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BGH - Entscheidung vom 27.03.2019

1 StR 36/19

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4

BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - Aktenzeichen 1 StR 36/19

DRsp Nr. 2019/7459

Revisonsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen tateinheitlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Erfüllung des Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln als Mittäter

Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, allerdings genügt das bloße Interesse am Gelingen des Einfuhrvorgangs nicht, eine Mittäterschaft zu begründen, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat. Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann nicht Mittäter der Einfuhr sein.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 27. September 2018 aufgehoben; die Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten.

2.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 4 ; BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hierauf wurde die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:2 angerechnet. Die Einziehung des Wertes erlangter Taterträge in Höhe von 12.850 Euro wurde angeordnet.

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO ); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Schuldspruch des Landgerichts hält insgesamt rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte neben Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch wegen tateinheitlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verurteilt worden ist.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Zeuge P. als Heroinverkäufer in R. tätig und bezog das an seine Abnehmer zu verkaufende Heroin im Zeitraum von Dezember 2009 bis Juli 2010 in 14 Einzelfällen nach vorangegangener telefonischer Bestellung vom Angeklagten aus Bosnien-Herzegowina in einer Menge zwischen 10 und 100 Gramm pro Lieferung. Hierzu wurde das Heroin jeweils vom Angeklagten von Bosnien-Herzegowina aus auf den Weg nach Deutschland gebracht. Das Heroin gelangte auf unbekanntem Weg ins Bundesgebiet, entweder per Post oder über nicht näher bekannte Transporteure, die das Heroin entsprechend den Weisungen des Angeklagten nach R. brachten und dort an P. übergaben. Der Angeklagte führte und lenkte seine eigennützigen und für ihn Gewinn bringenden Heroingeschäfte mit P. ausschließlich von Bosnien-Herzegowina aus.

b) Eine Verurteilung des Angeklagten wegen (mit-)täterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.

aa) Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen aber die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. September 2018 - 4 StR 191/18, NStZ 2019, 96 ; vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18; vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, StV 2015, 632 und vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2016 - 1 StR 232/16, juris Rn. 14). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 - 1 StR 161/16, StV 2017, 285 , 286). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann nicht Mittäter der Einfuhr sein (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 3 StR 470/11, StraFo 2012, 158 ).

bb) Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Bestand haben. Die Feststellungen des Landgerichts lassen in allen Fällen nicht erkennen, welchen konkreten Einfluss er jeweils auf den Einfuhrvorgang hatte. Der Angeklagte befand sich bei allen Taten ausschließlich in Bosnien-Herzegowina (UA S. 7). Welche Tatbeiträge er zur Versendung der Drogen oder zur Beauftragung der Kuriere erbrachte, ob ihm ein Einfluss auf die Zeit, den Weg und die Art des Transports zukam sowie ob und wann er hierfür finanzielle Aufwendungen tätigte, bleibt völlig offen. Die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts zur Einfuhr beschränken sich letztlich darauf, dass der Angeklagte ein erhebliches eigenes Interesse an der erfolgreichen Einfuhr von Betäubungsmitteln gehabt hat. Dies allein vermag die rechtliche Einordnung des Handelns des Angeklagten als mittäterschaftliche Einfuhr nicht zu rechtfertigen.

c) Soweit der Schuldspruch wegen der Einfuhrdelikte keinen Bestand hat, müssen auch die - für sich betrachtet rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfallen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 - 1 StR 232/16, juris Rn. 18 und vom 21. Juli 2015 - 1 StR 16/15, NStZ 2016, 339 , 340).

d) Die Aufhebung der Schuldsprüche führt auch zur Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen einschließlich der daraus gebildeten Gesamtstrafe. Auch die Einziehungsentscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben.

2. Die den aufgehobenen Schuldsprüchen jeweils zu Grunde liegenden Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler aber nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO ). Ergänzende Feststellungen - insbesondere zum Transport des Rauschgifts über die Grenze und des Einflusses des Angeklagten hierauf - kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Vorinstanz: LG Ravensburg, vom 27.09.2018