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BGH - Entscheidung vom 29.10.2019

X ZR 142/17

BGH, Urteil vom 29.10.2019 - Aktenzeichen X ZR 142/17

DRsp Nr. 2020/4319

Patentfähigkeit eines Video-on-Demand-Systems

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 13. Juli 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des - unter Inanspruchnahme der Prioritäten dreier US-amerikanischer Voranmeldungen vom 11. Oktober 2000, 20. November 2000 und 21. Februar 2001 - am 9. Oktober 2001 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 327 209 (Streitpatents), das ein interaktives Medien-auf-Anfrage-System (media-on-demand system) und ein Verfahren zu dessen Anwendung betrifft.

Patentanspruch 1, auf den die Patentansprüche 2 bis 17 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, und Patentanspruch 18, auf den die Patentansprüche 19 bis 34 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, haben in der erteilten Fassung und Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

"1. An interactive media-on-demand system, comprising:

a plurality of user equipment devices that are each configured to present media-on-demand programming delivered from a remote media-on-demand server, configured to allow a user to request to freeze delivery of a media-on-demand program, and configured to allow the user to request to have the delivery resumed from the point at which the delivery was frozen; and the remote media-on-demand server being configured to deliver media-on-demand programming to each of the plurality of user equipment devices, configured to freeze said delivery of the media-on-demand program when the remote media-on-demand server receives a request to freeze said delivery from a first one of the plurality of user equipment devices, and characterised in that it is configured to resume said frozen delivery at the point at which said delivery was frozen to a second one of the plurality of user equipment devices when a request to resume delivery is received from the second user equipment device.

18. A method for using a remote media-on-demand server that can communicate with first and second user equipment devices, comprising:

delivering a media-on-demand program for presentation on the first user equipment device, freezing the delivery of the media-on-demand program upon a request to freeze said delivery from a user from the first user equipment device, and characterised by resuming said frozen delivery of the media-on-demand program at the point at which delivery was frozen upon a request to resume said frozen delivery from the second user equipment device."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag in der erteilten Fassung und mit neun Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 als Hauptantrag sowie mit den Hilfsanträgen I bis VIII, die den erstinstanzlich gestellten Hilfsanträgen 2 bis 9 in der zuletzt vor dem Patentgericht geltend gemachten Reihenfolge entsprechen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel der Beklagten entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

I. Nach der Streitpatentschrift waren Video-auf-Anfrage-Systeme (Video-on-Demand; VoD) bekannt, bei denen Set-Top-Boxen verwendet werden, um Videos oder andere Funktionen von Kabelkopfstellen zu empfangen und an Fernseher, Videokassettenrekorder (VCR) oder andere lokale Geräte zu übertragen. Bei diesen Systemen sei es den Anwendern aber nicht möglich gewesen, ihre VoD-Dienste an andere Orte als den der jeweiligen Set-Top-Box zu verlagern (Abs. 3).

Es habe auch bereits Fernsehplattformen mit einem Rückkanal zwischen der Set-Top-Box und der Kabelkopfstelle gegeben, was es der Set-Top-Box ermöglicht habe, bidirektional in einer Client-Server-Anordnung mit der Kabelkopfstelle zu kommunizieren. Es seien etwa Programmführer entwickelt worden, mit denen das Programm und die Einstellungen auf einem fernen Server aufgezeichnet werden konnten. Hinsichtlich der Bereitstellung von Mobilitätsfunktionen seien diese Systeme aber noch unzulänglich gewesen (Abs. 5).

Das US-amerikanische Patent 5 671 377 habe ein VoD-System offenbart, das nicht nur Medieninhalte von einem fernen Server an mehrere Endgeräte habe übermitteln können, sondern es dem Anwender auch ermöglicht habe, die Wiedergabe eines Inhalts auf einem Endgerät zu unterbrechen und an der Stelle der Unterbrechung fortzusetzen (Abs. 6).

Eine der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe wird im Streitpatent nicht genannt. Mit dem Patentgericht und den Parteien kann diese aber darin gesehen werden, ein System und ein Verfahren bereitzustellen, das die Mobilität der Inhaltsübertragung bei Medien-auf-Anfrage-Systemen verbessert.

Das soll nach der Lehre aus Patentanspruch 1 durch folgende Vorrichtung erreicht werden (die Merkmalsbezeichnungen in der Gliederung des Patentgerichts sind nachfolgend in Klammern hinzugefügt):

Interaktives Media-on-Demand-System (Medien-auf-Anfrage-System; MoD-System) mit folgenden Merkmalen (1.1):

1

Eine Mehrzahl von Anwender-Ausstattungsgeräten ist jeweils konfiguriert,

1.1

eine Media-on-Demand-Programmierung zu präsentieren, die von einem fernen Media-on-Demand-Server geliefert wird (1.2) und

1.2

es einem Anwender zu ermöglichen,

1.2.1

ein Anhalten der Lieferung eines Media-on-Demand-Programms (1.3) und

1.2.2

eine Wiederaufnahme der Lieferung ab dem Punkt, an welchem die Lieferung angehalten wurde, zu verlangen (1.4).

2

Der ferne Media-on-Demand-Server ist konfiguriert,

2.1

eine Media-on-Demand-Programmierung an jedes der Mehrzahl von Anwender-Ausstattungsgeräten zu liefern (1.5),

2.2

die Lieferung des Media-on-Demand-Programms anzuhalten, wenn der ferne Media-on-Demand-Server eine Anforderung von einem ersten der Mehrzahl der Anwender-Ausstattungsgeräte erhält, die Lieferung anzuhalten (1.6), und

2.3

die angehaltene Lieferung an dem Punkt, an welchem die Lieferung angehalten wurde, an einem zweiten der Mehrzahl der Anwender-Ausstattungsgeräte wiederaufzunehmen, wenn eine Anforderung zum Wiederaufnehmen der Lieferung vom zweiten Anwender-Ausstattungsgerät empfangen wird (1.7).

Patentanspruch 18 schützt korrespondierend dazu ein Verfahren, das das Anhalten einer Lieferung auf einem ersten Gerät und deren Wiederaufnahme auf einem zweiten Gerät ermöglicht.

Nach den zutreffenden und von den Parteien nicht beanstandeten Ausführungen des Patentgerichts ist als Fachmann ein Ingenieur der Elektrotechnik anzusehen, der über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Fernseh- und Videotechnik und Kenntnisse im Bereich der Telekommunikationsdienste und dabei insbesondere des Video-on-Demand verfügt.

Aus Sicht eines solchen Fachmanns muss das unter Schutz gestellte System - entsprechend den Erläuterungen des Patentgerichts - so konfiguriert sein, dass ein Anwender sowohl ein Anhalten der Lieferung eines MoD-Programms als auch eine Wiederaufnahme der Lieferung ab dem Punkt veranlassen kann, an dem die Lieferung angehalten wurde. Dies erfordert, dass das System in der Lage ist, bestimmte Ereignisse zu erkennen, die mit hinreichender Zuverlässigkeit darauf hindeuten, dass der Anwender das Anhalten oder Wiederaufnehmen einer Lieferung anfordert. Diese Ereignisse müssen so definiert sein, dass ein zufälliges, nicht vom Benutzer veranlasstes Auslösen der betreffenden Funktionen mit einer für praktische Zwecke hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen ist. In welcher Weise dies geschieht, überlässt Patentanspruch 1 dem Fachmann.

Weitere Anforderungen an die Ausgestaltung des Systems, wie etwa der 14 Einsatz einer Fernbedienung oder die Auswahl einer Option auf einer Bildschirmansicht an dem Anwender-Ausstattungsgerät sind Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen. Solche Ausgestaltungen sind zwar bei den in der Streitpatentschrift beschriebenen und gezeigten Ausführungsbeispielen realisiert (Abs. 74, Figuren 3 und 7A; Abs. 76 f., Figur 7B). Sie haben aber in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden.

Ein MoD-System ist im erfindungsgemäßen Sinne "interaktiv", wenn dessen Anwender-Ausstattungsgeräte konfiguriert sind, bestimmte Ereignisse zu erkennen, die mit hinreichender Zuverlässigkeit darauf hindeuten, dass der Anwender das Anhalten oder das Wiederaufnehmen einer Lieferung ab dem Punkt, an welchem die Lieferung angehalten wurde, anfordert, und dessen MoD-Server so konfiguriert ist, dass er entsprechend einer solchen Anforderung des Anwenders reagieren kann.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich des Hauptantrags im Wesentlichen wie folgt begründet.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents sei nicht neu, da die Masterarbeit von Bo Zou (Mobile ID Protocol: A Badge-Activated Application Level Handoff of a Multimedia Streaming to Support User Mobility, University of Illinois at Urbana-Champaign, 2000, NK20) alle Merkmale des Anspruchs offenbare. Bei diesem System könne der Benutzer die Unterbrechung und die Aufnahme einer Lieferung veranlassen, indem er sich während des Streamings von einem Endgerät fortbewege bzw. sich in die Nähe eines anderen Endgeräts begebe.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei für den Fachmann ferner naheliegend gewesen aufgrund des Beitrags von Hong/Koga/Matsushita (A Networking Architecture for Mobility Services Using Mobile Agent Approach, Proceedings of the TINA '97 Global Convergence of Telecommunications and Distributed Object Computing, NK16) und der Spezifikation "TINA-C, Service Architecture, Version 5.0, 1997" (NK14). Die NK16 offenbare alle Merkmale des Patentanspruchs 1 mit dem einzigen Unterschied, dass darin nicht ausdrücklich vorgesehen sei, die Lieferung des MoD-Programms an dem Punkt wiederaufzunehmen, an dem diese zuvor angehalten worden sei. Dies sei aber eine dem Fachmann nahegelegte Maßnahme gewesen. Ihm sei der Benutzerwunsch bekannt gewesen, eine unterbrochene Übertragung eines Videos möglichst nahtlos wiederaufnehmen zu können. Um diesem Wunsch Rechnung zu tragen, habe er auf die NK14 zurückgreifen können, auf deren etwas ältere Vorläuferversion in der NK16 eingangs Bezug genommen werde. NK14 lehre, eine Dienstsitzung, nachdem sie an einem Endgerät unterbrochen worden sei, an einem anderen Endgerät nahtlos wiederaufzunehmen. Der Zustand einer Sitzung solle innerhalb der Sitzungsmobilität erhalten ("eingefroren") bleiben. Dies bedeute, dass auch die jeweiligen Zustände der teilnehmenden Objekte unverändert blieben, mithin bei einer ausgesetzten VoD-Sitzung, die im gleichen Zustand wiederaufgenommen werden solle, auch der Videostrom angehalten werde.

III. Die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents gemäß Hauptantrag durch das Patentgericht hält den Angriffen der Berufung der Beklagten stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags wird durch die NK20 vollständig offenbart.

a) In Absatz 4.1 der NK20 wird ein Überblick über die Architektur des darin offenbarten Client-Server-Systems gegeben (NK20 S. 9). Danach umfasst das System einen Server mit einer Filmsammlung und mehrere Clients, an die Filme aus der Sammlung im Rahmen von Streamingsitzungen übertragen werden. Während der Wiedergabe eines Films kann ein Positionserkennungssystem (Location-Aware-System) Bewegungen eines Nutzers erkennen. Dafür verfügt das Positionserkennungssystem über eine Basis-Einheit (Base Unit) und mit dieser über Funk verbundenen Ansteckern (badge). Nimmt dieses System eine Bewegung des Nutzers wahr, hält es die Streamingsitzung an und informiert den Server. Dieser speichert den aktuellen Stand der Sitzung. Erkennt das System erneut die Anwesenheit des Benutzers, wird der Server darüber informiert und nimmt die zuvor unterbrochene Sitzung an dem Client wieder auf, an dem die Anwesenheit erkannt wurde.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung sind damit neben allen anderen Merkmalen von Patentanspruch 1 auch die Merkmale 1.2.1 und 1.2.2 offenbart.

Wie bereits oben erläutert wurde, verlangen Merkmale 1.2.1 und 1.2.2 lediglich, dass die Anwender-Ausstattungsgeräte so konfiguriert sind, dass sie Ereignisse erkennen können, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Anwender das Anhalten oder die Wiederaufnahme einer Lieferung veranlasst hat, ohne konkrete Festlegungen zu treffen, in welcher Weise dies geschehen soll.

Von daher erfasst die erfindungsgemäße Lehre auch ein System, bei dem der Benutzer, wie in der NK20 offenbart, das Anhalten bzw. die Wiederaufnahme dadurch veranlasst, dass er sich von einem Gerät entfernt bzw. sich einem Gerät nähert. Dass diese Ereignisse theoretisch auch in Situationen eintreten können, in denen der Benutzer nicht möchte, dass die Lieferung angehalten bzw. wiederaufgenommen wird, führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Solche Situationen können auch beim Einsatz einer Fernbedienung oder einer Bildschirmsteuerung auftreten, etwa dann, wenn der Benutzer den Befehl zum Anhalten oder Wiederaufnehmen durch ein diesem entsprechendes äußeres Verhalten (wie etwa das Drücken einer Taste) versehentlich auslöst. Die in NK20 offenbarte Möglichkeit der Steuerung weist gegenüber diesen beiden Ausgestaltungen zwar die Besonderheit auf, dass es Situationen geben kann, in denen der Benutzer einen seinem Willen widersprechenden Befehl wissentlich auslöst, weil er sich aus sonstigen Gründen von einem Gerät entfernen oder sich einem Gerät nähern möchte und das Positionserkennungssystem hierbei nicht deaktiviert. Diese Situationen sind jedoch als eher ungewöhnlich anzusehen und beeinträchtigten die Fähigkeit des Systems, das dazu ausgelegt ist, einen Benutzerwunsch anhand eines bestimmten äußeren Verhaltens des Benutzers zu erkennen, nicht in wesentlichem Umfang. Dies reicht zur Verwirklichung der Merkmale 1.2.1 und 1.2.2 aus, weil diese keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Erkennung vorsehen.

2. Für Patentanspruch 18 gilt nichts Anderes. Dieser Anspruch sieht im Vergleich zu Patentanspruch 1 keine zusätzlichen Merkmale vor. Dass der eine Anspruch ein Verfahren schützt und der andere ein zur Ausführung eines solchen Verfahrens geeignetes Erzeugnis, begründet keinen relevanten Unterschied.

IV. Auch die Beanstandungen der Berufung an der patentgerichtlichen Beurteilung der Hilfsanträge bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 3) beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 unterscheidet sich von der Fassung des Hauptantrags durch folgendes zusätzliches Merkmal:

I-3  Zumindest das zweite der Anwender-Ausstattungsgeräte ist so konfiguriert, dass eine Option auf einem Bildschirm angezeigt wird, die es dem Anwender ermöglicht, die Fortsetzung der Leistung anzufordern. 
(I-3  At least the second one of the user equipment devices is configured to display an option in a display screen to allow the userto request to have the delivery resumed.) 

b) Dieses Merkmal wird in der Beschreibung des Streitpatents durch das Ausführungsbeispiel in Figur 7B erläutert. In der Figur ist eine grafische Benutzeroberfläche zur Wiederaufnahme der Lieferung eines Programms dargestellt, die dem Anwender, der die Übertragung des Programms zuvor ausgesetzt hat und diese nunmehr wiederaufnehmen möchte, nach Betätigung einer geeigneten Taste der Fernbedienung 300 (Figur 3) oder nach Auswahl einer passenden Option des VoD-Benutzermenüs 450 (Figur 4B) angezeigt wird. Durch Wahl der Option 740 kann der Anwender sodann die Wiederaufnahme des Programms anfordern (Streitpatentschrift, Abs. 76).

c) Das Patentgericht ist davon ausgegangen, dass Merkmal I-3 durch die NK20 nicht offenbart sei. Für den Fachmann habe es aber nahegelegen, statt der in der NK20 für die Fortsetzung eines unterbrochenen Films beschriebenen automatisierten Interaktion zwischen Nutzer und Client eine manuelle Interaktion vorzusehen, bei der auf der Anzeigeeinheit des Clients eine Option zur Fortsetzung des unterbrochenen Films angeboten und diese Option durch Anklicken ausgelöst wird. Es gehöre zum Grundwissen des Fachmanns, dass der Nutzer mit einem Client-Computer nicht nur in einer automatisierten, sondern auch in einer manuellen Interaktion kommunizieren könne. Letztere ermögliche es, die Interaktion mit einer größeren Flexibilität bei der Steuerung des Prozesses auszugestalten. Der Fachmann sei zudem bestrebt gewesen, möglichst einfache und dennoch benutzerfreundliche Bedienkonzepte umzusetzen, weshalb es für ihn auch nahegelegen habe, entsprechend Merkmal I-3 die manuelle Interaktion über Schaltflächen einer grafischen Benutzeroberfläche zu realisieren, so wie es sich im Übrigen auch etwa aus der NK16 ergebe.

d) Die Beurteilung des Patentgerichts hält der Überprüfung im Berufungsverfahren jedenfalls im Ergebnis stand.

(1) Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass Merkmal I-3 durch die NK20 nicht offenbart ist. Ob es für den Fachmann zudem naheliegend war, ausgehend von der NK20 aufgrund seines allgemeinen Fachwissens anstelle der darin für die Fortsetzung eines unterbrochenen Films beschriebenen automatisierten Interaktion zwischen Nutzer und Client eine manuelle Interaktion vorzusehen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Lehre aus Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I dem Fachmann jedenfalls durch die Spezifikation "TINA-C, Service Architecture, Version 5.0, 1997" (NK14) in Verbindung mit der NK20 nahegelegt wurde.

(2) Bei der NK14 handelt es sich um eine Spezifikation der Telecommunication Networking Architecture (TINA). Die danach zur Verfügung gestellten Kommunikationsdienste betreffen die Mobilität von Personen und Sitzungen. Als Anwendungsmöglichkeiten werden neben Videokonferenzen u.a. auch VoD-Dienste genannt (NK14, S. 23, Fn. 3; Abschnitt 3.5.1 [TINA Defined Sessions]).

Unter dem Begriff der Personenmobilität (personal mobility) wird die Möglichkeit verstanden, einem Anwender Kommunikationsdienste entsprechend seiner Präferenzen und Identität sowie unabhängig von seinem Aufenthaltsort zur Verfügung zu stellen (NK14, Abschnitte 8.1 und 8.2 [Introduction und Personal Mobility]). Dabei kann der Anwender ein Ausstattungsgerät benutzen, wie es mehrfach in den Zeichnungen der NK14 mit einem Bildschirm dargestellt ist (vgl. Figuren 3-8, 7-2, 7-7 bis 7-10).

Mit dem Begriff der Sitzungsmobilität (session mobility) ist die Möglichkeit angesprochen, eine Sitzung unabhängig von dem Endgerät aufrechtzuerhalten, das für die Sitzung benutzt wird (NK14, Abschnitt 8. und 8.3 [Introduction und Session Mobility]). Sitzungsmobilität umfasst Zugangs- und Dienstsitzungen (access sessions and service sessions), nicht aber Kommunikationssitzungen (communication sessions), die nicht Teil der Dienstearchitektur sind (NK14 Abschnitt 8.3.1 [Definition] Abs. 3).

Aktive Zugangssitzungen betreffen nur einen einzigen Status und stellen 36 deshalb an die Sitzungsmobilität keine besonderen Anforderungen, weil bei dem Wechsel von einem Terminal zu einem anderen lediglich die erste Zugangssitzung beendet und eine zweite Zugangssitzung begonnen werden muss (NK14 Abschnitt 8.3.2 [Requirements] Abs. 1). Hinsichtlich der Mobilität von Dienstsitzungen legt die NK14 u.a. fest, dass der Anwender in der Lage sein muss, eine Dienstsitzung an einem ersten Terminal auszusetzen und an einem anderen Terminal wiederaufzunehmen (NK14 Abschnitt 8.3.2, Abs. 2, erster Punkt). Dies muss unter anderem in der Weise möglich sein, dass eine Änderung der Sitzung im Zeitraum zwischen Aussetzung und Wiederaufnahme nur stattfinden kann, wenn der Anwender, der die Sitzung ausgesetzt hat, der Änderung zustimmt (NK16 Abschnitt 8.3.3 [Requirements Fulfillment] Punkt 1).

(3) Für den Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sah, ein System und ein Verfahren bereitzustellen, das die Mobilität der Inhaltsübertragung bei MoD-Systemen verbessert, war die NK14 von Interesse.

(a) Diese offenbarte ihm ein MoD-System, das eine Mehrzahl von Ausstattungsgeräten umfasst, auf denen etwa VoD-Dienste, die von einem Anbieter über einen fernen Server geliefert werden, präsentiert werden können. Dem Anwender ist es im Rahmen der TINA-Personen- und Sitzungsmobilität möglich, die Lieferung eines VoD-Dienstes auf einem Ausstattungsgerät anzuhalten und auf einem anderen Ausstattungsgerät wiederaufzunehmen, wofür der MoD-Server entsprechend konfiguriert ist. Der Fachmann liest in diesem Zusammenhang zudem ohne weiteres mit, dass die in den Figuren 3-8, 7-2, 7-7 bis 7-10 mit einem Bildschirm ausgestatteten Standgeräte so konfiguriert sind, dass auf dem Bildschirm eine Option angezeigt wird, die es dem Anwender ermöglicht, die Wiederaufnahme des VoD-Dienstes anzufordern. Offenbart sind damit alle Merkmale des Patentanspruchs 1 mit Ausnahme des Erfordernisses nach den Merkmalen 1.2.2 und 2.3, dass die Wiederaufnahme der Lieferung des MoD-Programms ab dem Punkt erfolgen soll, an dem die Lieferung angehalten wurde.

(b) Wie ausgeführt, befasst sich die NK14 unter dem Gesichtspunkt der Sitzungsmobilität nur mit Zugangs- und Dienstsitzungen und nicht mit Kommunikationssitzungen, die nicht Teil der Dienstarchitektur sind. Die Entgegenhaltung erwähnt zwar als Anwendungsmöglichkeit für im Rahmen der TINA-Dienste-Architektur abrufbare Dienste auch VoD-Dienste, enthält aber keine Angaben zu deren "sitzungsmobilen" Ausgestaltung. Der Fachmann, der sich für die Realisierung einer solchen Anwendungsmöglichkeit interessierte, war damit gehalten, weitere Informationen im Stand der Technik einzuholen.

Als eine solche Informationsquelle bot sich ihm die NK20 an, da sich diese mit Ausführungsmöglichkeiten für Multimedia-Streaminganwendungen, wie insbesondere Video-on-Demand, befasst. Ausgehend von dem aus der NK14 bekannten Konzept der Personen- und Sitzungsmobilität ergab sich für den Fachmann aus der NK20 die Anregung, eine an einem Gerät unterbrochene und an einem anderen Gerät wieder aufgenommene VoD-Streamingsitzung an der Stelle fortzusetzen, an der die Unterbrechung erfolgt war.

Dem steht nicht entgegen, dass die NK20 die Fortsetzung einer unterbrochenen VoD-Streamingsitzungen allein für ein System offenbart, bei dem die Anforderungen zum Anhalten und Wiederaufnehmen der VoD-Streamingsitzungen automatisch über ein Positionserkennungssystem erfolgen. Denn der Fachmann erkannte, dass die Idee, die VoD-Streamingsitzung wieder an dem Punkt aufzunehmen, an dem sie anderen Orts unterbrochen worden war, unabhängig davon ist, ob die Interaktion zwischen Anwender und Server durch eine manuelle Interaktion (wie etwa durch die Betätigung einer Taste im Rahmen einer Fernbedienung oder Bildschirmsteuerung) oder eine automatische Interaktion (wie etwa durch ein Positionserkennungssystem) erfolgt.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 8) war für den Fachmann ebenfalls naheliegend.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 unterscheidet sich von der Fassung des Hauptantrags durch folgendes zusätzliches Merkmal:

II-2.4  [der ferne Media-on-Demand-Server ist konfiguriert,] dem Anwender aus einer Vielzahl von zuvor vom Anwender unterbrochenen Media-on-Demand-Programmen eine Auswahl zu bieten. 
(II-2.4  in that it is configured to allow the user to select from multiple media-on-demand programs previously frozen by the user.) 

b) Dieses Merkmal wird in der Beschreibung dahin erläutert, dass die vom Anwender unterbrochenen Programme in eine Warteschleife eingereiht und dem Anwender beim erneuten Anmelden zur Auswahl präsentiert werden können (Streitpatentschrift Abs. 77).

c) Das Patentgericht hat offengelassen, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unzulässig erweitert ist, da es insoweit jedenfalls an einer erfinderischen Tätigkeit fehle. Eine solche sei nicht gegeben, weil das hinzugekommene Merkmal nichts zu einer technischen Problemlösung beitrage und daher bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sei.

d) Ob die zuletzt genannten Erwägungen zutreffen, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn es sich um ein technisches Merkmal handelt, wurde der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann jedenfalls durch die NK14 in Verbindung mit der NK20 nahegelegt.

In der NK14 ist für ein Ausführungsbeispiel beschrieben, dass der Nutzer nach der Anmeldung an dem neuen Endgerät die Dienstsitzung auswählen kann, die wiederaufgenommen werden soll (NK14 Abschnitt 8.3.3 [Requirements Fulfillment] Nr. 6). Daraus ergab sich für den Fachmann, der die in NK20 offenbarte Verfahrensweise der Wiederaufnahme unterbrochener VoD-Streamingsitzungen aus den im Zusammenhang mit Hilfsantrag I genannten Gründen in die TINA-Architektur einbetten wollte, die Anregung, bei Bedarf mehrere VoD-Streamingsitzungen zur Verfügung zu stellen, die kumulativ ausgesetzt und nach Wahl des Benutzers wieder aufgenommen werden können.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 9) war für den Fachmann ebenfalls naheliegend.

a) Gegenüber der Fassung des Hauptantrags umfasst Patentanspruch 1 zusätzlich folgende Merkmale:

III-3  Der ferne Media-on-Demand-Server 
III-3.1 kann nutzerabhängige Daten in Form von für den Anwender spezifischen Informationen speichern, die insbesondere die letzten Aktivitäten des Anwenders umfassen. 
III-3.2 bietet eine automatische, personenbezogene Konfiguration der Anwender-Ausstattungsgeräte an, die die spezifischen Informationen (vom Server) abrufen und ausführen können, nachdem der Anwender vom System identifiziert worden ist. 
(III-3  The remote media-on-demand server 
III-3.1 is adapted to store user specific data in form of user specific-information including information about the user's last activities and 
III-3.2 allows for a personal auto-configure feature, wherein user equipment devices are adapted to retrieve and execute the user specific information after the user has been identified by the system.) 

b) In Figur 12 des Streitpatents wird beispielhaft ein Konfigurationsmenü gezeigt, das eine automatische Konfiguration des Anwender-Ausstattungsgeräts mit den persönlichen Einstellungen des Anwenders erlaubt. Durch Auswahl einer entsprechenden Option (always auto-configure option 1211) erfolgt die Konfiguration automatisch, wenn sich der Anwender beim System anmeldet (vgl. Streitpatent, Abs. 102).

c) Die Beurteilung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III sei für den Fachmann naheliegend gewesen, hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

Wie erwähnt sieht die TINA-Architektur unter dem Begriff der Personenmobilität vor, einem Anwender Kommunikationsdienste entsprechend seiner Präferenzen und Identität sowie unabhängig von seinem Aufenthaltsort zur Verfügung zu stellen (NK14, Abschnitte 8.1 und 8.2 [Introduction und Personal Mobility]). Allerdings betrifft dies vor allem die Möglichkeit des Anwenders, Zugang zu dem System finden, wobei sich die NK14 insbesondere mit der Initiierung von Zugangs- und Dienstsitzungen, Einladungen zu Dienstsitzungen an einem bestimmten Anwendergerät oder auch Restriktionen solcher Zugangsmöglichkeiten entsprechend den Vereinbarungen zwischen Anwender (user), Abonnent (subscriber), Leistungsanbieter (retailer) und dem Eigentümer der Anwendergeräte (owner of the terminal) befasst (vgl. im Einzelnen: NK14, Abschnitte 8.2.2 [Requirements] und 8.2.3 [Requirements Fulfillment]).

Der Fachmann, der die Personenmobilität darüber hinaus auch nach Anmeldung des Anwenders zum System verbessern wollte, hatte Anlass, neben der NK14 auch die NK16 in seine Überlegungen mit einzubeziehen, da diese eine Verbesserung der Mobilitätsdienste für eine TINA-gleiche Umgebung (TINA-like environment) anstrebt und insoweit als weitere Dienstkomponente einen Manager für das omnipräsente persönliche Umfeld (Omnipresent Person Environment Manager, OpeMgr) einführt. Mittels eines solchen Managers sowie weiterer Sitzungskomponenten kann das Endgerät nach Anmeldung des Nutzers nicht nur anhand allgemeiner, sondern auch anhand gespeicherter nutzerspezifischer Informationen konfiguriert werden (NK16 Abschnitt 3.1 [User/Access Session Components], Unterpunkte [Personal Profile Object (PPrf)] und [Usage Context Object (UCXT)], in Verbindung mit Abschnitt 8.4 [Movements between the TINA-like Environments] Schritte 7 bis 10), was den Anforderungen der Merkmalsgruppe III-3 entspricht, wie auch das Patentgericht bereits im Einzelnen ausgeführt hat.

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 6) war für den Fachmann ebenfalls naheliegend.

a) Dieser Anspruch hebt sich von der Fassung des Hauptantrags durch folgendes weitere Merkmal ab:

IV-3  Der Media-on-Demand-Server und das erste Anwender-Ausstattungsgerät sind konfiguriert, dem Anwender den Upload von persönlichen Medien des Anwenders von dem ersten Anwender-Ausstattungsgerät auf den Media-on-Demand-Server zu ermöglichen. 
(IV-3  The remote media-on-demand server and the first one of the user equipment devices are configured to provide the user with an opportunity to upload that user's personal media from the first one of the user equipment devices to the remote media-on-demand server.) 

b) Das Patentgericht hat angenommen, dass Merkmal IV-3 eine an sich bekannte Maßnahme darstelle, um die Verteilung persönlicher Medieninhalte zu unterstützen, deren Vorteile aber nicht über Bekanntes hinausgehe, so dass auch die Lehre aus Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV für den Fachmann naheliegend gewesen sei. Das werde u.a. in der US-amerikanischen Patentschrift 5 771 354 (NK6) gezeigt, in der ein Online-Dienst beschrieben sei, der auf einem Host Speicherkapazität in Form virtueller Festplatten bereitstelle, auf die von einem Benutzerendgerät Daten auch multimedialer Inhalte hochgeladen und auf andere Endgeräte heruntergeladen werden können.

c) Der dagegen von der Berufung erhobene Einwand, es sei fraglich, ob der Fachmann sich der NK6 zugewandt hätte, da er zu dieser erst gelangt sei, nachdem er die Entscheidung getroffen habe, selber Medien auf dem Media-on-Demand-Server hochzuladen, greift nicht durch. Denn das Patentgericht hat die NK6 lediglich als einen Beleg dafür herangezogen, dass dem Fachmann das Hoch- und Herunterladen persönlicher Medieninhalte auf einem Server bereits zum Prioritätszeitpunkt aufgrund seines allgemeinen Fachwissens hinreichend bekannt gewesen ist. Dass diese Feststellung des Patentgerichts unzutreffend ist, wird von der Beklagten nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

5. Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 7) war für den Fachmann naheliegend.

a) Dieser Anspruch unterscheidet sich von der Fassung des Hauptantrags durch folgendes zusätzliches Merkmal:

V-3  Der Media-on-Demand-Server und das erste Anwender-Ausstattungsgerät sind konfiguriert, dem Anwender zuvor auf dem Media-on-Demand-Server hochgeladene Medien herunterzuladen und dem Anwender wiederzugeben. 
(V-3  The remote media-on-demand server and the second one of the user equipment devices are configured to provide the user with an opportunity to download media uploaded to the remote media-on-demand server to be presented to the user. 

b) Das Patentgericht hat entsprechend der Begründung zum Hilfsantrag IV angenommen, dass Merkmal V-3 eine an sich bekannte Maßnahme darstelle, um die Verteilung persönlicher Medieninhalte zu unterstützen, deren Vorteile aber nicht über Bekanntes hinausgehe.

c) Die dagegen von der Berufung erhobenen Einwände haben entsprechend den zu Hilfsantrag IV gegebenen Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

6. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 2) war für den Fachmann naheliegend.

a) Dieser Anspruch unterscheidet sich von der Fassung des Hauptantrags durch folgendes weiteres Merkmal:

VI-3  Das erste der Anwender-Ausstattungsgeräte ist konfiguriert, eine Umzugsoption ("relocate option") anzuzeigen, um es dem Anwender zu ermöglichen, die Lieferung des Media-on-Demand-Programms auszusetzen. 
(VI-3  The first one of the user equipment devices is configured to display a relocate option in a display screen to allow the user to request to freeze the delivery of the media-on-demand program.) 

b) Das Patentgericht hat die Lehre aus Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI im Wesentlichen aus den gleichen Gründen wie bei Hilfsantrag I als für den Fachmann naheliegend angesehen. Das jeweils hinzugekommene Merkmal unterscheide sich in beiden Fällen lediglich hinsichtlich der Art der Funktion, die nach Auswahl einer Option (Wiederaufnahme oder Aussetzung der Lieferung des Media-on-Demand-Programms) ausgelöst werden solle, so dass die Begründung zu Hilfsantrag I in gleicher Weise auch für Hilfsantrag VI gelte.

c) Die Beklagte wendet sich gegen diese Beurteilung mit den gleichen Argumenten, die sie bereits hinsichtlich des Hilfsantrags I vorgebracht hat. Wie bereits dort ausgeführt wurde, greifen diese aber auch hinsichtlich des Hilfsantrags VI nicht durch.

7. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 4) war für den Fachmann ebenfalls naheliegend.

a) Dieser Anspruch enthält gegenüber der Fassung des Hauptantrags zusätzlich folgendes Merkmal:

VII-3  Der ferne Media-on-Demand-Server beginnt mit der Aufzeichnung des Media-on-Demand-Programms, wenn er die Aufforderung zum Anhalten der Lieferung von dem ersten Anwender-Ausstattungsgerät erhalten hat. 
(VII-3  The remote media-on-demand server begins recording the media-on-demand program when the request to freeze delivery is received from the first user equipment device.) 

b) Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII als für den Fachmann naheliegend angesehen. Aus der NK20 gehe zwar nicht unmittelbar hervor, Video- und Audioinhalte auf dem VoD-Server aufzuzeichnen, nachdem eine Dienstsitzung ausgesetzt sei. Das sei aber für einen Fachmann, der stets bestrebt gewesen sei, bei Service-Architekturen das Streaming-Media-Angebot zu erweitern, naheliegend gewesen, da bei Live-Video-Streams Sitzungsmobilität nur gewährleistet werden könne, wenn nicht nur die wichtigen Zustandsparameter auf dem Server hinterlegt werden, sondern auch die Aufzeichnung des betroffenen Video-Streams gestartet wird.

c) An dieser Beurteilung ändert sich jedenfalls im Ergebnis nichts, wenn entsprechend den obigen Ausführungen zum Hilfsantrag I angenommen wird, dass der Fachmann bei seinen Überlegungen von der NK14 in Verbindung mit NK20 ausgegangen ist. Denn auch auf dieser Grundlage lag es für den Fachmann, der dem Anwender Sitzungsmobilität bei Live-Videoströmen ermöglichen wollte, nahe, für den Fall, dass der Anwender die Dienstsitzung an dem ersten Terminal aussetzt, die Daten des weiteren Live-Videostroms auf dem Server aufzuzeichnen, damit diese, wenn der Anwender die Dienstsitzung auf einem zweiten Terminal wieder aufnehmen möchte, ab der Stelle verfügbar sind, an der der Anwender die Dienstsitzung am ersten Terminal ausgesetzt hat.

Wie erläutert, erschloss es sich dem Fachmann aus der NK14 in Verbindung mit der NK20 in naheliegender Weise, dass bei einem VoD-System die Wiedergabe eines auf einem Server gespeicherten Videos vom Anwender an einem Gerät ausgesetzt und an einem anderen Gerät an der Stelle wiederaufgenommen werden kann, an der der Datenstrom auf Anforderung des Anwenders ausgesetzt worden war. Dadurch wurde der Fachmann angeregt, bei einem Live-Video-Datenstrom Sitzungsmobilität dadurch zu erreichen, dass für den Fall, dass der Anwender die Übertragung des Live-Video-Datenstroms an einem Gerät aussetzen möchte, der Live-Video-Datenstrom ab diesem Zeitpunkt auf dem Server aufgezeichnet wird, so dass dieser dem Anwender, wenn er die Übertragung des Live-Video-Datenstroms zeitversetzt an einem anderen Gerät wiederaufnehmen möchte, für eine Wiedergabe zur Verfügung steht.

Eine Anregung, das Video-on-Demand-System entsprechend auszugestalten, erhielt der Fachmann im Übrigen auch aus der internationalen Anmeldung WO 98/48566 (NK9), in der beschrieben ist, Fernsehsignaldaten eines Fernsehprogramms, das von dem Zuschauer unterbrochen worden ist, um ergänzende Daten zu dem Programm anzusehen, ab dem Zeitpunkt der Unterbrechung aufzuzeichnen, damit diese für eine Wiedergabe des Programms ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, wenn dies von dem Zuschauer angefordert wird (NK9, S. 8, Z. 5 ff.).

Der NK9 ist zudem zu entnehmen, dass entgegen der Auffassung der Berufung die digitale Aufzeichnung eines Fernsehprogramms bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents zum Wissen und Können des Fachmanns zählte.

8. Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII (vormals im Wesentlichen Hilfsantrag 5) war für den Fachmann naheliegend.

a) Dieser Anspruch enthält gegenüber der Fassung des Hilfsantrags VII zusätzlich folgendes Merkmal:

VIII-4  Die Media-on-Demand-Präsentation wird auf dem zweiten Anwender-Ausstattungsgerät wiederaufgenommen, wenn der ferne Media-on-Demand-Server den Beginn des aufgezeichneten Media-on-Demand-Programms aufruft und das Media-on-Demand-Programm von Beginn des aufgezeichneten Media-on-Demand-Programms auf dem zweiten Anwender-Ausstattungsgerät spielt. 
(VIII-4  The media-on-demand presentation is resumed on the second user equipment device when the remote media-on-demand server retrieves the beginning of the recorded media-on-demand program and plays the media-on-demand program from the beginning of the recorded media-on-demand program on the second user equipment device.) 

b) Das Patentgericht hat es im Hinblick auf die NK20, die bereits "übergangslose" Sitzungsmobilität für vorab gespeicherte Videos direkt offenbare, als selbstverständlich angesehen, den aufgezeichneten Live-Video-Stream vom Zeitpunkt der Unterbrechung an wiederzugeben, nachdem die Dienstsitzung wiederaufgenommen worden sei, wenn ein nahtloser Übergang des Streamings zwischen dessen Aussetzung und Wiederaufnahme zur Voraussetzung gemacht werde.

c) Auch wenn anknüpfend an die vorstehenden Ausführungen zu Hilfsantrag I nicht von der K20, sondern von der K14 in Verbindung mit der K20 ausgegangen wird, ändert dies nichts daran, dass es für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Selbstverständlichkeit war, die Präsentation des VoD-Programms auf dem zweiten Anwender-Ausstattungsgerät zu beginnen, wenn der Server den Beginn des aufgezeichneten VoD-Programms aufruft und das VoD-Programm von Beginn des aufgezeichneten VoD-Programms auf dem zweiten Anwender-Ausstattungsgerät spielt. Die Beklagte wendet sich zwar gegen die entsprechende Bewertung des Patentgerichts, zeigt aber keine über ihr Vorbringen zu Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII hinausgehenden Gründe auf, die gegen diese Bewertung sprechen, so dass es auch insoweit mit den Ausführungen zu diesem Hilfsantrag sein Bewenden haben kann

9. Die jeweilige Verfahrenslehre des eigenständigen Patentanspruchs 18 gemäß den Hilfsanträgen I bis VIII war für den Fachmann entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 in der jeweiligen Fassung ebenfalls naheliegend.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 29. Oktober 2019

Vorinstanz: BPatG, vom 13.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 14/15 (EP)