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BGH - Entscheidung vom 05.09.2019

3 StR 307/19

Normen:
StGB § 249 Abs. 1
StGB § 252

BGH, Beschluss vom 05.09.2019 - Aktenzeichen 3 StR 307/19

DRsp Nr. 2019/15846

Strafbarkeit wegen Diebstahls und räuberischen Diebstahls sowie wegen gefährlicher Körperverletzung; Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 26. März 2019 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls und des räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die dadurch entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens sowie die im Revisionsverfahren dem Neben- und Adhäsionskläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StGB § 249 Abs. 1 ; StGB § 252 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO ; es führt indes zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Schuldspruchänderung.

Nach den vom Landgericht zu Fall II. 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen begaben sich der Angeklagte und der Mitangeklagte S. gemeinsam mit dem Nebenkläger nachts in einen Park, um dort alkoholische Getränke zu konsumieren. Der Angeklagte und der Nebenkläger setzten sich auf eine Bank, während S. davor stehen blieb. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen der Angeklagte und S. , dem Nebenkläger dessen Mobiltelefon zu entwenden, um es zu behalten und anschließend gemeinsam zu Geld zu machen oder zu nutzen. Um die Wegnahme zu ermöglichen, bat der Angeklagte den Nebenkläger, ihm das Handy zu übergeben; er gab vor, seine Telefonnummer darin speichern zu wollen. Nachdem ihm der Nebenkläger das Mobiltelefon zu diesem Zweck ausgehändigt hatte, tippte der Angeklagte darauf herum und warf es dann plötzlich S. zu, der es in seine Jackentasche steckte. Der Nebenkläger stand auf, wandte sich an S. und bat ihn, ihm das Handy zurückzugeben. Daraufhin umfasste der Angeklagte - dem gemeinsamen Tatplan mit S. entsprechend - von hinten den Hals des Nebenklägers, umklammerte ihn mit einem Arm und drückte den Hals mehrere Sekunden lang zu. Während der Nebenkläger nach Luft rang, schlug S. ihm mit der Faust mindestens dreimal ins Gesicht und trat auf ihn ein.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten nicht wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB ), sondern wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB ). Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 5. Juli 2019 ausgeführt:

"Ausweislich der Urteilsgründe war die Wegnahme des Mobiltelefons zum Zeitpunkt der Gewalthandlungen gegen den Geschädigten bereits vollendet, wenn auch nicht beendet, weil der Mitangeklagte S. das Smartphone des Geschädigten in seine Jackentasche gesteckt hatte (UA S. 10). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus. Hiervon ausgehend genügt es bei handlichen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung verbirgt (Senat, NStZ 2015, 276 ). Damit hat er nach der Verkehrsauffassung die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehoben und ein eigenes, dessen freie Verfügungsgewalt ausschließendes, tatsächliches Sachherrschaftsverhältnis hergestellt. Daran ändert auch eine etwaige Beobachtung nichts. Weder ist Diebstahl eine 'heimliche' Tat, noch setzt die Vollziehung des Gewahrsamswechsels voraus, dass der Täter endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt (BGHR StGB § 242 Abs. 1 , Wegnahme 5 - Vollendung trotz Beobachtung; vgl. ebenso BGH, NJW 1961, 2266 ; Senat, NStZ 2011, 158 , Rn. 10 - 13). Demnach brach der Angeklagte G. nach der Verkehrsauffassung zwar den Gewahrsam des Geschädigten nicht bereits dadurch, dass er mit dessen Einverständnis das Mobiltelefon unter dem Vorwand in die Hand nahm, seine Rufnummer einzuspeichern (vgl. zur Gewahrsamslockerung bei - scheinbar kurzfristiger - Übergabe von Gegenständen an den Täter BGH, Beschluss vom 24. April 2018, 5 StR 606/17, Rn. 6, 11, juris). Indem er aber das Mobiltelefon ohne Absprache mit dem Geschädigten dem Mitangeklagten S. zuwarf, der dieses in seine Jackentasche steckte, wurde der Gewahrsam des Geschädigten gebrochen; nach der Verkehrsauffassung wäre eine Rückholung des Mobiltelefons aus der Jackentasche des Mitangeklagten S. sozial rechtfertigungsbedürftig gewesen.

Auf Grund der eingetretenen Vollendung des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls kam ein Raub (§ 249 Abs. 1 StGB ) durch die anschließende Gewaltanwendung gegen den Geschädigten nicht mehr in Betracht (vgl. Senat, NStZ 2015, 276 ; BGH, Beschluss vom 24. September 1990, 4 StR 384/90, Rn. 2, juris). Vielmehr wollten sich beide Angeklagte als Mittäter den Besitz an dem Mobiltelefon erhalten, indem sie gegen den Geschädigten Gewalt anwendeten, sodass sie sich wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB ) strafbar gemacht haben (vgl. zur Möglichkeit des räuberischen Diebstahls auch für den nicht unmittelbar besitzenden Mittäter Senat, NStZ 2015, 276 )."

Dem schließt sich der Senat an. Er ändert den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht wirksamer verteidigen können, und eine Auswirkung auf die Strafzumessung ist ebenfalls auszuschließen, weil sich die Frage des Vorliegens schädlicher Neigungen durch die Schuldspruchänderung nicht in anderer Weise stellt als auf der Grundlage der von der Strafkammer vorgenommenen Würdigung der Tat als Raub.

Vorinstanz: LG Trier, vom 26.03.2019