Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 05.07.2019

V ZR 108/18

Normen:
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 906 Abs. 2 S. 2
StGB § 308 Abs. 1
StG § 308 Abs. 6

BGH, Urteil vom 05.07.2019 - Aktenzeichen V ZR 108/18

DRsp Nr. 2019/17889

Sachschaden beim Aufbereiten von Bauschutt durch eine nicht erkannte Bombe aus dem 2. Weltkrieg; Verkehrssicherungspflicht eines Recyclingunternehmens bei der Aufbereitung von Bauschutt

Ein Grundstückseigentümer haftet nicht für Schäden, die durch die Explosition bei der Beseitigung einer auf seinem Grundstück gefundenen Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg resultieren. Solche Beeinträchtigungen gehören nicht zu den Konfliktlagen, die mit dem Instrument des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs sachgerecht bewältigt werden können. Die entsprechende Anwendung der in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmten - verschuldensunabhängigen - Haftung des Eigentümers oder des Besitzers des beeinträchtigenden Grundstücks auf solche Beeinträchtigungen überschritte die Grenzen richterlicher Gestaltungsmacht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. April 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Normenkette:

BGB § 823 Abs. 1 ; BGB § 823 Abs. 2 ; BGB § 906 Abs. 2 S. 2; StGB § 308 Abs. 1 ; StG § 308 Abs. 6 ;

Tatbestand

Der Beklagte betreibt auf einem Grundstück, dessen Besitz ihm von dritter Seite überlassen ist, ein Recyclingunternehmen für Bauschutt. Der angelieferte Bauschutt wird dort zunächst sortiert. Große Betonteile, die nicht in die vorhandene Schreddermaschine passen, werden mit einem Zangenbagger zuvor zerkleinert. Im Jahr 2014 begann ein Mitarbeiter des Beklagten, mit dem Bagger ein größeres Betonteil zu zerkleinern. Dabei detonierte eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die in das Betonteil einbetoniert war. Auf Grund der Explosion entstanden an Gebäuden auf benachbarten Grundstücken Schäden, welche die Klägerin als Gebäudeversicherin reguliert hat.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer gegen den Beklagten Ansprüche aus unerlaubter Handlung und nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen im Wesentlichen inhaltsgleiche Entscheidung über Ansprüche eines anderen Geschädigten in NJOZ 2016, 681 veröffentlicht ist, verneint Ansprüche aus Delikt. Der Beklagte habe Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Die Unfallverhütungsvorschrift BGV D 23 schreibe eine Prüfung auf Sprengkörper nur für den Umgang mit Schrott vor, nicht für den Umgang mit Beton. Auch die Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs lägen nicht vor. Der beeinträchtigenden Handlung fehle es an dem erforderlichen Grundstücksbezug. Für die auf dem Grundstück typischerweise vorgenommenen Arbeiten sei die Explosion nicht risikospezifisch, da Zerkleinerungsarbeiten in der Regel risikolos seien. Die Handlung, die zum Schadenseintritt geführt habe, hätte genauso gut an anderer Stelle vorgenommen werden können. Dass die Explosion bei dem Beklagten erfolgt sei, beruhe auf Zufall. Der Beklagte sei auch nicht als Störer anzusehen. Ihn habe keine Sicherungspflicht getroffen, mögliche Beeinträchtigungen zu verhindern, dennerfahrungsgemäß enthalte Bauschutt keine Bomben. Das Geschehen sei einem Naturereignis vergleichbar.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend verneint das Berufungsgericht Ansprüche der von ihr entschädigten Nachbarn, die nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen wären. Der Beklagte ist weder aus unerlaubter Handlung noch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet, den Versicherungsnehmern der Klägerin die aus dem Explosionsereignis entstandenen Schäden zu ersetzen oder sie für diese Schäden zu entschädigen.

1. Ohne Rechtsfehler sieht das Berufungsgericht einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 308 Abs. 1 , 6 StGB als unbegründet an. Es fehlt an einer für die eingetretenen Schäden ursächlichen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten. Das hat der Senat in seinem Urteil in einer Parallelsache vom 5. Juli 2019 ( V ZR 96/18) im Einzelnen dargelegt (Rn. 15 ff.). Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen. Eine Untersuchungspflicht ergab sich für den Beklagten auch nicht daraus, dass diesem - wie die Revision meint - auf sein Betriebsgelände bereits öfter Bomben im Bauschutt angeliefert worden wären, so dass er stets mit Explosivkörpern in Betonteilen hätte rechnen und diese vor einer Verarbeitung auf Bomben hätte untersuchen müssen. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend erachtet.

2. Zutreffend gelangt das Berufungsgericht weiter zu dem Ergebnis, dass sich eine Haftung des Beklagten nicht aus § 831 Abs. 1 BGB ergibt. Auch insoweit wird auf das Urteil in der Parallelsache vom 5. Juli 2019 (V ZR 96/18) verwiesen (Rn. 20).

3. Zu Recht verneint das Berufungsgericht auf die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergangenen Ansprüche der von ihr entschädigten Nachbarn des Beklagten analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB .

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, jedoch aus rechtlichen oder - wie hier - tatsächlichen Gründen nicht gemäß § 1004 Abs. 1 , § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 311/16, WM 2018, 1761 Rn. 5 mwN).

b) Es fehlt nicht an der Störereigenschaft des Beklagten. Zwar haftet der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, von dem eine Einwirkung auf das oder die Nachbargrundstücke ausgeht, für Beeinträchtigungen aufgrund dieser Einwirkung in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nur, wenn er im Sinne der § 1004 Abs. 1 , § 862 Abs. 1 BGB Störer ist. Dazu wurde der Beklagte aber in dem Moment, als sein Mitarbeiter sich anschickte, das Betonteil zu zerkleinern, in dem sich die Bombe befand. Dadurch wurden die Grundstücke der Versicherungsnehmer der Klägerin bei der gebotenen objektiven Betrachtung konkret gefährdet. Denn infolge dieser Arbeiten konnte die Bombe ungewollt zur Explosion gebracht werden. Die drohende Einwirkung auf ihre Grundstücke hätten die Versicherungsnehmer der Klägerin nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren dürfen. Auf dieser Grundlage rechtzeitig Rechtsschutz zu erlangen, war ihnen jedoch aufgrund des Ablaufs des Vorfalls tatsächlich nicht möglich. Sie waren deshalb einem faktischen Duldungszwang ausgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom heutigen Tag in der Parallelsache verwiesen (V ZR 96/18 Rn. 25-28).

c) Der störenden Einwirkung auf die Grundstücke der Versicherungsnehmer der Klägerin fehlt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht der erforderliche Grundstücksbezug. Das hat der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tag in der Parallelsache im Einzelnen dargelegt ( V ZR 96/18 Rn. 29-33); darauf wird Bezug genommen.

d) Eine Haftung des Beklagten scheidet aber aus einem anderen Grunde aus. Die Regelung in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auf Beeinträchtigungen nicht entsprechend anwendbar, die durch die - unverschuldete - Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg verursacht werden. Solche Beeinträchtigungen gehören nicht zu den Konfliktlagen, die mit dem Instrument des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs sachgerecht bewältigt werden können. Die entsprechende Anwendung der in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmten - verschuldensunabhängigen - Haftung des Eigentümers oder des Besitzers des beeinträchtigenden Grundstücks auf solche Beeinträchtigungen überschritte die Grenzen richterlicher Gestaltungsmacht; eine solch weitgehende Haftung könnte nur durch den Gesetzgeber angeordnet werden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 5. Juli 2019 (V ZR 96/18) Bezug genommen (Rn. 34-40).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 5. Juli 2019

Vorinstanz: LG Bonn, vom 31.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 390/16
Vorinstanz: OLG Köln, vom 10.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 25 U 15/17