Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 27.09.2019

V ZR 210/18

Normen:
BGB § 742
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 748

BGH, Urteil vom 27.09.2019 - Aktenzeichen V ZR 210/18

DRsp Nr. 2019/15912

Streit um die Beteiligung eines Grundstückseigentümers an den Kosten für die Unterhaltung und Verwaltung einer Privatstraße; Wahrnehmung von Unterhaltungspflichten für Anlagen durch die Dienstbarkeitsberechtigten und mitnutzungsberechtigten Grundstückseigentümer entsprechend § 745 Abs. 2 BGB nach billigem Ermessen; Verhältnis zwischen duldungspflichtigem Grundstückseigentümer und Notweg- bzw. Notleitungsberechtigtem;

Bei der Mitbenutzung eines Wegs, der Leitungen und sonstiger Anlagen durch den duldungspflichtigen Grundstückseigentümer ist anerkannt, dass die Unterhaltungskosten anteilig von ihm und den Notweg- bzw. Notleitungsberechtigten zu tragen sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin vom 10. August 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 742 ; BGB § 745 Abs. 2 ; BGB § 748 ;

Tatbestand

Der klagende eingetragene Verein ist Eigentümer einer Straße, die 2008 zu Erschließungszwecken ausgebaut wurde und an der weit über 100 Grundstücke einer Wohnsiedlung anliegen. Das Grundstück der Beklagten ist jedenfalls seit 2012 über die Straße erschlossen. Das Straßengrundstück wurde mit einer Vielzahl von Grunddienstbarkeiten (Geh-, Fahr- und Leitungsrechte) zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Anliegergrundstücke belastet. Die Bestellung und Eintragung einer Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beklagten erfolgte im Oktober 2017.

Ende 2011 schloss der Kläger mit einer Immobilienverwaltungsgesellschaft einen Vertrag über die Verwaltung des Vereinsgeländes nebst der Privatstraße. Die Vereinbarung wurde rückwirkend zum 1. Januar 2015 durch einen Vertrag über die Verwaltung der Privatstraße und der Mitgliederbeiträge ersetzt.

Der Kläger hat von der Beklagten auf der Grundlage von Abrechnungen die Zahlung anteiliger Kosten für die Jahre 2012 bis 2015 in Höhe von insgesamt 1.243,32 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten verlangt. Ferner hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erreichen wollen, sich ab dem Jahr 2016 an den notwendigen Kosten für die Unterhaltung und Verwaltung der Straße zu beteiligen. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 744,95 € verurteilt und dem Feststellungsantrag in Bezug auf die Kosten der Wartung und Reinigung sowie des Stromverbrauchs einer Hebeanlage, der Schnee- und Eisbeseitigung sowie des Stromverbrauchs der Straßenbeleuchtung entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er die abgewiesenen anteiligen Verwaltungs- und Kontoführungskosten sowie die Kosten für die Haftpflichtversicherung in Höhe von insgesamt 488 € nebst dem entsprechenden Feststellungsantrag weiterverfolgt hat, ist ebenso wie die Anschlussberufung der Beklagten erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger die Stattgabe seiner Klageanträge hinsichtlich dieser drei Kostenpositionen erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, ein Zahlungsanspruch komme, da die Forderungen den Zeitraum vor Eintragung der Grunddienstbarkeit beträfen, nur auf der Grundlage von § 670 , § 683 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 917 BGB in Betracht. Das Grundstück der Beklagten könne nur über die im Eigentum des Klägers stehende Straße erreicht werden. Es habe auch keine eigene Verbindung zu einem öffentlichen Wasserkanal. Da das Grundstück zu Wohnzwecken genutzt werde, seien ein entsprechender Zugang und eine entsprechende Verbindung zu einer Abwasserentsorgung erforderlich. Dies rechtfertige die (entsprechende) Anwendung des Notwegerechts. Daher könne der Kläger nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, solange die Geschäftsführung dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen habe. Dies betreffe nur die Kosten, die der eigentlichen Unterhaltung der Straße einschließlich der Abwasserhebeanlage dienten. Hierunter fielen hingegen nicht die Kosten für die Verwaltung, die Haftpflichtversicherung und die Kontoführung. Die Haftpflichtversicherung diene nicht der Unterhaltung der Anlagen oder der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten, sondern allein dem Interesse des Klägers als Eigentümer der Straße im Fall einer möglichen Haftung gegenüber Dritten und damit seiner finanziellen Absicherung im Schadensfall. Auch seien weder die Verwaltungskosten noch die Kontoführungsgebühren Kosten, die der Unterhaltung der Anlage dienten. Dies ergebe sich, soweit die Zeit bis einschließlich 2014 betroffen sei, aus dem Leistungskatalog in § 3 Abs. 1 des zunächst abgeschlossenen Verwaltungsvertrages. Dessen Gegenstand betreffe in weiten Teilen vereinsinterne Angelegenheiten und Aufgaben. Er diene daher allein der Wahrnehmung von Interessen des Klägers. Selbst wenn die Übertragung von Verwaltungsaufgaben als Wahrnehmung der der Beklagten als Notwegeberechtigten obliegenden Pflichten verstanden würde, entspreche doch die Einschaltung eines Verwalters nicht deren Willen. Sie habe mit ihren Widersprüchen gegen die Abrechnungen zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Abschluss des Verwaltungsvertrages nicht einverstanden sei. Zwar sei ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn in den Fällen des § 679 BGB unbeachtlich. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung lägen hier aber nicht vor

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt sich hinsichtlich der streitgegenständlichen drei Kostenposition dem Grunde nach aus einer entsprechenden Anwendung von § 745 Abs. 2 , §§ 748 , 742 BGB .

1. Der Senat hat für den Fall, dass die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt sind, entschieden, dass sie voneinander in entsprechender Anwendung von § 745 Abs. 2 BGB eine Regelung verlangen können, wonach die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird, wenn anders eine geordnete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in einem solchen Fall entsprechend §§ 748 , 742 BGB anteilig die Dienstbarkeitsberechtigten und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 10 f., 14 f.).

2. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Notweg- bzw. Notleitungsberechtigten.

a) Der Nachbar ist nach Wortlaut und Zweck des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks zur Herstellung der Verbindung mit einem öffentlichen Weg verpflichtet, nicht aber zur Unterhaltung. Es ist daher Sache des Notwegberechtigten, den Notweg auf seine Kosten herzustellen und zu unterhalten (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 25; Urteil vom 6. April 1995 - III ZR 27/94, NJW-RR 1995, 911 , 913 f.). Daher trifft ihn auch die Verkehrssicherungspflicht (Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 189/15, NZM 2016, 640 Rn. 26; Erman/Lorenz, BGB , 15. Aufl., § 917 BGB , Rn. 7; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 917 Rn. 36). Auch im Falle eines Notleitungsrechts, das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 917 , 918 BGB ergibt (vgl. Senat, Urteil vom 13. Juli 2018 - V ZR 308/17, NJW-RR 2019, 78 Rn. 8 mwN), trifft den Berechtigten die Pflicht zur Herstellung und Unterhaltung der Leitungen und Anlagen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165 Rn. 24).

b) Bei einer Mitbenutzung des Wegs, der Leitungen und sonstiger Anlagen durch den duldungspflichtigen Grundstückseigentümer ist anerkannt, dass die Unterhaltungskosten anteilig von ihm und den Notweg- bzw. Notleitungsberechtigten zu tragen sind. Insoweit liegt - nicht anders als bei der Mitbenutzung von Anlagen des Grundstückseigentümers durch einen Dienstbarkeitsberechtigten (Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 14 f.; Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 161, 115 , 122 f.) - ein gemeinschaftsähnliches Rechtsverhältnis vor (Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 189/15, NZM 2016, 640 Rn. 27; Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 25), das die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts rechtfertigt. Sind die Notweg- bzw. Notleitungsberechtigten, die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des mit diesen Rechten belasteten Grundstücks zu der gleichberechtigten Mitbenutzung von Anlagen auf diesem Grundstück befugt, können sie voneinander in entsprechender Anwendung von § 745 Abs. 2 BGB eine Regelung über die Erfüllung der Unterhaltungspflichten verlangen, wobei entsprechend §§ 748 , 742 BGB eine anteilige Kostentragungspflicht zum Tragen kommt.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte gegenüber dem Kläger entsprechend §§ 748 , 742 BGB zur anteiligen Tragung der Kosten verpflichtet, weil die Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten für die Anlagen durch ihn entsprechend § 745 Abs. 2 BGB billigem Ermessen entspricht.

a) Dass die Beklagte als Notweg- und Notleitungsberechtigte zur Unterhaltung der von ihr zusammen mit dem Kläger und den Dienstbarkeitsberechtigten genutzten Anlagen verpflichtet ist, greift sie im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht an. Die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten durch eine Person entspricht im vorliegenden Fall billigem Ermessen. Die Straße und die in ihr verlegten Leitungen dienen der Erschließung einer Wohnsiedlung und weisen eine erhebliche räumliche Ausdehnung aus. Ihnen kommt zudem eine wesentliche funktionale Bedeutung für die Erschließung der Wohnsiedlung zu. Da neben der Beklagten als Notweg- und Notleitungsberechtigte weit über 100 Dienstbarkeitsberechtigte vorhanden sind, bedarf daher die Erfüllung der Unterhaltungspflicht einer einheitlichen Regelung. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass die Unterhaltungspflichten durch ein koordiniertes Vorgehen ordnungsgemäß und effektiv erfüllt werden.

b) Auch kann der klagende Verein auf der Grundlage seines revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrages verlangen, dass die Unterhaltungspflichten allein durch ihn erbracht werden. Danach hat der Kläger die Unterhaltungspflichten für die Anlagen, zu deren Nutzung die Dienstbarkeitsberechtigten befugt sind, seit ihrer Erstellung wahrgenommen. Nach der Bestellung der Grunddienstbarkeiten ist diese Praxis fortgesetzt worden. Das Zustandekommen einer Vereinbarung scheiterte nicht daran, dass der Kläger die Unterhaltungspflichten wahrnimmt, sondern an Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Umfangs und der Höhe der umgelegten Kosten. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Erfüllung der Unterhaltungspflichten durch den Kläger nicht sachgerecht ist oder nicht ordnungsgemäß erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass es auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten und der Dienstbarkeitsberechtigten jedenfalls bislang billigem Ermessen entspricht, dass der klagende Verein die Unterhaltungspflichten wahrnimmt.

c) Der Kläger kann von der Beklagten dem Grunde nach die anteilige Tragung der Vergütung der beauftragten Immobilienverwaltungsgesellschaft, der Kosten des Girokontos und der Haftpflichtversicherung verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2019 - V ZR 343/17, NJW 2019, 2615 Rn. 21 f.).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch Feststellungen zur Höhe der Kostentragungspflicht zu treffen sind. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Der Senat weist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hin:

1. In Bezug auf die Kosten der von dem Kläger beauftragten Immobilienverwaltungsgesellschaft können nur Kosten für Tätigkeiten umgelegt werden, die im Zusammenhang mit den Unterhaltungspflichten erforderlich sind. Die Verwaltung von Grundstücken, die nicht mit Grunddienstbarkeiten belastet sind oder auf denen kein Notweg besteht, sowie von Vermögenswerten, die nicht im Zusammenhang mit der Unterhaltungspflicht stehen, fällt nicht hierunter. Dies gilt auch für Mitgliedsbeiträge, es sei denn, diese werden für die Unterhaltung der Straße verwandt.

2. Die Kosten für die Führung des Girokontos sind anteilig nur erstattungsfähig, wenn dieses ausschließlich für die Abwicklung von Zahlungen genutzt wird, die mit den Unterhaltungspflichten in Zusammenhang stehen.

3. Die Kosten der Haftpflichtversicherung sind nur dann anteilig von der Beklagten zu tragen, wenn sie das Risiko der Verletzung von Unterhaltungsund Verkehrssicherungspflichten durch den klagenden Verein abdeckt und damit im Ergebnis auch die Beklagte als Unterhaltungs- und damit Verkehrssicherungspflichtige schützt. Hingegen besteht keine anteilige Kostentragungspflicht, soweit die Haftpflichtversicherung Risiken erfasst, die mit den Unterhaltungspflichten der Beklagten nicht in Zusammenhang stehen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. September 2019

Vorinstanz: AG Berlin-Pankow-Weißensee, vom 07.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 201/16
Vorinstanz: LG Berlin, vom 10.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 55 S 265/16