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BGH - Entscheidung vom 26.09.2019

4 StR 133/19

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 29a Abs. 1
BtMG § 29a Abs. 2

BGH, Beschluss vom 26.09.2019 - Aktenzeichen 4 StR 133/19

DRsp Nr. 2019/15979

Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen; Anwendung eines Strafrahmens in Höhe von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe; Bestimmung der Strafrahmenobergrenze

Der Umstand, dass gehandelte Drogen zum großen Teil oder vollständig in den Verkehr geraten, gehört zu den regelmäßigen Umständen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, und das Fehlen eines besonderen Strafmilderungsgrundes - wie das Nichterreichen des Drogenmarkts - darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 13. November 2018

a)

im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

b)

im Ausspruch über die Einziehung dahin berichtigt, dass der Wert von Taterträgen in Höhe von 640 Euro eingezogen wird.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; BtMG § 29a Abs. 1 ; BtMG § 29a Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 880 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die unausgeführt gebliebene Verfahrensbeanstandung ist nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise erhoben worden und daher unzulässig. Hingegen hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuldausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat in beiden Fällen einen Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zur Anwendung gebracht. Zwar sei jeweils ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG gegeben, jedoch liege bezüglich des tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kein minder schwerer Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG vor, weshalb sich sowohl die Unter- als auch die Obergrenze des anzuwendenden Strafrahmens aus der Vorschrift des § 29a Abs. 1 BtMG ergebe.

b) Diese Strafrahmenwahl erweist sich in zweierlei Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

aa) Zum einen hält die Begründung, mit der das Landgericht im Fall 1 das Vorliegen eines minder schweren Falls des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt hat, rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn die Strafkammer hat zu Ungunsten des Angeklagten in Ansatz gebracht, dass die Betäubungsmittel vollständig in den Verkehr gelangten. Dass gehandelte Drogen zum großen Teil oder vollständig in den Verkehr geraten, gehört jedoch zu den regelmäßigen Umständen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, und das Fehlen eines besonderen Strafmilderungsgrundes - wie das Nichterreichen des Drogenmarkts - darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1993 - 2 StR 47/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 5; Oglakcioglu in MüKo- StGB , 3. Aufl., § 29 BtMG Rn. 621; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 8. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 113).

bb) Zum anderen ist die Strafkammer in beiden Fällen von einer unzutreffenden Strafrahmenobergrenze ausgegangen. Ihre Annahme, dass die Vorschrift des § 29a Abs. 1 BtMG in Fällen, in denen - wie hier - zwar ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG , jedoch kein minder schwerer Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG vorliegt, auch hinsichtlich der Obergrenze des Strafrahmens eine Sperrwirkung entfalte, trifft nicht zu. Vielmehr bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in diesen Fällen die Strafrahmenobergrenze nach der - für den Schuldspruch maßgeblichen - Vorschrift des § 30a BtMG (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 StR 303/13, NStZ-RR 2014, 82 ; Beschlüsse vom 7. November 2017 - 1 StR 515/17, StV 2018, 512 , 513; vom 14. August 2013 - 2 StR 144/13, NStZ-RR 2014,180; vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98 , 99; anders - nicht tragend - BGH, Urteil vom 7. September 2017 - 3 StR 278/17, NStZ-RR 2017, 377 ; Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164 ).

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl bei Bemessung der beiden Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

Da es sich vorliegend lediglich um Wertungsfehler handelt, können die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bereits getroffenen nicht in Widerspruch stehen dürfen, sind möglich.

3. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand. Das Landgericht hat in Höhe eines Betrages von 880 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB angeordnet und dabei versehentlich - wie bei Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe aufgefallen ist (UA S. 22) - außer Acht gelassen, dass der Angeklagte tatsächlich nur einen Betrag von 640 Euro erlangte, so dass lediglich in dieser Höhe die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen war. Der Senat hat die Einziehungsentscheidung entsprechend berichtigt.

Vorinstanz: LG Hagen, vom 13.11.2018