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BGH - Entscheidung vom 15.01.2019

XI ZB 20/18

Normen:
GG Art. 103 Abs.1
ZPO § 574 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 15.01.2019 - Aktenzeichen XI ZB 20/18

DRsp Nr. 2019/1926

Rückabwicklung eines von einer Bank finanzierten Fahrzeugkaufs nach Widerruf des Darlehensvertrags; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist; Verpflichtung einer Angestellten zur Kontrolle des Sendeberichts nach einer Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax

Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2018 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt bis zu 25.000 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs.1; ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines von ihr finanzierten Fahrzeugkaufs nach Widerruf des Darlehensvertrags. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. April 2018 abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. April 2018 zugestellt worden. Hiergegen haben sie mit Schriftsatz vom 24. Mai 2018 Berufung eingelegt. Der an das Oberlandesgericht adressierte Schriftsatz ist am selben Tag per Telefax beim Landgericht und am 25. Mai 2018 beim Oberlandesgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist beim Oberlandesgericht am 30. Mai 2018 eingereicht worden. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit am 8. Juni 2018 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie haben dies damit begründet, dass die Berufungsschrift am 24. Mai 2018 fertiggestellt und unterzeichnet worden sei. Wegen der noch am selben Tag ablaufenden Berufungsfrist sei ihre Anwaltsgehilfin S. angewiesen worden, die Berufungsschrift per Telefax zu versenden. Dabei habe ihr die langjährig beschäftigte und zuverlässige Anwaltsgehilfin R. geholfen. Frau R. habe den zuständigen Gerichtsort und die Telefaxnummer aus dem PC-Anwaltsprogramm entnommen, wobei sie versehentlich in der Gerichtszeile verrutscht sei und die Nummer des Landgerichts anstelle derjenigen des Oberlandesgerichts notiert habe. Der Fehler sei ihr nicht aufgefallen, weil die beiden Telefaxnummern bis auf die drei letzten Ziffern identisch seien. Frau R. sei seit mehr als 15 Jahren in der Kanzlei tätig, ohne dass ihr ein solcher Fehler unterlaufen sei. Nach anwaltlicher Unterzeichnung sei der Schriftsatz per Telefax versandt worden und laut Sendebericht vollständig angekommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Fristversäumung durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers schuldhaft erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genüge ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeberichts zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden sei. Dabei dürfe sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen zu vergleichen. Vielmehr müsse ein Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, um auch Fehler bei der vorherigen Ermittlung der Nummer aufdecken zu können. Diesem Erfordernis könne zwar auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt sei, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden sei. Dies setze aber voraus, dass die generelle Anweisung bestehe, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Im Wiedereinsetzungsantrag sei nichts dazu vorgetragen worden, ob der Bürokraft der Prozessbevollmächtigten eine entsprechende allgemeine oder spezielle Weisung erteilt worden sei. Dass die Kanzleimitarbeiterin R. nochmals kontrolliert habe, ob sie die Faxnummer richtig abgeschrieben habe, könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Es genüge nicht, beim Notieren der Faxnummer nochmals zu kontrollieren, ob diese richtig aufgeschrieben worden sei. Vielmehr erfordere die doppelte Überprüfung der Richtigkeit der Faxnummer, dass die auf dem Schriftsatz notierte Faxnummer erneut anhand einer zuverlässigen Quelle überprüft werde. Daran fehle es hier.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ), aber unzulässig.

Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist insbesondere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs.1 GG vor.

2. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung beruht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2016 - XII ZB 382/15, NJW-RR 2016, 1199 Rn. 19 f., vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 6 und vom 19. Dezember 2017 - XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 7 mwN).

Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer erfasst werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 7 und vom 19. Dezember 2017 - XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 8 mwN). Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2017 - XI ZB 16/17, aaO Rn. 8 mwN).

b) Die nach dieser - vom Berufungsgericht in zutreffender Weise zugrunde gelegten - Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erfüllt. Weder dem Vorbringen des Klägers noch den Ausführungen in den eidesstattlichen Versicherungen seiner Prozessbevollmächtigten oder deren Büroangestellten R. lässt sich das Bestehen einer speziellen oder allgemeinen Anweisung entnehmen, wie in deren Kanzlei die richtige Eingabe der Faxnummer zu überprüfen war. Einer derartigen Konkretisierung hätte es aber bedurft. Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren, weil nur so die Wichtigkeit der einzuhaltenden Schritte in der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 15, vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 8 und vom 19. Dezember 2017 - XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 9).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügt es nicht, dass die Mitarbeiterin R. die im PC-Anwaltsprogramm ermittelte Faxnummer zunächst ermittelt, sodann ihre Aufschrift erneut auf ihre Richtigkeit kontrolliert und sie erst dann in einem dritten Schritt auf den Schriftsatz übertragen habe. Dies wahrt die anwaltliche Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nicht, weil hierdurch der bei der Ermittlung der Faxnummer unterlaufene Fehler des Verrutschens in der Zeile gerade nicht aufgedeckt, sondern lediglich perpetuiert wird. Das Erfordernis einer nochmaligen Überprüfung der Faxnummer entweder vor der Versendung oder mit dem Sendebericht anhand einer zuverlässigen Quelle wird dadurch nicht erfüllt. Vielmehr hätte die Kanzleiangestellte auch gesondert überprüfen müssen, ob sie nicht nur die Faxnummer als solche richtig notiert hatte, sondern auch deren Zuordnung zu dem richtigen Gericht. Dass dies erfolgt ist oder in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten eine entsprechende Anweisung bestanden hat, hat der Kläger nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers zumindest mitursächlich für den Fehler der Kanzleikraft geworden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2017 - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 11 und vom 19. Dezember 2017 - XI ZB 16/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 10, jeweils mwN).

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 17.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 25 O 28/18
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 25.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 105/18