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BGH - Entscheidung vom 19.03.2019

XI ZR 50/18

Normen:
ZPO § 522 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BGHZ 221, 278
FamRZ 2019, 1158
MDR 2019, 957
NJW 2019, 2034
WM 2019, 866
ZIP 2019, 1739

BGH, Beschluss vom 19.03.2019 - Aktenzeichen XI ZR 50/18

DRsp Nr. 2019/6687

Statthaftigkeit einer Revision gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO ; Umdeutung einer Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde

Zur Unstatthaftigkeit einer Revision gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO , in dem das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat.

Tenor

Die Revision der Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. Dezember 2017 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 575 €

Normenkette:

ZPO § 522 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I.

Die Verfügungsbeklagte verlangt von dem Verfügungskläger die Zahlung von Schadensersatz nach § 945 ZPO wegen der Erfüllung einer einstweiligen Verfügung.

Der Verfügungskläger unterhielt bei der Verfügungsbeklagten ein Girokonto, das als Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO geführt wurde und durch einen Gläubiger gepfändet worden war.

Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, dem Verfügungskläger die Verfügung über sein Konto bis zu einem Betrag von 576 € zu ermöglichen sowie auf Verlangen den Betrag sofort auszuzahlen, und ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt und die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begehrt. Ferner hat sie beantragt, den Verfügungskläger zu verurteilen, an sie 575 € zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Die Verfügungsbeklagte hat geltend gemacht, der Verfügungskläger sei nach § 945 ZPO zur Erstattung des an ihn zwischenzeitlich ausgezahlten Betrags verpflichtet.

Da der Verfügungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, hat das Amtsgericht durch Teilversäumnis- und Schlussurteil zum einen unter Aufhebung des Beschlusses vom 16. Dezember 2016 den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aufgrund seiner Säumnis ohne Sachprüfung zurückgewiesen. Zum anderen hat es den Zahlungsantrag der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen, weil dieser zwar zulässig, aber unbegründet sei, und insoweit die Berufung zugelassen.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2017 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung der Verfügungsbeklagten, mit dem diese ihren Zahlungsantrag nach § 945 ZPO weiterverfolgt hat, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da die Berufung offensichtlich unbegründet sei, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheine.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 hat das Berufungsgericht die Berufung der Verfügungsbeklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In den Gründen hat es ausgeführt, dass die Berufung der Zurückweisung unterliege, weil sie nach einstimmiger Auffassung der Kammer zulässig, aber offensichtlich unbegründet sei. Die Revision sei gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da zu den maßgeblichen Rechtsfragen noch keine obergerichtlichen Entscheidungen ergangen seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Verfügungsbeklagte Revision eingelegt, mit der sie ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt.

II.

Die Revision der Verfügungsbeklagten ist nach § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist.

1. Statthaftes Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nach § 522 Abs. 3 ZPO allein die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO .

§ 522 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass gegen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Berufungsführer das Rechtsmittel zusteht, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. Auch wenn bei isolierter Betrachtung des Wortlauts dieser Vorschrift eine Revision gegen einen Zurückweisungsbeschluss, in dem das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, nicht ausgeschlossen erscheint, ergibt die Auslegung von § 522 Abs. 3 ZPO unter Einbeziehung von Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass gegen einen Beschluss, mit dem eine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird, nur eine Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist, die überdies die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen aus § 544 ZPO und § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erfüllen muss.

Zum einen setzt die Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO voraus, dass das Berufungsgericht das Vorliegen sämtlicher Revisionszulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO verneint. Daher wäre in dem nach § 522 Abs. 3 ZPO maßgeblichen hypothetischen Vergleichsfall einer Entscheidung durch Urteil keine Zulassung der Revision erfolgt, so dass gegen ein solches Urteil nur eine Nichtzulassungsbeschwerde statthaft wäre (vgl. Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO , 4. Aufl., § 522 Rn. 93).

Zum anderen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig, dass der Gesetzgeber mit der Änderung von § 522 Abs. 3 ZPO im Jahr 2011 lediglich die Möglichkeit eröffnen wollte, Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO einzulegen. So heißt es im Gesetzentwurf ausdrücklich, dass der Entwurf "für Zurückweisungsbeschlüsse mit einer Beschwer über 20 000 Euro das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ein[führt]" (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung , Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/5334 S. 1 unter B., S. 6 unter II.) und "[n]ach § 522 Absatz 3 Satz 1 - neu - [...] die Nichtzulassungsbeschwerde das statthafte Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss [ist]" (aaO S. 8). Der Gesetzentwurf stellt darauf ab, dass bei einer Entscheidung durch Urteil das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hätte, weil es das Vorliegen der Revisionszulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO verneint habe, da es andernfalls wegen § 522 Abs. 2 [Satz 1] Nr. 2 und 3 ZPO gar nicht durch Zurückweisungsbeschluss hätte entscheiden dürfen, und die Nichtzulassung der Revision in einem Berufungsurteil gemäß § 544 Abs. 1 ZPO der Beschwerde unterliege (aaO S. 8). Schließlich führt der Gesetzentwurf aus, dass die "in § 522 Absatz 3 Satz 1 - neu - vorgesehene Gleichstellung zwischen Zurückweisungsbeschluss und Berufungsurteil bewirkt [...], dass die Wertgrenze des § 26 Nummer 8 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in Höhe von 20 000 Euro auch für die Anfechtbarkeit von Zurückweisungsbeschlüssen gilt" (aaO S. 8).

Auch sämtliche Stellungnahmen im weiteren Gesetzgebungsverfahren beruhen auf der Prämisse, dass mit der vorgeschlagenen Änderung von § 522 Abs. 3 ZPO allein die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit einer Beschwer von mehr als 20.000 € eingeführt werden sollte, und ziehen in keiner Weise in Betracht, ob bzw. dass nach dem vorgeschlagenen, an § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO angelehnten Wortlaut (vgl. BT-Drucks. 17/5334 S. 8) im Fall einer prozessordnungswidrigen Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht in einem solchen Beschluss auch eine Revision in Betracht kommen könnte (vgl. BR-Drucks. 59/1/11 S. 3 ff.; BR-Plenarprotokoll 881 S. 131 C, S. 156 A/B, S. 157 A/B; BR-Drucks. 59/11(Beschluss) S. 3 ff.; BT-Drucks. 17/5388; BT-Plenarprotokoll 17/102 S. 11737-11743; BT-Drucks. 17/6406 S. 2, 7 f.; BT-Plenarprotokoll 17/120 S. 14029, S. 14204-14209; BR-Drucks. 485/1/11 S. 4 ff.; BR-Plenarprotokoll 886 S. 396).

2. Der Senat ist mangels Statthaftigkeit der Revision nicht an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gebunden. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO umfasst nur die in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen. Dagegen kann die Zulassung des Rechtsmittels nicht dazu führen, dass ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 - IX ZB 271/02, NJW 2003, 70 und vom 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10, FamRZ 2012, 1293 Rn. 6).

3. Die von der Verfügungsbeklagten eingelegte Revision ist nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten.

Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Verfahrensrecht die Umdeutung einer Prozesshandlung in entsprechender Anwendung von § 140 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 2008 - II ZR 251/06, WM 2008, 1231 Rn. 8, vom 10. Dezember 2014 - XII ZR 136/12, WM 2015, 1026 Rn. 9, vom 19. Mai 2015 - II ZB 16/14, juris und Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, juris Rn. 12).

a) Diese Voraussetzungen sind hier aber bereits deshalb nicht erfüllt, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig wäre. Denn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt nur 575 € und übersteigt damit nicht 20.000 €.

b) Außerdem stünde einer Nachprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts durch den Bundesgerichtshof § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, da die Verfügungsbeklagte ihren Schadensersatzanspruch nicht in einem eigenen Klageverfahren oder im Wege der Widerklage im Hauptsacheprozess verfolgt, sondern ihn zusammen mit ihrem Widerspruch gegen die vom Amtsgericht erlassene einstweilige Verfügung in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht hat.

Vorinstanz: AG Köln, vom 24.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 147 C 286/16
Vorinstanz: LG Köln, vom 13.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 30 S 1/17
Fundstellen
BGHZ 221, 278
FamRZ 2019, 1158
MDR 2019, 957
NJW 2019, 2034
WM 2019, 866
ZIP 2019, 1739