Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 02.04.2019

XI ZR 574/17

Normen:
BGB § 280 Abs. 1 S. 2
WpHG a.F. § 37a
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 02.04.2019 - Aktenzeichen XI ZR 574/17

DRsp Nr. 2019/7672

Schadensersatzanspruch eines Anlegers gegen die Bank wegen Beratungsfehlern durch Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert bei Abschluss eines sog. Swap-Vertrages; Kenntnisnahme des Vorbringens der Parteien

Beruft sich die beklagte Bank darauf, ein Schadensersatzanspruch wegen Beratungsfehlern sei verjährt, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, so muss die Bank darlegen und beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat. Legt sie dar, dass ihre Organe und die für sie handelnden Mitarbeiter einem Rechtsirrtum unterlagen, so kann das Gericht diesen Vortrag nur dann als unstreitig zugrunde legen, wenn der Geschädigte den Tatsachenvortrag nicht in Abrede stellt.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. August 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin unter dem Aspekt der unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 320.000 €

Normenkette:

BGB § 280 Abs. 1 S. 2; WpHG a.F. § 37a; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin, nimmt die beklagte Bank wegen Beratungsfehlern bei Abschluss eines Swap-Vertrages in Anspruch.

Die Parteien, zwischen denen bereits Geschäftsverbindungen bestanden, schlossen am 1. August 2005 zunächst einen Rahmenvertrag über Finanztermingeschäfte. Auf dessen Grundlage vereinbarten die Parteien nach Beratung durch die Beklagte am 4. Januar 2007 einen Zins-Währungs-Swap-Vertrag. Mit diesem Vertrag, der unmittelbar auf einen bereits im Jahr 2005 abgeschlossenen und mit einem Zahlbetrag zugunsten der Klägerin aufgelösten Swap folgte, verpflichtete sich die Klägerin, während der sechsjährigen Laufzeit an die Beklagte auf den Bezugsbetrag von 800.000 CHF Zinsen in Höhe des 3-Monats-CHF-LIBOR zuzüglich 0,55% p.a. zu zahlen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte, während des gleichen Zeitraums an die Klägerin auf den Bezugsbetrag von 4.568.800 ZAR (=Südafrikanischer Rand) Zinsen in Höhe des 3-Monats-ZAR-JIBAR-SAFEX zu zahlen. Zudem hatten die Parteien mit Ablauf des Swap-Vertrages den jeweiligen Bezugsbetrag an die Gegenseite zu entrichten. In der Folge entwickelte sich das Geschäft für die Klägerin wirtschaftlich nachteilig.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie im Vorfeld des Vertragsschlusses weder anleger- noch anlagegerecht beraten. Sie macht zudem geltend, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, über den anfänglichen negativen Marktwert des Geschäfts aufzuklären.

Mit der im Jahr 2016 erhobenen Klage begehrt die Klägerin im Wesentlichen "Freistellung" vom streitgegenständlichen Vertrag sowie von sämtlichen damit in Verbindung stehenden Verbindlichkeiten Zug um Zug gegen Herausgabe der während der Laufzeit erlangten Vorteile, zudem Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz des künftigen Schadens verpflichtet ist, sowie Zahlung von vorgerichtlichen Gutachter- und Rechtsanwaltskosten. Die Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht nach Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht - soweit vorliegend noch von Interesse - ausgeführt: Die Klagforderung sei im Hinblick auf die unterlassene Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert nach § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) verjährt. Die Beklagte könne sich auf einen vermeidbaren und damit vorsatzausschließenden Rechtsirrtum berufen. Sie habe dargelegt, dass sie eine eigene Rechtsabteilung unterhalte, die in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Banken aktuelle Entwicklungen in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur ständig beobachte, um die zuständigen Mitarbeiter durch Anweisungen und Richtlinien zu informieren. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des in Rede stehenden Geschäfts habe es weder gesetzliche Vorschriften noch Rechtsprechung gegeben, die hätten erkennen lassen können, dass über einen bestehenden anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären sei. Die Klägerin ihrerseits habe sich hingegen nicht zum Vortrag der Beklagten erklärt, wonach diese unvorsätzlich gehandelt habe. Insbesondere habe sie nicht bestritten, dass die Beklagte einem Verbotsirrtum unterlegen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der erstrebten Zulassung der Revision beabsichtigt sie, ihr Begehren weiterzuverfolgen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit das Berufungsgericht gegen die Klägerin im Hinblick auf die unterlassene Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert erkannt hat, ist die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135 , 139 f., vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 19. Februar 2013 - XI ZR 404/11, NZG 2013, 502 Rn. 10). Aus demselben Grund ist er gemäß § 544 Abs. 7 ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

a) Beruft sich die beklagte Bank darauf, der Anspruch sei nach § 37a WpHG aF verjährt, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, so trägt nicht der geschädigte Anleger, der sich insoweit auf § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann, die Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Handeln. Vielmehr muss die Bank darlegen und beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat (Senatsbeschluss vom 5. Juni 2018 - XI ZR 388/16, BKR 2019, 51 Rn. 18 mwN). Insofern steht es der Bank zwar frei, sich - wie vorliegend geschehen - auf einen vorsatzausschließenden vermeidbaren Rechtsirrtum zu berufen. Legt sie - wie vorliegend ebenfalls geschehen - dar, dass ihre Organe und die für sie handelnden Mitarbeiter tatsächlich einer solchen Fehlvorstellung unterlagen, so kann das Gericht diesen Vortrag aber nur dann nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zugrunde legen, wenn der Geschädigte den Tatsachenvortrag nicht in Abrede stellt.

b) Rechtsfehlerhaft und unter Verkennung des beiderseitigen Parteivortrages hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines Rechtsirrtums als unstreitig angesehen. Die Klägerin hat vorliegend das Vorbringen der Beklagten zum Bestehen eines vermeidbaren Rechtsirrtums wirksam bestritten. Die Klägerin hat sowohl mit der Klageschrift und auch im Berufungsrechtszug vorgetragen, dass die Beklagte um ihre Pflicht wusste, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert des vorliegenden Zins-Währungs-Swaps aufklären zu müssen. Eine weitere Substantiierung oder Präzisierung ihres Bestreitens war nicht erforderlich.

2. Der angefochtene Beschluss beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19. Februar 2013 - XI ZR 404/11, NZG 2013, 502 Rn. 23 mwN). Dies ist vorliegend der Fall, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens in eine Beweisaufnahme eingetreten und zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Beklagte keinem vermeidbaren Rechtsirrtum unterlag. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung auch keinen weiteren selbständig tragenden Gesichtspunkt zugrunde gelegt, der eine Haftung der Beklagten wegen unterlassener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert ausschlösse.

III.

Im Übrigen weist der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurück, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG München I, vom 17.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 22 O 14332/16
Vorinstanz: OLG München, vom 11.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 989/17