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BGH - Entscheidung vom 25.06.2019

X ZR 166/18

Normen:
BGB a.F. § 651c Abs. 1
ZPO § 293
BGB a.F. § 651c Abs. 1
ZPO § 293
ZPO § 293
BGB a.F. § 651c Abs. 1
Rom-II-VO Art. 4 Abs. 2
Rom-II-VO Art. 23

Fundstellen:
MDR 2019, 1303
NJW 2019, 3374

BGH, Urteil vom 25.06.2019 - Aktenzeichen X ZR 166/18

DRsp Nr. 2019/14310

Richten der Einhaltung einer Sicherheitsvorschrift für ein Hotelzimmer durch den örtlichen Leistungsträger des Reiseveranstalters nach dem am Ort der Hotelanlage geltenden Recht; Unterliegen des Rechtsverhältnisses zwischen Reisendem und Reiseveranstalter dem deutschen Recht als Vertragsstatut oder Deliktsstatut; Ermittlung der insoweit relevanten ausländischen Sicherheitsvorschriften von Amts wegen durch das Gericht

a) Die Einhaltung einer Sicherheitsvorschrift für ein Hotelzimmer durch den örtlichen Leistungsträger des Reiseveranstalters richtet sich nach dem am Ort der Hotelanlage geltenden Recht, auch wenn das Rechtsverhältnis zwischen Reisendem und Reiseveranstalter deutschem Recht als Vertrags- oder Deliktsstatut unterliegt.b) Das Gericht hat die insoweit relevanten ausländischen Sicherheitsvorschriften nur dann nach § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, wenn der Reisende konkrete Handlungen oder Zustände darlegt, durch die eine solche Vorschrift verletzt worden sein soll.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 6. September 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 293 ; BGB a.F. § 651c Abs. 1 ; Rom-II-VO Art. 4 Abs. 2; Rom-II-VO Art. 23;

Tatbestand

Der Kläger macht gegen das beklagte Reiseunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche aufgrund eines Unfalls geltend, der sich im Rahmen einer bei der Beklagten gebuchten Pauschalreise ereignete.

Der Kläger buchte unter anderem für seine Lebensgefährtin, deren seinerzeit sieben Jahre alten Sohn und sich eine Flugpauschalreise nach Gran Canaria. Am Ankunftstag kam es zu einem Unfall des Kindes, als dieses vom Hotelzimmer auf den Balkon laufen wollte. Es übersah, dass die Balkonglastür noch geschlossen war, und lief dagegen. Die Scheibe zerbrach und das Kind erlitt Schnittverletzungen.

Die unter anderem auf Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz, Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Schmerzensgeld gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche für unbegründet angesehen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht darin, dass die Glasfläche der Balkontüre nicht hinreichend markiert gewesen sei. Die milchglasartige Krone im oberen Drittel der Scheibe sei zumindest in Kombination mit dem noch deutlicher erkennbaren kreisrunden blauen Punkt in deren unterer Hälfte auch für ein siebenjähriges Kind hinreichend erkennbar gewesen, obwohl sich der Punkt nicht auf Augenhöhe befunden habe.

Der Kläger habe auch nicht schlüssig dargetan, dass das spanische Recht Anforderungen an Glastüren in Hotelzimmern stelle, denen die zerbrochene Scheibe nicht genügt habe. Das Gericht müsse nicht von Amts wegen prüfen, ob es eine derartige Rechtsvorschrift gebe. § 293 ZPO sei nicht anwendbar, weil der Streitfall allein nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Ob die Glastür den Bauvorschriften in Spanien entsprochen habe, sei eine vorgelagerte Tatsachenfrage, die der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe. Jedenfalls sei der von ihm pauschal geltend gemachte, unter Sachverständigenbeweis gestellte Verstoß gegen örtliche Sicherheitsvorschriften eine unzulässige Behauptung "ins Blaue hinein" bzw. ein unbeachtlicher Ausforschungsbeweis.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Ansprüche aus § 651d Abs. 1 oder § 651f Abs. 1 BGB aF nicht verneint werden.

a) Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ist deutsches Recht anwendbar (Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO (VO (EG) Nr. 593/2008)). Maßgeblich sind noch die Vorschriften des Reisevertragsrechts in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung (Art. 229 § 42 EGBGB ; nachfolgend: BGB aF).

b) Der Reiseveranstalter ist gemäß § 651c Abs. 1 BGB aF verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften aufweist und nicht mit Fehlern behaftet ist, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder vertraglich vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Reisemangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, die die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, sofern dies den Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt. Der Reiseveranstalter hat unabhängig von einem Verschulden für den Erfolg und die Fehlerfreiheit der Gesamtheit der Reiseleistungen einzustehen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2016 - X ZR 117/15, NJW 2017, 958 = RRa 2017, 65 Rn. 6 mwN). Beeinträchtigungen aufgrund von Sicherheitsdefiziten in seinem Verantwortungsbereich, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, stellen daher ungeachtet ihrer Ursache einen Reisemangel dar (BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - X ZR 87/06, NJW 2007, 2549 = RRa 2007, 215 Rn. 20 mwN).

Allerdings muss der Reiseveranstalter nicht gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Abwehrmaßnahmen treffen. Er schuldet nur solche Vorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die ihm (bzw. dem örtlichen Leistungsträger) den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 9. Juni 2009 - Xa ZR 99/06, NJW 2009, 2811 = RRa 2009, 252 Rn. 25). Dazu kann die Einhaltung von Bau- oder Sicherheitsvorschriften bzw. deren Überprüfung gehören.

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist es vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Markierung der Scheibe nicht als unzureichend angesehen hat. Die diesbezügliche tatrichterliche Würdigung weist keinen Rechtsfehler auf.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Balkontür durch die Kombination der beiden Aufkleber auch für ein Kind im Alter des Sohnes der Lebensgefährtin des Klägers ausreichend deutlich erkennbar.

Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nur darauf zu überprüfen, ob das Tatgericht den Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt hat (BGH, RRa 2007, 215 Rn. 21 mwN). Insofern hält sie den Angriffen der Revision stand.

Mit ihrem Einwand, die milchglasartige Krone im oberen Bereich der Glasscheibe sei schon deshalb ungeeignet gewesen, weil sie nicht im Sichtbereich des Kindes gelegen habe, setzt sich die Revision in unzulässiger Weise in Widerspruch zur tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts. Nach dessen Einschätzung hat die Krone jedenfalls zusammen mit dem Punkt ausgereicht, um auch ein siebenjähriges Kind wie den Sohn der Lebensgefährtin des Klägers dafür zu sensibilisieren, dass die Tür aus Glas besteht. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Von daher ist unerheblich, ob ein mehrere Zentimeter breiter vertikaler Streifen in der Mitte der Glastür noch deutlicher erkennbar gewesen wäre.

Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen, die kleine Krone im oberen Drittel der Glasscheibe hätte zur Kennzeichnung genügt. Das Berufungsgericht hat zwar erkennen lassen, dass es dieser Auffassung zuneigt. Die angefochtene Entscheidung beruht aber nicht auf dieser Erwägung, sondern auf der rechtsfehlerfrei getroffenen Einschätzung, dass jedenfalls die Kombination der beiden Markierungen ausreichend war.

d) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine Haftung wegen Verletzung von Bau- und Sicherheitsvorschriften als ausgeschlossen angesehen.

aa) Im Streitfall richtet sich die Frage, ob die Glasscheibe der Balkontüre, die infolge des Aufpralls durch das Kind zerbrochen ist, den Bau- und Sicherheitsvorschriften entsprochen hat, nach dem in Gran Canaria als dem Ort der Hotelanlage geltenden Recht. Denn auch ohne gesonderte Vereinbarung darf der Reisende erwarten, dass die am Ort der Hotelanlage geltenden Sicherheitsvorschriften als Mindeststandard eingehalten werden (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Dritten Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 18/10822, S. 78; Staudinger/Kaiser, BGB (2016), § 651f Rn. 88 mwN; Staudinger/Fricke, jurisPR-IWR 3/2019, Anm. 2 Buchst. C).

bb) Umstände im Vorbringen des Klägers, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte darüber hinausgehende Sicherheitsvorkehrungen hinsichtlich der Beschaffenheit des Glases treffen musste, etwa unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Zugänglichkeit (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. April 1967 - III ZR 2/65, VersR 1967, 714 für öffentliche Schulen; Urteil vom 21. Februar 1978 - VI ZR 202/76, VersR 1978, 561 für öffentliche Schwimmbäder) oder einer Bewerbung der Anlage als kindgerecht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2006 - X ZR 44/04, NJW 2006, 2918 = RRa 2006, 210 Rn. 6), werden von der Revision nicht aufgezeigt.

cc) Der Kläger hat einen Verstoß gegen die einschlägigen spanischen Vorschriften hinreichend substantiiert dargelegt.

(1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Kläger auch nach einem entsprechenden Hinweis im Urteil des Landgerichts nicht gehalten, eine Vorschrift des spanischen Rechts oder eine in Spanien anwendbare Vorschrift des Unionsrechts zu benennen, aus der sich ergibt, dass Glastüren in Hotelzimmern bestimmten Anforderungen hinsichtlich ihrer Bruchfestigkeit genügen müssen.

(a) Für Unionsrecht gilt dies schon deshalb, weil die Gerichte der Mitgliedstaaten zu dessen Anwendung in gleicher Weise aufgerufen sind wie zur Anwendung innerstaatlichen Rechts (vgl. etwa MünchKomm./Prütting, ZPO , 5. Aufl. (2016), § 293 Rn. 9; Zöller/Greger, ZPO , 32. Aufl. (2018), § 293 Rn. 1).

(b) Bei der Anwendung ausländischen Rechts ist das Gericht zwar nach § 293 ZPO auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt und kann sich deshalb für dessen Ermittlung auch anderer Erkenntnisquellen, insbesondere sachverständiger Hilfe bedienen und das hierzu Erforderliche anordnen. Das entbindet das Gericht aber grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, die für die Entscheidung des Falles erheblichen Vorschriften des anwendbaren ausländischen Rechts von Amts wegen zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - I ZB 13/15, NJW-RR 2017, 313 Rn. 66; Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZB 166/15, NZG 2017, 546 Rn. 7).

Eine Partei kann zwar zur Mitwirkung gehalten sein, wenn sie das ausländische Recht kennt oder zu den Erkenntnisquellen der ausländischen Rechtsordnung unschwer Zugang hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Juni 1992 - IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 , 319 = NJW 1992, 3096 , 3098 unter III 2 c). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts aber nicht entnehmen.

(2) Die gerichtliche Ermittlungspflicht bezieht sich auch im Anwendungsbereich des § 293 ZPO nur auf Rechtsfragen und nicht auf entscheidungserhebliche Tatsachen. Für diese gelten die allgemeinen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 8; Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 170/18 Rn. 9 mwN). Deshalb ist es, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, nicht ausreichend, wenn eine Partei lediglich allgemein vorträgt, ein eingetretener Schaden beruhe auf der Verletzung ausländischer Sicherheitsvorschriften. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung konkreter Handlungen oder Zustände, durch die eine ausländische Sicherheitsvorschrift verletzt worden sein soll.

(3) Unerheblich ist deshalb die bloße Bezugnahme des Klägers auf die im Juli 2013 vollständig in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die darin normierten CE-Kennzeichnungs- bzw. Überwachungspflichten, denen grundsätzlich nur Hersteller, Importeure und Händler unterliegen (vgl. Art. 11 ff. der Verordnung), zugleich einen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten eines Reiseveranstalters begründen kann. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ist das von der Revision aufgezeigte Vorbringen des Klägers insoweit ungenügend, weil es nicht erkennen lässt, welche konkreten Umstände einen Verstoß gegen die Regelungen der Verordnung begründen sollen.

(4) Unzureichend ist auch das Vorbringen des Klägers, bei der Errichtung eines Gebäudes oder bei der Anbringung einer gläsernen Balkontür seien die maßgeblichen Bauvorschriften verletzt worden.

Bei Baumaßnahmen der genannten Art ist typischerweise eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorschriften einzuhalten, die verschiedene technische Aspekte betreffen. Deshalb bedarf es näherer Angaben dazu, auf welchen dieser Aspekte sich das Vorbringen des Klägers bezieht.

(5) Hinreichend substantiiert ist aber der im Berufungsurteil wiedergegebene Vortrag des Klägers, eine Glastür für einen Balkon habe nach den anwendbaren Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein müssen, dass sie einen Anprall eines siebenjährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhalte.

Damit ist ein Sachverhalt vorgebracht, der einer rechtlichen Subsumtion unmittelbar zugänglich ist. Der Vortrag bezieht sich auf eine konkrete Eigenschaft der Balkontür, nämlich deren Stabilität in einer bestimmten Aufprallsituation, und ermöglicht dem Gericht die Prüfung der Frage, ob eine Tür, die diesen Vorgaben nicht genügt, den in Gran Canaria geltenden Sicherheitsbestimmungen für Hotels entspricht.

Angesichts dessen kann das Vorbringen des Klägers auch nicht mit der Begründung als unzulässig angesehen werden, der Kläger vermute lediglich, dass die Qualität des Glases ausländischen Sicherheitsvorschriften nicht entsprochen habe. Wie bereits dargelegt wurde, braucht eine Partei die für die Beurteilung maßgeblichen ausländischen Rechtsvorschriften nicht von sich aus zu ermitteln. Dass der Kläger über entsprechende Kenntnisse des spanischen Rechts verfügt, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

(6) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger auch nicht gehalten vorzutragen, wann die zerbrochene Glasscheibe eingebaut wurde.

Diese Frage ist allenfalls dann entscheidungserheblich, wenn sich das maßgebliche spanische Recht innerhalb des in Betracht kommenden Zeitraums geändert hat. Dies wiederum kann erst dann beurteilt werden, wenn das Gericht die einschlägigen Vorschriften ermittelt hat. Die Ermittlungspflicht bezieht sich auch auf den Geltungszeitraum der jeweiligen Norm (BAG, Urteil vom 21. März 2018 - 5 AZR 4/17 Rn. 17; Bacher in BeckOK ZPO , 33. Edition, § 293 Rn. 18.1).

dd) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann die Frage nach einer Verletzung des spanischen Baurechts auch nicht deshalb dahinstehen, weil die Glasbalkontür ausreichend kenntlich gemacht worden war.

Gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Stabilität einer Glasscheibe dienen dem Schutz vor Verletzungen, insbesondere durch Scherben oder Splitter. Ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift kann nicht durch Markierungen kompensiert werden, mit denen verhindert werden soll, dass eine Glastür wegen der Transparenz des Glases nicht übersehen wird (vgl. auch Staudinger/Fricke, jurisPR-IWR 3/2019, Anm. 2). Markierungen dienen grundsätzlich nur dem Zweck, auf eine trotz Einhaltung der einschlägigen Vorschriften verbleibende Gefahr aufmerksam zu machen. Die Gefahr, die daraus resultiert, dass die Glasscheibe nicht die rechtlich vorgeschriebene Stabilität aufweist, kann sich auch bei einer nicht zu beanstandenden Markierung realisieren, etwa dann, wenn eine Person unwillentlich gegen die Scheibe stößt, weil sie stolpert.

2. Deliktische Ansprüche lassen sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneinen.

a) Auch insoweit gilt deutsches Recht, weil die Beklagte und die geschädigten Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in der Bundesrepublik Deutschland hatten (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Rom-II-VO).

b) Danach gehört es zur Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters, sich bei seinem örtlichen Leistungsträger zu erkundigen, ob bei einer Hotelanlage, in der die Reiseleistung erbracht werden soll, alle maßgeblichen baulichen Sicherheitsvorschriften eingehalten worden sind.

Das folgt aus der Pflicht des Reiseveranstalters, alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise zu unternehmen und alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um eine Schädigung der Reisenden durch von der Hotelanlage ausgehende Gefahren möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 18. Juli 2006 - X ZR 142/05, NJW 2006, 3268 = RRa 2006, 206, 208 f.). Wie der Senat schon entschieden hat, muss der Veranstalter jedenfalls bei seinem Leistungsträger nachfragen, ob die baulichen Anlagen von der zuständigen Behörde genehmigt und abgenommen worden sind (RRa 2006, 206, 209; siehe auch Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188 = RRa 2000, 85, 89).

c) Dass die Beklagte dieser Mindestanforderung genügt hat, ist nicht festgestellt und hängt ebenfalls davon ab, ob die Glasscheibe den örtlichen Bauvorschriften entsprochen hat.

3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als zutreffend. Anhand der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob die Klage losgelöst von einem Verstoß gegen spanische Bauvorschriften jedenfalls teilweise unbegründet ist.

Soweit vertragliche Ansprüche auf Schadensersatz, angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Schmerzensgeld ein Verschulden voraussetzen, wird dieses gesetzlich vermutet (§ 651f Abs. 1 BGB aF, vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 118/03, BGHZ 161, 389 , 392 = RRa 2005, 57, 58). Der Reiseveranstalter muss sich zudem das (ebenfalls zu vermutende) Verschulden seines örtlichen Leistungsträgers gemäß § 278 BGB zurechnen lassen (BGHZ 161, 389 , 392; Urteil vom 19. Juni 2007 - X ZR 61/06, NJW-RR 2007, 1501 = RRa 2007, 221 Rn. 23). Für die geforderte Rückzahlung des Reisepreises kommt es auf ein Verschulden des Reiseveranstalters ohnehin nicht an (§ 651d Abs. 1 i.V.m. § 638 Abs. 3 und Abs. 4 BGB aF; siehe auch BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - X ZR 15/11, NJW 2013, 3170 = RRa 2013, 218 Rn. 17).

III. Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dieses wird im weiteren Verfahren zu klären haben, ob das nicht bruchsichere Glas der Hotelbalkontür gegen örtliche Bauvorschriften verstoßen hat.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Juni 2019

Vorinstanz: LG Hannover, vom 08.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 49/17
Vorinstanz: OLG Celle, vom 06.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 11 U 42/18
Fundstellen
MDR 2019, 1303
NJW 2019, 3374