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BGH - Entscheidung vom 05.06.2019

AK 25/19

Normen:
StPO § 121
StPO § 122

BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - Aktenzeichen AK 25/19

DRsp Nr. 2019/9650

Prüfung der Aufrechterhaltung einer Untersuchungshaft bei Verdacht des Werbens um Mitglieder in einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS); Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

StPO § 121 ; StPO § 122 ;

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 19. Juli 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof von diesem Tage ( 2 BGs 551/18) seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe durch 28 selbständige Handlungen in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) für die außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) um Mitglieder oder Unterstützer geworben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB ), in fünf Fällen (Fälle 3 bis 7) eine Schrift, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, öffentlich zugänglich gemacht und vorrätig gehalten, um sie zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 3 StGB ), und dabei tateinheitlich in vier Fällen (Fälle 4 bis 7) sowie in 21 weiteren Fällen (Fälle 8 bis 28) einem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG zuwider gehandelt und Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot betroffenen Vereins verbreitet und öffentlich verwendet (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 VereinsG ).

Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren mit Verfügung vom 30. Juli 2018 gemäß § 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben.

Der Senat hat die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Beschluss vom 7. Februar 2019 ( AK 1/19) über sechs Monate hinaus angeordnet.

Das Oberlandesgericht Dresden hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden mit Verfügung vom 29. April 2019 die Vorlage zur erneuten Haftprüfung gemäß §§ 121 , 122 StPO angeordnet.

II.

Die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über neun Monate hinaus liegen vor.

1. Hinsichtlich der Einzelheiten der Tatvorwürfe, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und der Haftgründe verweist der Senat auf seine Haftfortdauerentscheidung vom 7. Februar 2019, deren Gründe unvermindert fortgelten.

2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) sind gegeben. Der Umfang des Verfahrens und seine besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit zunächst auf den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2019 ( AK 1/19) Bezug genommen.

Auch nach der Vorlage der Akten zur letzten Haftprüfung durch den Senat ist das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden. Es sind weitere umfangreiche Ermittlungen unternommen worden; so sind vom 23. Januar 2019 bis zum 28. März 2019 insgesamt 13 Zeugenvernehmungen durchgeführt worden; dabei sind zwei Zeugen ergänzend vernommen und insbesondere weitere Kontaktpersonen des Beschuldigten aus dem Raum P. und H. befragt worden. Die Auswertung der Asservate dauert immer noch an; dabei hat sich insbesondere die weitere Auswertung der Chatprotokolle auf dem sichergestellten Mobiltelefon des Beschuldigten mit über 16.000 Nachrichten, welche teils Übersetzungen und islamwissenschaftliche Bewertungen durch Sachverständige erforderten, schwierig gestaltet.

Angesichts dessen greift die Argumentation der Verteidigung, die ihren Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls (allein) auf eine Verletzung des Grundsatzes der Beschleunigung stützt und "Scheinaktivitäten" der Generalstaatsanwaltschaft sowie das Aufblähen der Ermittlungen "durch vollkommen überflüssige Ermittlungshandlungen" behauptet, nicht durch. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft Dresden allerdings in der Zuschrift vom 26. April 2019 mitteilt, dass die Ermittlungen ausgeweitet wurden und "nunmehr zusätzlich ein Tatverdacht" bestehe wegen 16 selbständiger Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer des IS, jeweils tateinheitlich begangen mit Gewaltdarstellung und Verstoß gegen das Vereinsgesetz sowie Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, liegt darin kein wichtiger Grund, der die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft begründen könnte. Denn diese darf nur angeordnet und aufrechterhalten werden für Taten, für die ein dringender Tatverdacht besteht und die im Haftbefehl aufgeführt sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. September 2001 - 2 BvR 1286/01, NStZ 2002, 100 , 101; KK-Schultheis, StPO , 8. Aufl., § 121 Rn. 17 mwN). Auch haben die Auswertungen der sichergestellten Datenträger angesichts der in dem Vermerk über den Stand der Auswertungsergebnisse zu den technischen Asservaten vom 10. April 2019 dokumentierten Untersuchungshandlungen inzwischen einen nicht unbedenklichen Zeitraum in Anspruch genommen, zumal deren "Hauptaugenmerk" im Zeitraum von August bis Oktober 2018 präventiven Zielen galt. Gleichwohl haben die Ermittlungsbehörden, wie sich aus demselben Vermerk ergibt, die Aufklärung der Verbindungen des Beschuldigten zum IS nicht aus dem Blick verloren. Angesichts der in den Sachakten dokumentierten sonstigen zielführenden Ermittlungsaktivitäten, insbesondere der weiteren Zeugenvernehmungen und der zeitaufwändigen Übersetzungen und islamwissenschaftlichen Bewertungen, ist das Verfahren daher in der Gesamtschau bisher in noch ausreichender Weise mit der notwendigen Beschleunigung gefördert worden.

3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung des Beschuldigten zu erwartenden Strafen, wobei hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes gilt, dass an den zügigen Fortgang des Verfahrens umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert (vgl. KK-Schultheis, StPO , 8. Aufl., § 120 Rn. 8 mwN). Im Hinblick auf die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft wird besonderes Augenmerk auf den baldigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu legen sein, mit dem zu rechnen ist, da die ausstehenden Übersetzungen und Auswertungen bis zur 21. Kalenderwoche 2019 vorliegen sollten. Der Senat geht davon aus, dass alsbald Anklage erhoben und das Verfahren sodann weiterhin angemessen gefördert werden wird.