durchbrechungen des Rückwirkungsverbots aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls. So ist eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot gegeben, wenn die Bürger schon im Zeitpunkt, auf den die echte Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten. Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste, oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Der Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern, wenn die Betroffenen sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durften oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 , 22 f.; vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300 , 304, jeweils mwN).

Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (s. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83, NJW 1987, 1749 , 1753; vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 , 22, jeweils mwN).

bb) Eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots echt rückwirkender Gesetze liegt hier nicht vor.

(1) Eine der bisher vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Fallgruppen ist nicht einschlägig. Insbesondere war im hiesigen Fall am 1. August 2016, als die Taten nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG spätestens verjährt waren, noch nicht mit einer (rückwirkenden) gesetzlichen Neuregelung zu rechnen.

Anlass zu einer derartigen Prognose bestand nicht schon deshalb, weil die Bundesregierung in dem von ihr verfassten "Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG)" vom 9. März 1990 mit Blick auf die Verjährung ausgeführt hatte, dass im "Rahmen der Gesamtüberarbeitung der §§ 73 ff. StGB ... eine an § 76a Abs. 2 StGB orientierte Lösung auch für den Fall der selbständigen Verfallsanordnung zu prüfen sein" werde (BT-Drucks. 11/6623, S. 7; vgl. ferner den pauschalen Verweis in BT-Drucks. 12/989, S. 24). Denn im Jahr 2016 war die Umsetzung dieses Vorhabens längst nicht mehr aktuell.

In dem Gesetzgebungsverfahren, das zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 führte, datiert der von der Bundesregierung vorgelegte erste Gesetzesentwurf auf den 12. August 2016. Er koppelte weiterhin die Verjährung der Einziehung von Taterträgen an diejenige der Tat und ließ dementsprechend in § 76a StGB -E noch keine selbständige Einziehung von Taterträgen nach Verjährungseintritt zu; vielmehr konstatierte die Entwurfsbegründung zu dieser Zeit noch die rechtsfriedensstörende Wirkung solcher Regelungen (vgl. BR-Drucks. 418/16, S. 9 f., 61). Erst die zu dem Gesetzentwurf ergangene Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 22. März 2017 sah die Einführung der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1 , § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie des Art. 316h Satz 1 EGStGB jeweils in der später verkündeten und heute gültigen Fassung vor (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 16, 18 f., 82 ff.).

(2) Auch jenseits der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Fallgruppen lässt sich die nachträgliche Bewirkung der Zulässigkeit der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten nicht - als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze - damit legitimieren, dass ein Vertrauen in das alte Recht des Verfalls sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei. Insbesondere die in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vorgebrachte - nicht näher ausgeführte - Erwägung, ein etwaiges Vertrauen in den Fortbestand einer strafrechtswidrig geschaffenen Vermögenslage sei nicht schutzwürdig (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84; ferner Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO , 61. Aufl., Art. 316h EGStGB Rn. 2; noch weitergehend BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 , 432 ["kein schutzwürdiges Vertrauen auf strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen erfassende gesetzliche Regelungen"]), ermöglicht eine solche Wertung nicht.

(a) Allerdings handelt es sich bei der Beseitigung einer strafrechtswidrig geschaffenen Vermögenslage um ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, das dem Gesetzgeber einen weiten, freilich nicht unbegrenzten Gestaltungsspielraum eröffnet.

In seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB aF (Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 ) hat das Bundesverfassungsgericht eingehend dargelegt, welchem Zweck Maßnahmen der Vermögensabschöpfung dienen, welche Rechtsnatur sie mit Blick auf den Schuldgrundsatz haben und welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf die Eigentumsgarantie anzulegen sind. Die zum alten Verfallsrecht entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätze lassen sich - wie oben dargelegt (s. III. 1 b)) - auf das neue Recht der Einziehung von Taterträgen uneingeschränkt übertragen. Hiernach gilt:

All diese Maßnahmen der Vermögensabschöpfung verfolgen, auch wenn die vom Täter geleisteten Aufwendungen nicht vom Taterlös in Abzug zu bringen sind (sogenanntes Bruttoprinzip), keinen repressiven, vielmehr einen präventiven Zweck. Dieser besteht darin, einen durch den deliktischen Vermögenserwerb verursachten rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Die Entziehung deliktisch erlangter Vermögenwerte ist daher nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit. Da den Vermögensabschöpfungsmaßnahmen kein Strafcharakter zukommt, unterliegen sie nicht dem Schuldgrundsatz (vgl. BVerfG, aaO, S. 15 ff.).

Von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG werden Vermögenswerte, die durch Straftaten erlangt worden sind, nicht generell erfasst. Soweit solche Vermögenswerte betroffen sind, die dem von der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Betroffenen zivilrechtlich nicht zustehen (§§ 134 , 935 BGB ), ist dessen Eigentumsgrundrecht schon mangels einer schutzfähigen Rechtsposition nicht berührt. Soweit der Betroffene Vermögenswerte zwar deliktisch, aber zivilrechtlich wirksam erlangt hat, enthält eine Rechtsvorschrift, die deren Entziehung vorsieht, lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, aaO, S. 23 f.). Wegen der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist in diesem Fall eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten. Diese Prüfung umfasst die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der gesetzlichen Regelung im Hinblick auf das legitime gesetzgeberische Ziel, eine Störung der Vermögensordnung zukunftsbezogen zu beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen (vgl. BVerfG, aaO, S. 28 ff.).

Dass das "Rechtsinstitut des Verfalls" nach §§ 73 ff. StGB aF geeignet war, dieses Ziel zu erreichen, hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt begründet: "Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kann Schaden nehmen, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauerhaft behalten dürfen. Eine Duldung solcher strafrechtswidrigen Vermögenslagen durch den Staat könnte den Eindruck hervorrufen, kriminelles Verhalten zahle sich aus, und damit staatlich gesetzten Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Delikte geben. Die strafrechtliche Gewinnabschöpfung ist ein geeignetes Mittel, um dies zu verhindern. Sie kann der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, der Staat unternehme alles ihm rechtsstaatlich Mögliche, um eine Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden" (BVerfG, aaO, S. 29).

(b) Gerade § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB nF soll explizit den Zweck der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung stärken, "strafrechtswidrige Störungen der Rechtsordnung zu beseitigen und dadurch der materiellen Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen" (BT-Drucks. 18/11640, S. 82). Der Senat ist der Ansicht, dass dieser Zweck die neugeschaffene Regelung über die Einziehung von Erträgen aus verjährten rechtswidrigen Taten als solche von Verfassungs wegen zu legitimieren geeignet ist, mag auch die eigenständige 30-jährige Verjährungsfrist des § 76b Abs. 1 StGB nF "den Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen vollständig" ausschöpfen (so BT-Drucks. 18/11640, S. 83).

(c) Das gesetzgeberische Ziel, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu revidieren, rechtfertigt jedoch für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Der nachträglichen Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB nF steht ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen.

(aa) Nach den oben dargelegten Maßstäben (s. III. 2. b) aa)) ist die bestehende Rechtslage verfassungsrechtlicher Bezugspunkt für ein Vertrauen der Bürger, das durch neu geschaffene rückwirkende Normen beeinträchtigt wird. Maßgeblich ist, ob das Vertrauen in den Fortbestand von gesetzlichen Vorschriften Schutz verdient, die einen der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt regeln. Was die Vorlagefrage betrifft, kommt es darauf an, ob sich derjenige, der Vermögenswerte durch eine rechtswidrige Tat erlangt hatte, nach Eintritt der Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 StGB aF auf dieses - per se nicht behebbare (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 StR 524/10, NJW 2011, 2310 ) - Verfahrenshindernis verlassen durfte und weiterhin verlassen darf, auch soweit es die strafrechtliche Vermögensabschöpfung betrifft.

(bb) Ein solches Vertrauen in die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gültigen Verjährungsvorschriften war sachlich gerechtfertigt. Regelungen über die Verjährung haben einen eigenständigen Wert, der ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip wurzelt. Sie sind Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit, die als berechtigtes Interesse des Bürgers, irgendwann nicht mehr mit einer Intervention des Staates rechnen zu müssen, mit dem entgegenstehenden Anliegen der Allgemeinheit an der Durchsetzung der materiellen Rechtslage in Ausgleich zu bringen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143 , 159 [zur Festsetzbarkeit kommunaler Abgaben]; vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15, NVwZ-RR 2016, 889 , 890 [zur Festsetzung einer Steuerfrist]). Wie dargelegt (s. oben III. 1. a)), lassen im Strafrecht die Regelungen über die Verjährung - unabhängig davon, welcher Zweck ihr im Detail zugeschrieben wird (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269 , 293 ff.; Asholt, Verjährung im Strafrecht, 2016, S. 90 ff.; Hörnle in Festschrift Beulke, 2015, S. 115 ff.) - die Strafbarkeit unberührt und regeln allein die Verfolgbarkeit der Tat. Ihr Sinn ist es, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit für den Beschuldigten (oder den Nebenbeteiligten) herzustellen, wobei diesem Bedürfnis dann ein höheres Gewicht als der materiellen Gerechtigkeit beigemessen wird (so BVerfG, Beschluss vom 1. August 2002 - 2 BvR 1247/01, juris Rn. 25). Auf diese Weise begründen die Verjährungsvorschriften - der materiellen Rechtslage zuwider - ein von Amts wegen zu beachtendes, nicht behebbares Verfahrenshindernis, das der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 1963 - 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274 , 278; vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16, NJW 2018, 1268 , 1270). Darüber hinaus sollen sie einer etwaigen Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens entgegenwirken (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1958 - 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393 , 396; Beschlüsse vom 23. Januar 1959 - 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335 , 337 f.; vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17, BGHSt 62, 184 , 195).

Hat der Gesetzgeber in diesem Sinne das Gebot der Rechtssicherheit mit dem gegenläufigen Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nach Maßgabe seiner Einschätzungsprärogative in einen angemessenen Ausgleich gebracht, so dürfen die Rechtsunterworfenen grundsätzlich darauf vertrauen, dass er nicht im Nachhinein eine abweichende Abwägung vornimmt und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erklärt.

(cc) Abweichendes folgt nicht aus den Wertungen des bürgerlichen Rechts, insbesondere auch nicht denjenigen des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, dem die Vermögensabschöpfung aufgrund ihres quasi-kondiktionellen Charakters nahesteht.

(α) Der Generalbundesanwalt hat im Einzelnen ausgeführt, dass nicht nur die §§ 73 ff. StGB in der alten wie der neuen Fassung dazu dienten bzw. dienen, dem durch eine Straftat Begünstigten das deliktisch erlangte Vermögen wieder zu entziehen, vielmehr diverse zivilrechtliche Normen bestünden, die Gleiches bezweckten (insbesondere §§ 817, 819 Abs. 2, §§ 852 , 853 sowie § 134 und §§ 123 , 142 Abs. 1 BGB ). Von besonderer Bedeutung ist dabei § 852 BGB , dessen Rechtsgedanken der Reformgesetzgeber in der aktuellen Verjährungsvorschrift des § 76b Abs. 1 StGB nF hat "übernehmen" wollen (BT-Drucks. 18/11640, S. 83). Das Deliktsrecht sieht nach Eintritt der Regelverjährung diesen Herausgabeanspruch mit der Rechtsfolge eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs vor (sogenannter Restschadenersatzanspruch; vgl. MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 852 Rn. 2). Gemäß § 852 Satz 1 BGB soll der durch die unerlaubte Handlung Geschädigte eine auf seine Kosten vom Ersatzpflichtigen erlangte Bereicherung selbst dann abschöpfen können, wenn die Schadenersatzforderung nach den allgemeinen Regelungen der §§ 195 , 199 BGB verjährt ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 270; BeckOGK BGB/Eichelberger, § 852 Rn. 3). Dieser Rechtsgedanke geht zurück auf das aus dem römischen Recht herrührende Rechtsinstitut der "condictio ex iniusta causa", wonach kondiziert werden kann, was sich aus einem rechtswidrigen Grund bei jemandem befindet ("quod ex iniusta causa apud aliquem sit, posse condici"; vgl. MüKoBGB/Wagner aaO, Rn. 1).

(β) Indes können auch im bürgerlichen Recht strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen nicht ohne zeitliche Schranken rückabgewickelt werden. Die vom Generalbundesanwalt angeführten Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche deliktisch Geschädigter unterliegen ebenfalls der Verjährung, was auch zivilrechtlich eine zeitlich unbeschränkte Abschöpfung des durch unerlaubte Handlung Erlangten hindern kann. So verjährt der Restschadenersatzanspruch gemäß § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung 30 Jahre ab der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis. Abhängig etwa von dem verwirklichten Straftatbestand (s. § 78 Abs. 3 StGB ) tritt die strafrechtliche Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB früher oder später ein, als der Schuldner diese zivilrechtliche Einrede der Verjährung erstmals erheben kann.

Auch die Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen im bürgerlichen Recht dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 1963 - 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274 , 278; vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16, NJW 2018, 1268 , 1270). Ein allgemeines Prinzip, dass derjenige, der strafrechtswidrig Vermögenswerte erlangt hat, nicht auf eine eingetretene Verjährung vertrauen dürfe, sondern diese gleichwohl herausgeben müsse, ist den zivilrechtlichen Vorschriften dagegen fremd.

(γ) Ebenso wenig ist ersichtlich, aus welchem Grund der potentiell vom Verfall nach §§ 73 ff. StGB aF Betroffene damit hätte rechnen müssen, die Regelung des § 852 Satz 2 BGB werde, soweit sie im Einzelfall eine längere Verjährungsfrist vorsieht, auf strafrechtliche Maßnahmen übertragen, zumal dies nicht nur für die Frist von 30 Jahren, sondern auch diejenige von zehn Jahren gelten müsste. Eine Angleichung von Verjährungsvorschriften im Sinne einer möglichst weitgehenden dogmatischen Kohärenz legitimiert echt rückwirkende, den Bürger belastende Gesetze hingegen nicht. Unter einem derartigen Aspekt kann der Gesetzgeber - wie oben dargelegt (s. III. 2. b) aa)) - Rechtsnormen im Nachhinein allenfalls bei eklatanter Systemwidrigkeit ändern, wenn deren Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft ist.

3. Eine Reduktion des Anwendungsbereichs des Art. 316h Satz 1 EGStGB im Wege der verfassungskonformen Auslegung scheidet nach der Überzeugung des Senats aus.

Allerdings ist eine Gesetzesnorm durch Auslegung so weit aufrecht zu erhalten, wie dies in den Grenzen des Grundgesetzes möglich ist, ohne dass sie ihren Sinn verliert. Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist jedoch ausgeschlossen, wenn sie zum Wortlaut der Vorschrift und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10, 1181/10, BVerfGE 138, 296 , 350 mwN). Die Norminterpretation muss vielmehr den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgen, die Grundentscheidung des Gesetzgebers respektieren und darf dessen Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen (s. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02, BVerfGE 119, 247 , 274; Urteil vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07, 1569/08, BVerfGE 132, 99 , 128).

Falls Art. 316h Satz 1 EGStGB nicht auf die selbständige Einziehung (des Werts) von Taterträgen aus vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten anwendbar wäre, verbliebe für die Vorschrift zwar gleichwohl ein relevanter Anwendungsbereich (für die Verfassungsmäßigkeit in anderen Fallkonstellationen s. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, wistra 2018, 427 ; Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, juris Rn. 7, 11 [jeweils zu Erlösen aus nicht verjährtem Betäubungsmittelhandel], sowie BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400 ; Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 [jeweils zu Vermögenszuflüssen aufgrund nicht verjährter Betrugstaten]). Sowohl der Wortlaut des Art. 316h Satz 1 EGStGB als auch der gesetzgeberische Wille lassen aber eine solche Reduktion der Norm im Sinne der Vorlagefrage nicht zu. Die Vorschrift ordnet ausdrücklich abweichend von § 2 Abs. 5 StGB die Anwendung auch der §§ 76a, 76b und 78 Abs. 1 Satz 2 StGB in der ab dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung für vor diesem Zeitpunkt begangene rechtswidrige Taten an; der Wortlaut umfasst somit eindeutig solche Taten, hinsichtlich derer Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war. Nach den Gesetzesmaterialien sollen die "neuen Regelungen des § 76a Abs. 2 und des § 76b StGB -E" gerade "auch für Fälle" gelten, "in denen nach bisherigem Recht der Verfall auf Grund der Koppelung an die Verjährung der Tat ... verjährt war. Anders als bei der Verfolgungsverjährung ... (soll) die Verlängerung der Verjährung für die quasi-bereicherungsrechtliche Vermögensabschöpfung auch Sachverhalte (erfassen), in denen bei Inkrafttreten der Neuregelung die Verjährung bereits eingetreten war" (BT-Drucks. 18/11640, S. 84).

Infolgedessen bedarf es nach Ansicht des Senats der Teilnichtigerklärung des Art. 316h Satz 1 EGStGB (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG , 43. EL, § 31 Rn. 173; Ulsamer/Müller-Terpitz in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge aaO, 50. EL, § 81 Rn. 20), die nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 17.10.2017
Fundstellen
NJW 2019, 1891
NStZ 2020, 170
NStZ 2020, 724
NStZ-RR 2019, 216
NZG 2019, 1433
NZI 2019, 534
StV 2019, 730
StV 2020, 251
ZInsO 2019, 1164
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