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BGH - Entscheidung vom 26.06.2019

2 StR 110/19

Normen:
StGB § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 3b

Fundstellen:
NStZ-RR 2019, 271

BGH, Beschluss vom 26.06.2019 - Aktenzeichen 2 StR 110/19

DRsp Nr. 2019/10912

Prüfung der Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch; Freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung bei einer räuberischen Erpressung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 24. Oktober 2018 im Schuldspruch zu Fall II.6.a) der Urteilsgründe sowie im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; StGB § 250 Abs. 2 Nr. 3b ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.6.a)), gefährlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen, Diebstahls in zwei Fällen sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs zu Fall II.6.a) der Urteilsgründe sowie des Strafausspruchs. Im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.6.a) der Urteilsgründe saßen die beiden Afrikaner O. und D. auf einer Bank im Hofgarten vor dem B. Universitätsgebäude. Der Angeklagte und seine mindestens sechs Begleiter, die den Hofgarten als "ihr Revier" betrachteten, umstellten die beiden Afrikaner und forderten sie auf, das Gelände zu verlassen. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte ein mitgeführtes Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm zog und von O. die Aushändigung seines Handy's verlangte. Dieser ergriff daraufhin - verfolgt von dem Angeklagten - die Flucht. Nach wenigen Metern hatte der Angeklagte den Geschädigten eingeholt und stach ihm von hinten mit großer Wucht das Messer in den unteren Rücken neben der Wirbelsäule, woraufhin dieser zusammensackte. Unmittelbar nach der Messerattacke entfernten sich der Angeklagte und seine Begleiter. Der 4,5 cm tiefe Stich hatte zwei Rippenarterien durchtrennt und zu starken inneren Blutungen geführt. Ohne sofortige Notoperation wäre der Geschädigte verstorben.

II.

Der Schuldspruch zu Fall II.6.a) wegen versuchter (richtig: besonders) schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu zutreffend ausgeführt:

"Das Landgericht hat versäumt, die nach den Feststellungen bestehende Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch durch freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB in gebotener Weise zu prüfen. Es hat angenommen, der Angeklagte habe den Zeugen O. im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB 'durch die Tat' - d.h. durch die versuchte (besonders) schwere räuberische Erpressung - in die (konkrete) Gefahr des Todes gebracht, indem er ihm die Stichverletzung im Rücken zufügte (vgl. Bl. 16 UA). Dies impliziert, dass der Erpressungsversuch zur Überzeugung der Jugendkammer im Zeitpunkt des Messerstichs aus Sicht des Angeklagten noch nicht beendet und insbesondere auch nicht wegen des Fluchtversuchs des Zeugen O. fehlgeschlagen war. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es, nachdem der Zeuge O. infolge des Messerstichs zusammengesackt und liegengeblieben war, nach der Vorstellung des Angeklagten (sog. 'Rücktrittshorizont') nicht mehr möglich gewesen wäre, die Tat noch zu vollenden und den Zeugen O. durch weiteren Einsatz des Messers zur Herausgabe (oder zur Duldung der Wegnahme) seines Mobiltelefons zu nötigen. Feststellungen dazu, aus welchem Grunde der Angeklagte hiervon Abstand nahm, hat das Landgericht nicht getroffen; aus den Urteilsgründen ergibt sich jedenfalls kein äußerer Anlass dafür. Nach dem festgestellten Tathergang ist es vielmehr denkbar, dass es dem Angeklagten in erster Linie gar nicht um das Mobiltelefon, sondern darum ging, den Zeugen O. in irgendeiner Form abzustrafen, weil dieser sich geweigert hatte, den B. Hofgarten zu verlassen, und er dieses Ziel durch den Messerstich vollumfänglich erreicht hatte, so dass ihm die (weiterhin mögliche) Vollendung des Erpressungsversuchs nunmehr entbehrlich erschien. Fälle einer solchen außertatbestandlichen Zielerreichung sind indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder wegen Fehlschlags noch wegen Unfreiwilligkeit von der Möglichkeit eines Rücktritts ausgeschlossen (vgl. BGHSt 39, 221 ff.; Fischer, StGB , 66. Aufl., § 24 Rn. 9 m.w.Nachw.)."

Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.6.a) bedingt auch die Aufhebung der verhängten Einheitsjugendstrafe.

Vorinstanz: LG Bonn, vom 24.10.2018
Fundstellen
NStZ-RR 2019, 271