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BGH - Entscheidung vom 23.01.2019

1 StR 450/18

Normen:
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 27

Fundstellen:
StV 2019, 821
wistra 2019, 243

BGH, Beschluss vom 23.01.2019 - Aktenzeichen 1 StR 450/18

DRsp Nr. 2019/6072

Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO , § 27 StGB ; Hinterziehung von Biersteuer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union; Zur-Verfügung-Stellen eines Steuerlagers zur Verschleierung des Lieferweges des Bieres

Als strafbare Beihilfe ist jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein. Beihilfe kann zwischen Versuchsbeginn und Vollendung und auch bereits während des Vorbereitungsstadiums geleistet werden, nicht aber nach materieller Beendigung der Haupttat.

Tenor

1.

Auf die Revisionen der Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Februar 2018, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 27 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Beihilfe zu sechs Fällen der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen und den Angeklagten H. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten Ha. hat es zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus sind gegen die Angeklagten und die Einziehungsbeteiligte Einziehungsentscheidungen ergangen. Der nicht revidierende Angeklagte S. wurde wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt und im Übrigen freigesprochen.

Der Angeklagte H. beanstandet mit der Verfahrensrüge, dass Anklagesatz und Eröffnungsbeschluss der gesetzlichen Informations- und Begrenzungsfunktion nicht genügten und erhebt die nicht ausgeführte Sachrüge. Der Angeklagte Ha. wendet sich gegen die Verurteilung mit der ausgeführten Sachrüge. Die Einziehungsbeteiligte rügt eine Verletzung materiellen Rechts durch die Einziehungsentscheidung.

Die Revisionen haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4StPO).

I.

Nach den Feststellungen und Wertungen der Strafkammer beschloss der Angeklagte H. im Jahr 2015, die F. GmbH (nachfolgend: F. ) zu nutzen, um in N. ein Steuerlager für Bier anzumelden, dann dessen Betrieb vorzutäuschen und dadurch anderen unbekannten Personen die Hinterziehung von Biersteuer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu ermöglichen. Die von dem Angeklagten Ha. beantragte Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers wurde am 11. August 2015 erteilt und Bier, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum bereits im Jahr 2013 abgelaufen war, in das Steuerlager aufgenommen. Dieser Bestand wurde nicht mehr verändert. Die Angeklagten stellten der französischen Firma A. D. (nachfolgend: A. ) die F. als Empfangsadresse für fingierte Bierlieferungen zur Verfügung.

Die Geschäftsführerin der A. gab für die A. sechs Steuererklärungen für Januar 2016 bis Juni 2016 über aus ihrem Steuerlager entnommenes Bier an die französische Finanzverwaltung ab, ohne darin die Biermengen auszuweisen, die im EDV-gestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung innerhalb der Europäischen Union (E. S. ; nachfolgend: E. ) als an die F. geliefert gemeldet worden waren.

Die angeblichen Bierlieferungen aus dem Steuerlager der A. wurden von nicht bekannten Personen an einem unbekannten Ort durch Eröffnung elektronischer Verwaltungsdokumente (nachfolgend: eVD) in das E. eingebucht, der angebliche Eingang des Bieres in das Steuerlager der F. bestätigt und das eVD geschlossen. Tatsächlich erfolgten keine Lieferungen dieses Bieres an F. . Ob A. das Bier tatsächlich an einen nicht bekannten Empfänger versandt hatte und an welchen Ort das Bier letztlich geliefert worden ist, ließ sich nicht feststellen (UA S. 10, 50 f.).

Auf der Grundlage der in den eVD von unbekannten Personen eingetragenen Daten gab der Angeklagte Ha. für die F. Steuererklärungen ab, in denen er für das angeblich an F. gelieferte und dort aus dem Steuerlager entnommene Bier die deutsche Biersteuer berechnete und deren Entrichtung an den deutschen Fiskus veranlasste. Der A. stellte er die gezahlte Biersteuer in Rechnung, schlug eine Logistikpauschale auf und übergab die Rechnungen an den Angeklagten H. , der von unbekannten Personen hierfür Bargeld in Höhe von insgesamt mindestens 3.187.510,01 € erhielt und auf das Konto der F. einzahlte. 1.531,63 € hieraus gingen an den Angeklagten Ha. , 6.000 € an den Angeklagten H. .

Die Strafkammer war überzeugt davon, dass das im E. als Lieferungen der A. an F. angemeldete Bier tatsächlich im System der Steueraussetzung vorhanden war und nur dessen Lieferweg verschleiert wurde (UA S. 53). Nicht feststellen konnte die Strafkammer, ob sich das Bier tatsächlich bei A. befunden hatte und aus deren Steuerlager entnommen worden oder aber bereits zuvor abhandengekommen war (UA S. 53) und A. ebenfalls ein Steuerlager fingiert hatte. Dass das in den eVD ausgewiesene Bier tatsächlich existiert und sich in einem Verfahren der Steueraussetzung befunden hatte und aus diesem entnommen worden ist, hat die Strafkammer in ihrer Beweiswürdigung belegt. Wann und wo es einem Steuerlager entnommen worden ist und wer tatsächlich der Empfänger des Bieres war, konnte sie jedoch nicht feststellen.

Nach Auffassung der Strafkammer waren die französischen Steuererklärungen unrichtig und führten mit Unterstützung der Verantwortlichen der A. zu einer Verkürzung der französischen Biersteuer in Höhe von 14.128.361,21 €, weil das zum Schein von A. an F. gelieferte Bier tatsächlich aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden war und deshalb im jeweiligen Monat der Entnahme hätte angegeben werden müssen.

II.

Hinsichtlich der von dem Angeklagten H. erhobenen Verfahrensrüge, mit der er tatsächlich ein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis behauptet, wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.

III.

Die Sachrügen der Angeklagten sind begründet. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO , § 27 StGB nicht, weil die Strafkammer nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies gilt auch für die Haupttat und die hierzu geleistete Beihilfe.

Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB ). Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, wistra 2017, 390 Rn. 22 mwN). Beihilfe kann zwischen Versuchsbeginn und Vollendung und auch bereits während des Vorbereitungsstadiums geleistet werden, nicht aber nach materieller Beendigung der Haupttat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. August 2013 - 3 StR 226/13 Rn. 4 mwN und vom 27. November 2012 - 3 StR 433/12 Rn. 5).

Die Haupttat muss daher in den Urteilsgründen hinreichend genau, vor allem auch hinsichtlich der Tatzeit, festgestellt sein. Daran fehlt es.

Die Strafkammer hat festgestellt, dass das in den eVD bezeichnete und tatsächlich existierende Bier aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden ist (UA S. 40). Eine Einlagerung und Entnahme bei A. könne gleichwohl nicht nachgewiesen werden, weil das Bier bereits zuvor andernorts "abhandengekommen" (UA S. 53), also aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden sein könnte. Die Strafkammer geht dabei rechtsfehlerhaft davon aus, dass es für das Entstehen der französischen Verbrauchsteuern unerheblich ist, ob sich das Bier vor Beginn der angeblichen Beförderung zum Steuerlager der F. tatsächlich im Steuerlager der A. oder andernorts befunden hat. Sie lässt offen, ob das in den eVD bezeichnete Bier überhaupt jemals bei A. war und wenn ja, wann es dort entnommen und an welchen Bestimmungsort es geliefert wurde. Da sie nicht aufklären konnte, wo und wann das Bier tatsächlich entnommen wurde, ist auch nicht festgestellt, wann und wo die Steuerpflicht im Sinne von Art. 7 Abs. 2a, Art. 10 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates über das allgemeine Verbrauchsteuersystem vom 16. Dezember 2008 entstanden ist. Es ist nicht einmal belegt, dass sich das Bier tatsächlich jemals in Frankreich befunden hat; denn es kann auch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden sein und A. nur als fiktive Empfängerin innerhalb einer fingierten Lieferkette fungiert haben.

Zudem ist die Strafkammer davon ausgegangen, der Zeitpunkt der Entnahme des Bieres korrespondiere mit dem der fiktiven Lieferungen an die F. und die Entnahmen seien deshalb jeweils in den Monaten zu versteuern gewesen, in denen die Lieferungen gemäß den eVD erfolgt waren. Dies ist aber nicht mit einem Beweis unterlegt.

War das Bier nie im Steuerlager der A. und wurde es deshalb dort nicht entnommen oder war es zwar dort, wurde aber nicht zu den von der Strafkammer angenommenen Tatzeiten entnommen, wären die von der Geschäftsführerin der A. abgegebenen Steuererklärungen richtig gewesen und es würde an einer durch die Verantwortlichen der A. begangenen Haupttat fehlen.

Zwar ergeben die Feststellungen, dass jedenfalls an einer nicht bekannten Stelle des Lieferweges eine Hinterziehung der Verbrauchsteuern in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union für das fiktiv an F. gelieferte Bier erfolgt ist. Dies ergibt sich aus der zutreffenden Erwägung der Strafkammer, eine fiktive Entnahme durch die Erstellung der eVD mache nur dann Sinn, wenn die Beteiligten die Möglichkeit haben, real existierendes Bier unversteuert aus dem Verfahren der Steueraussetzung zu entnehmen und gewinnbringend zu veräußern (UA S. 53).

Jedoch kann die Strafbarkeit nicht mit der Überlegung begründet werden, dass die Entnahme zu irgendeinem Zeitpunkt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stattgefunden haben muss und das Bier dort von der es aus dem Verfahren der Steueraussetzung tatsächlich entnehmenden Person am Ort ihres Sitzes in die Steuererklärungen hätte aufgenommen werden müssen, weshalb es keiner Feststellung der näheren Einzelheiten der Haupttat bedurft hätte.

Zwar trifft es zu, dass das Zur-Verfügung-Stellen des Steuerlagers der F. durch die Angeklagten zur Verschleierung des Lieferweges des Bieres eine vorsätzliche Förderung der Hinterziehung der auf dieses Bier entfallenden Verbrauchsteuern darstellen kann, gleichgültig an welcher Stelle des Lieferweges das Bier unversteuert aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen wurde. Ausgehend von den Feststellungen des Landgerichts steht jedoch nicht fest, wann diese dem System des Bierschmuggels immanente Haupttat begangen worden ist. Für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe ist aber der Zeitpunkt der Begehung der Haupttat von entscheidender Bedeutung, da Beihilfe nur solange möglich ist, bis die Haupttat beendet worden ist. Es ist hier nicht auszuschließen, dass die an einer nicht bekannten Stelle im Rahmen des Lieferweges begangene Haupttat bereits vor der von den Angeklagten geleisteten Unterstützung beendet war.

Die Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten entzieht zugleich den gegen sie getroffenen Entscheidungen über die Einziehung die Grundlage.

IV.

Die Revision der gemäß § 424 StPO am Strafverfahren beteiligten F. (Einziehungsbeteiligte), mit der sie sich gegen die Anordnung der Einziehung von Wertersatz in Höhe von 3.187.510,00 € wendet, hat ebenfalls Erfolg. Die Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten entzieht zugleich der sie treffenden Einziehungsanordnung die Grundlage.

Zwar unterliegt der Schuldspruch auf die Revision der Einziehungsbeteiligten gemäß § 431 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StPO in der Fassung vom 13. April 2017 nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung, weil die Einziehungsbeteiligte keine Einwendungen gegen den Schuldspruch vorgebracht hat und die Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO abgelaufen ist. Jedoch ist § 357 StPO auf Einziehungsbeteiligte analog anzuwenden, die zwar Revision gegen die Anordnung der Einziehung eingelegt haben, aber mit Einwendungen gegen den Schuldspruch ausgeschlossen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1966 - 1 StR 592/65, BGHSt 21, 66 , 69; Beschlüsse vom 22. Mai 1979 - 1 StR 650/78, NStZ 81, 295, 298, bei Pfeiffer und vom 29. Februar 2012 - 2 StR 639/11, wistra 2012, 264 Rn. 8; vgl. auch Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 32; SK-StPO/Wohlers, § 357 Rn. 42 mwN; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO , 61. Aufl., § 357 Rn. 2).

V.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Lässt sich nicht näher feststellen, zu welcher Haupttat die Angeklagten Beihilfe geleistet haben - vorausgesetzt sie sind nicht, soweit die Haupttat in Frankreich oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen wurde, ohnehin nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaates bereits Täter einer Steuerhinterziehung -, steht aber fest, dass die auf das Konto der F. einbezahlten Gelder aus der Katalogtat der Steuerhinterziehung (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB , § 370 Abs. 6 , 7 AO ) stammten, wird eine Strafbarkeit nach § 261 StGB zu prüfen sein (vgl. zur Nutzung von Konten durch Angeklagte, um die aus Katalogtaten stammenden Erlöse verfügbar zu haben, BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - 1 StR 595/15, NStZ 2017, 167 Rn. 22 ff.).

Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 28.02.2018
Fundstellen
StV 2019, 821
wistra 2019, 243