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BGH - Entscheidung vom 29.05.2019

I ZB 30/19

Normen:
ZPO § 707 Abs. 1 S. 1
ZPO § 1065 Abs. 2 S. 2

BGH, Beschluss vom 29.05.2019 - Aktenzeichen I ZB 30/19

DRsp Nr. 2019/8910

Rechtsbeschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs; Fehlende Begründung einer Rechtsbeschwerde; Prüfung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG

Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war.

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners, die Zwangsvollstreckung der Antragstellerin aus dem Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 2019 bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen Sicherheitsleistung einzustellen, wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 707 Abs. 1 S. 1; ZPO § 1065 Abs. 2 S. 2;

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt gegenüber dem Antragsgegner die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs vom 27. März 2017, durch den "die Personengesellschaft D. DO. INDUSTRIE- UND HANDELSVERTRETUNG mit Sitz in Deutschland [...], vertreten durch Do. I. D. " zur Zahlung von 86.347,17 € für gelieferte Waren sowie von 14.931,60 € für Kosten des Schiedsgerichts verurteilt worden ist. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattgegeben und diesen Beschluss für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Der Antragsgegner hat gegen die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs Rechtsbeschwerde eingelegt. Er hat ferner beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss gegen Sicherheitsleistung bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde einzustellen.

II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Wird gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs die Rechtsbeschwerde erhoben, so kann das Rechtsbeschwerdegericht nach § 1065 Abs. 2 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfindet.

2. Bei der Entscheidung über einen solchen Einstellungsantrag sind die widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger gegeneinander abzuwägen und dabei auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs summarisch zu prüfen. Nur wenn der Angriff gegen den Titel Aussicht auf Erfolg hat, kann dem Gläubiger zugemutet werden, mit der Vollstreckung zuzuwarten. Diese Prüfung setzt voraus, dass der Antragsteller die Gründe vorgebracht hat, die seiner Ansicht nach die Abänderung oder Aufhebung des Titels rechtfertigen. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1065 Abs. 2 Satz 2, § 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor Eingang der Rechtsmittelbegründung kommt im Regelfall nicht in Betracht. Bei der Interessenabwägung im Übrigen räumt das gesetzliche Leitbild grundsätzlich dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers den Vorrang ein; soll demgegenüber das Schutzinteresse des Schuldners überwiegen, bedarf es hierfür besonderer Gründe (BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - I ZB 73/18, juris Rn. 9 mwN).

3. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist danach abzulehnen. Der Antragsgegner hat seine Rechtsbeschwerde bislang nicht begründet. Aus dem Vortrag des Antragsgegners im Einstellungsantrag ergibt sich keine Erfolgsaussicht für seine Rechtsbeschwerde. Diese ist zwar von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ). Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts über einen Antrag betreffend die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (§ 1061 ZPO ) findet gemäß § 1025 Abs. 4 in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Der Antragsgegner hat aber nicht dargelegt, dass die Rechtsbeschwerde zulässig ist, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Senatsentscheidung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ).

a) Der Antragsgegner macht vergeblich geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil das Oberlandesgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) verletzt habe.

aa) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2017 - I ZB 92/17, SchiedsVZ 2018, 192 Rn. 5 mwN).

bb) Der Antragsgegner macht geltend, das Oberlandesgericht habe sich mit seinem Vorbringen, die D. Do. Industrie- und Handelsvertretung sei aufgrund der Abmeldung ihres Gewerbes in Deutschland nach rumänischem Verfahrensrecht nicht partei- und prozessfähig gewesen, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Es habe lediglich auf die Ausführungen des Schiedsgerichts zum Einwand fehlender Prozessfähigkeit verwiesen und diese als jedenfalls vertretbar bezeichnet. Eine eigene Prüfung der Verfahrensrüge des Antragsgegners habe es damit nicht vorgenommen und auch nicht die angebotenen Beweise erhoben.

Damit hat der Antragsgegner keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat das als übergangen gerügte Vorbringen des Antragsgegners zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen. Es hat den Einwand des Antragsgegners allerdings zurückgewiesen, die D. Do. Industrie- und Handelsvertretung sei während der gesamten Verfahrensdauer vor dem Schiedsgericht prozessunfähig gewesen, weil sie ihr Gewerbe am 9. September 2016 abgemeldet habe. Zur Begründung hat es zunächst auf die Erwägungen des Schiedsgerichts im Verhandlungsprotokoll vom 20. Februar 2017 sowie im Schiedsspruch verwiesen. Danach bestanden für das Schiedsgericht schon deshalb keine Zweifel an der Prozessfähigkeit der D. Do. Industrie- und Han delsvertretung, weil der Schiedsantrag der Antragstellerin bereits am 22. Juli 2016 und damit deutlich vor der Abmeldung des Gewerbes am 9. September 2016 eingereicht worden sei. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht zur Begründung ausgeführt, Partei des Schiedsgerichtsverfahrens sei nicht die D. Do. Industrie- und Handelsvertretung als eine eigenständige juristische Person gewesen, sondern der Antragsgegner selbst, der lediglich unter seiner bis dahin genutzten Firma verklagt worden sei. Danach hat das Oberlandesgericht die Rüge des Antragsgegners auch deshalb nicht für begründet erachtet, weil es sich bei dem Antragsgegner nicht um eine juristische, sondern um eine natürliche Person handelt. Dass eine natürliche Person nach rumänischem Recht ihre Prozessfähigkeit durch eine Gewerbeabmeldung verliert, hat der Antragsgegner nicht geltend gemacht. Das Oberlandesgericht hat die Verfahrensrüge des Antragsgegners damit geprüft.

cc) Der Antragsgegner macht weiter geltend, das Oberlandesgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den zum Beweis seines Vorbringens, er habe im Rahmen des Schiedsverfahrens eine Gegenforderung in Höhe von insgesamt 55.193,29 € zur Aufrechnung gestellt, benannten Zeugen nicht vernommen habe.

Auch damit dringt der Antragsgegner nicht durch. Das Oberlandesgericht konnte nicht feststellen, dass die vom Antragsgegner behauptete Aufrechnung mit unbestrittenen Gegenforderungen in Höhe von 55.193,29 € im Schiedsverfahren erklärt worden ist. Es hat angenommen, der Antragsgegner sei auch der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 11. Januar 2019 nicht nachgekommen, konkret vorzutragen, dass und wie die Aufrechnung erklärt worden sei. Das ist nicht zu beanstanden. Soweit sich der Antragsgegner für die Aufrechnung gegenüber dem Oberlandesgericht auf seine Stellungnahme im Schiedsverfahren vom 23. November 2016 berufen hat, ergibt sich daraus keine Aufrechnung. Bei dieser Stellungnahme handelt es sich um die Klageerwiderung des Antragsgegners im Schiedsverfahren, deren deutsche Übersetzung als Anlage RB 4 vorgelegt worden ist. Dort wird unter der Überschrift "III. Einrede hinsichtlich der Verjährung des materiellen Rechts auf Vornahme von Handlungen" ausgeführt, der Antragsgegner habe im Dezember 2012 vier Rechnungen "aus der Erfüllung der Handelsbeziehungen zwischen den Parteien" über den Gesamtbetrag von 55.193,29 € an die Antragstellerin gesandt; diese habe die Rechnungen nicht zurückgeschickt und auch nicht bezahlt. Diesen Ausführungen ist keine Erklärung einer Aufrechnung zu entnehmen. Danach konnte das Oberlandesgericht von der Vernehmung des zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens benannten Zeugen absehen, ohne damit den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör zu verletzen.

b) Der Antragsgegner macht ferner ohne Erfolg geltend, der Rechtsstreit gebe dem Senat Gelegenheit, Leitsätze zur Anwendung von § 319 ZPO im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung gemäß § 1061 ZPO aufzustellen. Das Rubrum eines Schiedsspruchs könne zwar grundsätzlich auch im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung berichtigt werden. Bei der Berichtigung müsse es sich aber um eine schlichte Konkretisierung oder eine berichtigende Auslegung des Tenors des Schiedsspruchs handeln. Bei der Bezeichnung der Schiedsbeklagten im Schiedsspruch handele es sich indessen nicht um eine solche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO . Die Personen, die im Rubrum des Schiedsspruchs als Beklagter und im Rubrum des angefochtenen Beschlusses als Antragsgegner bezeichnet seien, seien verschieden. Schiedsbeklagte sei ausweislich des Tenors des angefochtenen Beschlusses die "Personengesellschaft D. DO. INDUSTRIE- UND HANDELSVERTRETUNG mit Sitz in Deutschland [...], vertreten durch Do. l. D. ", also eine Personengesellschaft. Antragsgegnerin sei nach dem Rubrum des angefochtenen Beschlusses dagegen die "D. Do. Industrie- und Handelsvertretung, Inhaber I. D. Do. ", also ein Kaufmann unter seiner Firma.

Damit hat der Antragsgegner keinen Erfolg. Der Streitfall bietet entgegen der Ansicht des Antragsgegners keine Gelegenheit, Leitsätze zur Anwendung von § 319 ZPO im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens gemäß § 1061 ZPO aufzustellen. Das Oberlandesgericht hat das Rubrum des Schiedsspruchs nicht berichtigt. Es hat das Rubrum des Schiedsspruchs vielmehr dahin ausgelegt, dass die darin als Beklagte aufgeführte "Personengesellschaft D. DO. INDUSTRIE- UND HANDELSVERTRETUNG mit Sitz in Deutschland [...], vertreten durch Do. I. D. " den Antragsgegner bezeichne, da es eine Personengesellschaft als von dem dahinterstehenden Antragsgegner getrennte juristische Einheit zu keinem Zeitpunkt gegeben habe. Die Firma "D. Do. Industrie- und Handelsvertretung" sei der Name, unter dem der Antragsgegner bis zur Abmeldung seines Gewerbes im Geschäftsverkehr aufgetreten sei (§ 17 Abs. 1 HGB ). Es handele sich dabei nicht um unterschiedliche Personen.

c) Der Antragsgegner macht weiter vergeblich geltend, der Rechtsstreit biete dem Senat Gelegenheit zur Klarstellung, dass das Oberlandesgericht bei der Prüfung von Verfahrensrügen im Sinne von § 1061 ZPO , Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ eine vollständige eigene Prüfung vornehmen müsse und sich nicht mit der Prüfung begnügen dürfe, ob die Rechtsauffassung des Schiedsgerichts vertretbar oder plausibel sei. Das Oberlandesgericht hat entgegen der Darstellung des Antragsgegners die Rüge des Antragsgegners eigenständig geprüft, die D. Do. Industrie- und Handelsvertretung sei aufgrund der Abmeldung ihres Gewerbes in Deutschland nach rumänischem Verfahrensrecht nicht partei- und prozessfähig gewesen (vgl. oben II 3 a bb).

4. Da schon mangels Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde keine Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, kann dahinstehen, ob der Antragsgegner mit seiner eidesstattlichen Versicherung vom 17. Mai 2019 seinen Vortrag glaubhaft gemacht hat, die Antragstellerin sei nicht in der Lage, von ihr beigetriebene Geldmittel zurückzuzahlen. Es kann daher offenbleiben, ob ihm bei einer Vollstreckung des angegriffenen Beschlusses Nachteile drohen.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 28.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen I-4 Sch 7/18