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BGH - Entscheidung vom 22.08.2019

1 StR 194/19

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StGB 224 Abs. 1 Hs. 2

BGH, Beschluss vom 22.08.2019 - Aktenzeichen 1 StR 194/19

DRsp Nr. 2019/15890

Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. November 2018, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB 224 Abs. 1 Hs. 2;

Gründe

Das Landgericht (Schwurgericht) hat den Angeklagten P. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Schuldspruch wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ) ist frei von Rechtsfehlern. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) hat ebenfalls Bestand; das sachverständig beratene Landgericht hat für den Angeklagten tragfähig das Vorliegen eines Hangs, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, verneint.

2. Dagegen hält der den Angeklagten betreffende Strafausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat sowohl bei der Verneinung eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 , 2. Halbsatz StGB ) als auch - über eine Verweisung auf die hierfür vorgenommene Gesamtwürdigung - bei der Strafzumessung im engeren Sinne die erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt; eine solche ist indes nicht tragfähig belegt.

Als Gründe für die Annahme einer erheblichen kriminellen Energie hat das Landgericht ein brutales Vorgehen des Angeklagten mit einer Vielzahl von Schlägen auf ein zunächst stehendes und dann am Boden liegendes - alkoholbedingt - geschwächtes Opfer angeführt (UA S. 69). Es hat dabei aber versäumt, diese Umstände in Beziehung zu der geistig-seelischen Verfassung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Oktober 1984 - 1 StR 554/84 Rn. 5) des Angeklagten zu setzen. Dies stellt einen Wertungsfehler dar.

Nach den Feststellungen war der Angeklagte gemeinsam mit dem Mitangeklagten D. gegen den Geschädigten vorgegangen, um diesen abzustrafen, nachdem der Angeklagte aus einiger Entfernung beobachtet hatte, dass seine Lebensgefährtin vom erkennbar erheblich alkoholisierten Geschädigten sexuell provoziert worden war und sie dies mit Schlägen und Kniestößen in die Genitalien des Geschädigten beantwortet hatte. Zwar hat das Landgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sowohl ein Handeln aus Notwehr (Nothilfe) gemäß § 32 StGB (UA S. 59) als auch eine alkohol- oder affektbedingte erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten (UA S. 50 ff.) als auch eine Tatprovokation im Sinne von § 213 Alternative 1 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 - 5 StR 213/95 Rn. 7) verneint (UA S. 68). Es durfte gleichwohl nicht von einer "erheblichen kriminellen Energie" des Angeklagten ausgehen, ohne die Tat in Beziehung zum Vorgeschehen und zu der sich hieraus ergebenden geistig-seelischen Verfassung des Angeklagten zu setzen. Nach der Wertung des Landgerichts handelte es sich um eine "Spontantat" (UA S. 69) des alkoholbedingt enthemmten Angeklagten, dessen Lebensgefährtin zuvor vom Geschädigten sexuell provoziert worden war. Es genügt nicht, dass das Landgericht diese Umstände an anderer Stelle isoliert "zugunsten" des Angeklagten berücksichtigt und den Geschädigten bereits durch dessen Lebensgefährtin als "massiv abgestraft" angesehen hat.

Auch bei der Bewertung der "mit Händen und Fäusten" ausgeführten Schläge des Angeklagten (UA S. 21) als "brutales Vorgehen" (UA S. 69) hätte das Landgericht das Vorgeschehen, das den erheblich alkoholisierten Angeklagten spontan zu der Tat veranlasst hatte, in den Blick nehmen müssen; die Fußtritte des Mitangeklagten D. mit einem Sicherheitsschuh gegen den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten hat das Landgericht als Exzess allein dem Mitangeklagten zugerechnet (UA S. 58).

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht die Strafe ohne den Wertungsfehler niedriger bemessen hätte (§ 337 Abs. 1 StPO ), und hebt deshalb den Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO ). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.

Vorinstanz: LG München I, vom 26.11.2018