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BGH - Entscheidung vom 12.03.2019

X ZR 32/17

Normen:
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EPÜ Art. 54 Abs. 2
ZPO § 286 E
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EPÜ Art. 54 Abs. 2
ZPO § 286 (E)
ZPO § 286

Fundstellen:
GRUR 2019, 713
MDR 2019, 881

BGH, Urteil vom 12.03.2019 - Aktenzeichen X ZR 32/17

DRsp Nr. 2019/7713

Offenbarung eines nur in einer Richtung begrenzten Wertebereichs als ausführbar hinsichtlich Erschöpfung der Erfindung in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs; Patentfähigkeit und Schutzfähigkeit des Streitpatents mit der Bezeichnung "Zusammensetzung auf der Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids" als geeignete Bestandteile von Katalysatoren i.R.d. Erfindung

a) Ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen.b) Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn das Patent lediglich ein neues Verfahren zur Verfügung stellt, mit dem ein im Stand der Technik bekannter Stoff mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden kann. ZPO § 286 E a) Dem Ergebnis eines nach dem Prioritätstag durchgeführten Versuchs kann für die Beurteilung der Frage, welchen Stoff der Fachmann vor dem Prioritätstag durch identische oder naheliegende Nacharbeitung eines im Stand der Technik offenbarten Verfahrens erhalten hätte, nur Indizwirkung zukommen.b) Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozessrechts kann ein solcher Indizienbeweis auch im Patentnichtigkeitsverfahren nur dann als geführt angesehen werden, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vorgetragenen Indiztatsachen zutreffen und dass diese mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit darauf schließen lassen, dass die unter Beweis gestellte Haupttatsache zutrifft.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. September 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Das europäische Patent 605 274 wird insoweit für nichtig erklärt, als sein Anspruch 1 die folgende Fassung erhält und sich die Rückbezüge auf Anspruch 1 in den Ansprüchen 2 bis 9 auf diese Fassung beziehen:

Composition à base dun oxyde mixte de cérium et de zirconium, caractérisée en ce quelle se présente sous la forme dune phase cristalline cubique unique doxyde cérique, le zirconium étant en solution solide dans loxyde de cérium, et en ce quelle présente une surface spécifique après calcination à 800°C pendant 6 heures entre 30 m2/g et 57 m2/g.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.

Normenkette:

ZPO § 286 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 605 274 (Streitpatents), das am 15. Dezember 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität einer französischen Anmeldung vom 21. Dezember 1992 angemeldet worden ist, eine Zusammensetzung auf der Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids betrifft und insgesamt 24 Patentansprüche umfasst.

Patentanspruch 1, auf den acht weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Composition à base dun oxyde mixte de cérium et de zirconium, caractérisée en ce quelle se présente sous la forme dune phase cristalline cubique unique doxyde cérique, le zirconium étant en solution solide dans loxyde de cérium, et en ce quelle présente une surface spécifique après calcination à 800°C pendant 6 heures dau moins 30 m2/g.

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat das Schutzrecht im Umfang der Patentansprüche 1 bis 9 mit der Begründung angegriffen, insoweit sei die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen und drei weiteren Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet, hinsichtlich des ersten Hilfsantrags hingegen begründet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Zusammensetzung auf der Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren Cer- und Zirkoniumoxid im Stand der Technik als geeignete Bestandteile von Katalysatoren bekannt, insbesondere auch von Drei-Wege-Katalysatoren zum Abbau von Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden im Abgas von Verbrennungsmotoren. Vieles habe darauf hingedeutet, dass der kombinierte Einsatz beider Stoffe besonders vorteilhaft sei. Verschiedentlich sei versucht worden, Mischoxide einzusetzen. Dafür sei ein Material mit einer möglichst großen Oberfläche und einer hohen Temperaturbeständigkeit erforderlich. Um solche Mischoxide zu erhalten, müsse eine Kalzinierung oder ein Tempern bei mehr als 1000°C erfolgen. Aufgrund dieser hohen Temperatur liege die spezifische Oberfläche nicht über 10 m2/g, im Allgemeinen sogar unterhalb von 5 m2/g.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Mischoxid aus Cer und Zirkonium mit hoher Temperaturbeständigkeit und großer Oberfläche zur Verfügung zu stellen.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Zusammensetzung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1.

Die Zusammensetzung basiert auf einem Cer-Zirkonium-Mischoxid.

2.

Die Zusammensetzung liegt in Form einer rein kubisch-kristallinen Phase aus Ceroxid vor, mit Zirkonium in fester Lösung.

3.

Nach sechs Stunden Kalzinieren bei 800°C beträgt die spezifische Oberfläche mindestens 30 m2/g.

3. Die Merkmale 2 und 3 bedürfen näherer Betrachtung.

a) Eine kubisch-kristalline Phase ist ein Kristallgitter mit einer würfelförmigen Grundstruktur.

Kristallines Ceroxid (CeO2) weist diese Struktur auf, und zwar in einer Anordnung, die auch bei Fluorit (Flussspat, CaF2) auftritt und deshalb auch als Fluoritgitter bezeichnet wird.

b) Eine feste Lösung im Sinne von Merkmal 2 ist eine Mischung zweier Feststoffe in homogener Form.

Bei Kristallen müssen die Atome der beiden Stoffe hierfür ein einheitliches Kristallgitter bilden. Eine heterogene Mischung liegt hingegen vor, wenn die beiden Stoffe separate Partikel bilden, die miteinander vermengt sind.

c) Merkmal 3 enthält, wie das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet ausgeführt hat, keine Vorgabe für den Herstellungsprozess, sondern lediglich eine Anforderung an die Materialeigenschaften.

Den Hintergrund dafür bildet der auch in der Beschreibung des Streitpatents angesprochene Umstand, dass das Kalzinieren im Allgemeinen zu einer Verringerung der spezifischen Oberfläche führt. Merkmal 3 gibt auf dieser Grundlage vor, dass die spezifische Oberfläche der Zusammensetzung auch dann noch mindestens 30 m2/g beträgt, wenn sie über sechs Stunden hinweg bei 800°C kalziniert worden ist. Diese Eigenschaft bildet ein Indiz dafür, dass die Zusammensetzung für den vorgesehenen Zweck geeignet ist, weil die Betriebstemperatur eines Katalysators einen vergleichbaren Wert erreichen kann.

Ob die Zusammensetzung im Rahmen des Herstellungsprozesses oder während des Betriebs tatsächlich den genannten Temperaturbedingungen unterworfen wird, ist demgegenüber nicht von unmittelbarer Bedeutung. Aus Merkmal 3 ergibt sich in der Regel allerdings die Konsequenz, dass die spezifische Oberfläche vor einem Kalziniervorgang der genannten Art deutlich größer als 30 m2/g sein muss, weil das Kalzinieren typischerweise zu einer Verringerung der Oberfläche führt. Eine solche Zusammensetzung ist für den Einsatz in einem Katalysator aber auch und erst recht geeignet, wenn sie bei Herstellung und im Betrieb weniger strengen Bedingungen ausgesetzt wird.

d) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung kann Patentanspruch 1 nicht entnommen werden, dass auch die in Merkmal 2 definierte Struktur erst nach sechsstündigem Kalzinieren bei 800°C vorliegen muss.

Nach dem Wortlaut von Patentanspruch 1 bezieht sich die Anforderung "après calcination à 800°C pendant 6 heures" lediglich auf die in Merkmal 3, nicht aber auf die in Merkmal 2 definierten Eigenschaften.

Diese Unterscheidung steht in Einklang mit dem vom Patentgericht angesprochenen Umstand, dass die in Merkmal 2 definierten Eigenschaften - anders als die spezifische Oberfläche - durch langes Kalzinieren bei hohen Temperaturen nicht verloren gehen, sondern eher begünstigt werden.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es könne dahingestellt bleiben, ob die allgemeine Lehre einer Kalzinierung für sechs Stunden bei 800°C in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart sei und ob die technische Lehre von Patentanspruch 1 so offenbart sei, dass der Fachmann, ein promovierter Chemiker mit Erfahrung in der Entwicklung von Abgaskatalysatoren, sie ausführen könne. Der angegriffene Gegenstand sei jedenfalls nicht patentfähig.

Hierbei könne offenbleiben, ob der angegriffene Gegenstand in der US-Patentschrift 4 940 685 (K4) oder der Veröffentlichung von Fu-k'ang et al. (Zirconates of the rare earth elements and their physicochemical properties, Russian Chemical Bulletin, 1964, 1070 bis 1075, K16) vollständig offenbart sei oder ob dort geschilderte Beispiele mit den in K5, K18 und K12 dokumentierten Versuchen identisch nachgearbeitet seien. Der genannte Gegenstand sei jedenfalls durch die Veröffentlichung von Matsumoto et al. (The Effect of Complex Oxides in Ce-La and Ce-Zr Systems on Thermal Resistent Automotive Three-Way Catalyst, Catalytic Science and Technology, 1991, 335 bis 338, K10), K4 und das allgemeine Fachwissen nahegelegt.

Aus K10 seien dem Fachmann Drei-Wege-Katalysatoren bekannt, die aus komplexen Oxiden des Ce/Zr-Systems aufgebaut seien. Von diesem System wisse der Fachmann, dass der Einbau von Zirkonium in das Kristallgitter des Ceroxids die thermische Stabilität erhöhe und solche Mischoxide in Form einer festen Lösung mit einer rein kubisch-kristallinen Struktur vorlägen. Der Fachmann erachte die in K10 zur Herstellung verwendeten Temperaturen von 1200°C als nachteilig, weil diese zum Verschmelzen von Poren und damit zu einer kleinen spezifischen Oberfläche führten. Auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten werde der Fachmann die Entgegenhaltung K4 und dort vorrangig das Ausführungsbeispiel 2 heranziehen. Daraus ergebe sich, dass Temperaturen von maximal 400°C ausreichten, um Mischoxide zu erhalten, die nach einer sechsstündigen Kalzinierung bei 700°C bzw. 900°C noch spezifische Oberflächen von 50 m2/g bzw. 10 m2/g aufweisen. Auch wenn der Fachmann aus K4 keine Informationen über die kristallographischen Eigenschaften erhalte und in Kenntnis von K10 davon ausgehen müsse, dass aufgrund der niedrigen Temperaturen nicht die gewünschte feste Lösung mit rein kubischer Kristallstruktur vorliege, werde er die Ähnlichkeiten der in den beiden Entgegenhaltungen offenbarten Mischoxide nicht übersehen. Dies werde ihn veranlassen, den Grundsatz, dass für den Erhalt eines echten Mischoxids mit den in Merkmal 2 definierten Eigenschaften Temperaturen von mindestens 1000°C erforderlich seien, nochmals zu überdenken. Bei einem eingehenderen Studium des Phasendiagramms gelange er zu der Erkenntnis, dass diese Eigenschaften auch bei Temperaturen von 400°C vorliegen könnten, sofern ein geeignetes Mengenverhältnis vorliege.

Hinsichtlich des Gegenstands der Patentansprüche 2 bis 9 und des mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag verteidigten Gegenstands gelte nichts Abweichendes.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch K10, K4 und das allgemeine Fachwissen nicht nahegelegt.

1. In K10 werden Versuche mit Mischoxiden auf der Basis von Cer und Lanthan bzw. Cer und Zirkonium geschildert. Als Ziel der als Grundlagenforschung bezeichneten Untersuchung wird eine Verbesserung des thermischen Widerstands von Katalysatoren für Automobile im Vergleich zu Ceroxid (CeO2) angegeben. Die untersuchten Oxide wurden unter Verwendung wässriger Lösungen von Cernitrat, Lanthannitrat und Zirconylnitrat hergestellt. Die Proben wurden zunächst auf 600°C und sodann auf Temperaturen bis zu 1200°C erhitzt. Anhand der Beugung von Röntgenstrahlen wurden die Phasen und die stöchiometrischen Verhältnisse analysiert. Für Mischungen aus Cer- und Zirkoniumoxid (CeO2-ZrO2) werden in Tabelle 1 folgende Phasen beschrieben:

(Ce1-x, Zrx)O2 
Phase 
CeO2 
0,1  CeO2 s.s. 
0,2  CeO2 s.s. 
0,3  CeO2 s.s. + C2 
0,4  CeO2 s.s. + ZrO2 s.s. + C2 

* s.s.: solid solution, C2: cubic fluorite-type oxide

Aus diesen Daten wird abgeleitet, dass sich in CeO2-ZrO2-Systemen eine feste Lösung der Formel (Ce1-x, Zrx)O2 (x < 0,2), Komplexoxide und eine zirkoniumreiche feste Lösung der Formel (Zr1-x, Cex)O2 bildeten. Die Gitterkonstante der zuerst genannten Lösung nehme mit dem Zirkoniumgehalt ab. Die Ursache dafür sei die unterschiedliche Größe der Kationen in festen Oxidlösungen mit der gleichen Struktur vom Fluorittyp.

Aus weiteren Untersuchungen wird die Schlussfolgerung gezogen, die Zugabe von Zirkonium verbessere die thermische Stabilität und erhöhe die CO-Aktivität.

2. Ob damit zumindest für einige der untersuchten Mischungen eine rein kubisch-kristalline Phase aus Ceroxid mit Zirkonium in fester Lösung offenbart ist, kann dahingestellt bleiben. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts bestand für den Fachmann jedenfalls keine Veranlassung, das in K10 offenbarte Herstellungsverfahren bei geringeren Temperaturen durchzuführen, um eine größere spezifische Oberfläche zu erzielen.

a) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist in K4 zwar ein Verfahren offenbart, mit dem eine relativ große spezifische Oberfläche erzielt werden kann. Aus K4 ergeben sich aber keine Informationen über die kristallographischen Eigenschaften der dort offenbarten Cer-Zirkonium-Mischoxide. Die in K4 offenbarten niedrigen Temperaturen ließen am Prioritätstag sogar eher darauf schließen, dass die dort hergestellten Mischoxide nicht die in Merkmal 2 definierte Struktur aufweisen.

Vor diesem Hintergrund konnte der Fachmann auch nach Einschätzung des Patentgerichts nur dann zu der vom Streitpatent geschützten Lehre gelangen, wenn er die aus K10 und K4 abgeleiteten Erkenntnisse zu Temperatur und Kristallstruktur grundlegend überdachte.

b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich für den Fachmann aus K10, K4 und dem allgemeinen Fachwissen keine Veranlassung zu derart weitreichenden und grundlegenden Erwägungen.

Dabei kann mit dem Patentgericht unterstellt werden, dass der Fachmann Anlass hatte, die spezifische Oberfläche von Zusammensetzungen der in K10 offenbarten Art zu vergrößern. Auch bei dieser Ausgangslage ergab sich aus dem Umstand, dass sowohl in K10 als auch in K4 die im Vergleich zu Ceroxid erhöhte thermische Stabilität von Cer-Zirkonium-Mischoxiden mit dem Einbau von Zirkonium in das Ceroxid-Kristallgitter begründet wird, kein konkreter Hinweis darauf, dass gerade eine einheitliche Phase mit kubisch-kristalliner Form das entscheidende Mittel darstellt, mit dem das genannte Ziel erreicht werden kann. Selbst wenn der Fachmann aus den in der Einleitung des Streitpatents dargelegten Gründen Anlass gehabt hätte, diese Struktur als besonders Erfolg versprechend in Betracht zu ziehen, ergab sich auch daraus keine Veranlassung, die im Stand der Technik offenbarten Wege zur Schaffung einer solchen Struktur nochmals grundlegend zu überdenken, sich mit der grundsätzlichen Frage zu befassen, bei welchen Temperatur- und Mischungsverhältnissen sich eine solche Phase bilden kann, und auf dieser Grundlage einen vollständig neuen Ansatz zu entwickeln.

c) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch nicht deshalb nahegelegt, weil sich bei einer Zusammensetzung, wie sie in K4 beschrieben ist, eine feste Lösung im Sinne von Merkmal 2 jedenfalls nach einer Kalzinierung bei 800°C bildet.

Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Informationen zur erforderlichen Mindesttemperatur sich für den Fachmann aus der Veröffentlichung von Tani et al. (Revised Phase Diagram of the System ZrO2-CeO2 below 1400°C, Journal of the American Ceramic Society, 1983, 506-510, BK4) und dem sonstigen Fachwissen ergaben. Selbst wenn daraus zu entnehmen war, dass sich eine feste Lösung schon bei Temperaturen von deutlich unter 1000°C bildet, hätte der Fachmann zu dieser Erkenntnis nur dann gelangen können, wenn er die im Stand der Technik offenbarten Herstellungsverfahren grundlegend überdacht hätte, wie dies das Patentgericht angenommen hat. Hierzu bestand für den Fachmann aus den bereits dargelegten Gründen aber kein Anlass.

IV. Die angefochtene Entscheidung erweist sich hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.

Der Umstand, dass in Merkmal 3 keine Obergrenze für die spezifische Oberfläche angegeben ist, hat zur Folge, dass die mit der erteilten Fassung beanspruchte Erfindung nicht so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es bei einem Merkmal, das in verallgemeinerter Form beansprucht ist, nicht generell erforderlich, dass die Patentschrift dem Fachmann für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzeigt.

Wenn etwa ein "generisch" beanspruchter Verfahrensschritt bei wertender Betrachtung in seiner allgemeinen Bedeutung zur erfindungsgemäßen Problemlösung gehört, genügt es grundsätzlich, wenn eine bestimmte Ausführungsform ausführbar offenbart ist. Anders kann es sich hingegen verhalten, wenn ein offener Bereich durch zwei einander entgegenwirkende Parameter definiert wird, ohne dass die sich aus dem Zusammenwirken der Parameter ergebenden Schranken offenbart sind. Dann beansprucht der Satz Geltung, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird. Die ausführbare Offenbarung erfasst in solchen Fällen nur die Bereiche, in denen sich die Ausführbarkeit aus den offenbarten oder dem nacharbeitenden Fachmann geläufigen Maßnahmen ergibt oder in denen sie, insbesondere bei punktuellen Offenbarungen, jedenfalls plausibel ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - Xa ZR 100/05, BGHZ 184, 300 = GRUR 2010, 414 Rn. 23 - Thermoplastische Zusammensetzung).

Die Beurteilung dieser Frage bedarf stets einer wertenden Betrachtung. Welches Maß an Verallgemeinerung in diesem Zusammenhang zulässig ist, richtet sich im Einzelfall danach, ob der mit der jeweiligen Anspruchsfassung erschlossene Schutz sich im Rahmen dessen hält, was dem Patent aus Sicht des Fachmanns unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre zu entnehmen ist, durch die das der Erfindung zu Grunde liegende Problem gelöst wird (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, BGHZ 198, 205 = GRUR 2013, 1210 Rn. 21 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; Urteil vom 17. Januar 2017 - X ZR 11/15, GRUR 2017, 493 Rn. 36 - Borrelioseassay).

2. Im Streitfall ist die Erfindung danach nicht ausführbar offenbart.

a) Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der beanspruchte Bereich einseitig offen ist und sich deshalb theoretisch ins Unendliche erstreckt.

Ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann nach den oben aufgezeigten Grundsätzen ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, beruht eine spätere Erfindung, die den vom Patent aufgezeigten Ansatz nutzt und durch zusätzliche oder abgewandelte Maßnahmen zu weiteren Verbesserungen führt, auf dem Beitrag, den das Patent zum Stand der Technik geleistet hat.

b) Eine verallgemeinerbare Lehre in diesem ersteren Sinne zeigt das Streitpatent indes nicht auf. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es nicht erstmals einphasige Cer-Zirkonium-Mischoxide mit der in Merkmal 3 definierten spezifischen Oberfläche zur Verfügung gestellt, sondern lediglich ein neues Verfahren, mit dem solche Mischoxide mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden können.

Wie bereits oben im Zusammenhang mit K10 ausgeführt wurde, waren Mischoxide, die eine kubisch-kristalline Phase aus Ceroxid mit Zirkonium in fester Lösung aufweisen, am Prioritätstag bekannt. Das Streitpatent hat zwar insoweit einen Beitrag zum Stand der Technik geleistet, als es aufgezeigt hat, dass es zur Herstellung solcher Strukturen mit einer den Anforderungen von Merkmal 3 entsprechenden spezifischen Oberfläche nicht der hohen Temperaturen bedarf, die in K10 offenbart sind. Damit hat es aber weder eine neue Klasse von Mischoxiden zur Verfügung gestellt noch eine sonstige verallgemeinerbare Lehre aufgezeigt, die es dem Fachmann ermöglicht, die spezifische Oberfläche unabhängig von dem im Streitpatent offenbarten Herstellungsverfahren weiter zu erhöhen. Eine spätere Erfindung, die unabhängig von diesem Herstellungsverfahren eine weitere Verbesserung ermöglicht, beruht damit nicht auf dem Beitrag, den das Streitpatent zum Stand der Technik geleistet hat. Deshalb ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung nur derjenige Bereich als ausführbar offenbart anzusehen, der mit dem offenbarten Verfahren erreicht werden kann.

c) Entgegen den - möglicherweise missverständlichen - Erwägungen des Patentgerichts ist die Erfindung auch nicht deshalb ausführbar offenbart, weil gemäß Merkmal 3 die spezifische Oberfläche maßgeblich ist, die sich nach einem sechsstündigen Kalzinieren bei 800°C ergibt.

Wie bereits oben dargelegt wurde, führt eine solche Behandlung in der Regel dazu, dass die spezifische Oberfläche abnimmt. Dies mag, wie das Patentgericht erwogen hat, dazu führen, dass der in der Praxis erreichbare Maximalwert der spezifischen Oberfläche bestimmten Grenzen unterliegt. Hieraus ergibt sich für den Fachmann indes kein Ansatz, um die spezifische Oberfläche weiter zu vergrößern, sondern eher ein Hindernis, das die Erreichung dieses Ziels zusätzlich erschwert.

V. Die Sache ist zur Endentscheidung reif.

Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand, der auf Zusammensetzungen mit einer spezifischen Oberfläche im Bereich von 30 m2/g bis 57 m2/g beschränkt ist, erweist sich als rechtsbeständig.

1. Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung geht der mit diesem Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

Dem steht nicht entgegen, dass der beanspruchte Wert von 57 m2/g weder in der Beschreibung der Anmeldung noch in den dort formulierten Ansprüchen als Obergrenze für die spezifische Oberfläche definiert ist. Dass eine Zusammensetzung mit einer so großen spezifischen Oberfläche als zur Erfindung gehörend offenbart ist, ergibt sich aus den bereits in der Anmeldung enthaltenen Darlegungen zu den verschiedenen Ausführungsbeispielen, bei denen für die spezifische Oberfläche unterschiedliche Werte angegeben werden, die den Bereich von 30 m2/g bis hin zu dem in Ausführungsbeispiel 5 angegebenen Wert von 57 m2/g abdecken. Damit ist hinreichend deutlich ein Bereich aufgezeigt, für den die Erfindung einen über den Stand der Technik hinausgehenden Beitrag für sich in Anspruch nimmt.

Dass der genannte Wert bei den anderen in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispielen nicht erreicht werden konnte, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Für die unmittelbare und eindeutige Offenbarung als zur Erfindung gehörend genügt es, wenn ein Ausführungsbeispiel aufgezeigt wird, bei dem alle im Patentanspruch vorgesehenen Merkmale verwirklicht sind.

2. Die mit Hilfsantrag 1 beanspruchte Erfindung ist so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

a) Wie bereits dargelegt wurde, entspricht der beanspruchte Maximalwert für die spezifische Oberfläche dem in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels 5 (Abs. 65 ff.) offenbarten Wert. Damit ist dem Fachmann für den gesamten beanspruchten Bereich ein gangbarer Weg aufgezeigt.

b) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung fehlt es nicht deshalb an einer ausführbaren Offenbarung, weil die in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 3 Z. 36-43) angeführte Messmethode nach dem Standard ASTM D 3663-78, die auf der erstmals von Brunauer, Emmet und Teller (BET) im Jahr 1938 vorgeschlagenen Vorgehensweise beruht, als ungeeignet anzusehen wäre.

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts wird die BET-Methode in der Praxis auch bei Katalysatoren eingesetzt, deren Adsorptionsisotherme nicht den Typen II oder IV zugeordnet werden kann.

Die Berufungserwiderung zieht diese Feststellung nicht in Zweifel. Umstände, die für eine abweichende Würdigung sprechen könnten, sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Feststellung des Patentgerichts steht insbesondere nicht in Widerspruch zu der von der Berufungserwiderung zitierten Stelle in den einleitenden Bemerkungen des Standards (K2 S. 1140 bei 1.1), wonach die standardisierte Methode die Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Katalysatoren der Typen II oder IV abdeckt. Aus diesen Ausführungen mag sich ergeben, dass das Verfahren nur für diese beiden Typen dem Standard entspricht. Ihnen kann aber nicht entnommen werden, dass es für andere Typen ungeeignet wäre.

(2) Der von der Berufungserwiderung hervorgehobene Umstand, dass die BET-Methode bei bestimmten Isothermentypen zu geringe Messwerte liefert, weil die zur Bestimmung der Oberfläche eingesetzten Stickstoffatome nicht in jede Pore eindringen, steht der Tauglichkeit dieser Methode für den im Streitpatent vorgesehenen Einsatzzweck nicht entgegen.

Dem Streitpatent geht es darum, eine möglichst große spezifische Oberfläche zu erzielen. Um die Erreichung dieses Ziels überprüfen zu können, bedarf es einer Messmethode, die hinreichende Gewissheit gibt, dass die tatsächlich vorhandene Oberfläche nicht kleiner ist, als dies der ermittelte Messwert ausweist. Dieser Anforderung wird die BET-Methode auch in den hier in Rede stehenden Konstellationen gerecht. Die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die tatsächlich vorhandene Oberfläche den gemessenen Wert sogar übertrifft, stellt für den vom Streitpatent vorausgesetzten Einsatzzweck keinen praktisch relevanten Nachteil dar.

(3) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung steht der Ausführbarkeit auch nicht entgegen, dass die BET-Methode oder der Standard ASTM D 3663-78 in den Patentansprüchen nicht ausdrücklich benannt werden.

Aus dem Umstand, dass die Patentansprüche nicht auf eine bestimmte Messmethode Bezug nehmen, mag sich ergeben, dass nicht zwingend die in der Beschreibung angeführte Methode heranzuziehen ist. Gerade wenn mehrere Methoden in Betracht kommen, die zu grundlegend unterschiedlichen Ergebnissen führen, kommt den Angaben in der Beschreibung aber ausschlaggebende Bedeutung zu, um die für sich gesehen nicht ausreichenden Vorgaben in den Patentansprüchen zu konkretisieren. Dies muss im vorliegenden Zusammenhang nicht zwingend zur Folge haben, dass nur eine Messung nach dem Standard ASTM D 3663-78 in Frage kommt. Eine andere Methode darf aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie nach ihren Maßgaben im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse erwarten lässt.

c) Auf den in erster Instanz geltend gemachten Einwand, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil in der Anmeldung (ebenso wie in der Patentschrift) nicht bei allen Ausführungsbeispielen eine sechsstündige Kalzinierung bei 800°C offenbart ist, ist die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung nicht zurückgekommen. Er ist aus den bereits vom Patentgericht angestellten Erwägungen nicht begründet.

3. Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist patentfähig.

a) Die von der Klägerin vorgelegten Versuchsberichte und Erklärungen zu Nacharbeitungen des in K4 offenbarten Ausführungsbeispiels 2 (K5, K5a, K5b, K18, K18a) vermögen nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit die Schlussfolgerung zu stützen, dass der Fachmann durch identische Nacharbeitung dieses Beispiels oder eine nahegelegte Abwandlung eine Zusammensetzung mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 erhalten hätte.

aa) Die Frage, welche Zusammensetzungen der Fachmann vor dem Prioritätstag durch identische oder naheliegende Nacharbeitungen des genannten Beispiels erhalten hätte, kann im Streitfall nur anhand von Indizien beurteilt werden.

Eine unmittelbare Beweisführung käme nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass es vor dem Prioritätstag bereits gelungen war, durch solche Nacharbeitungen eine patentgemäße Zusammensetzung zu erhalten. Solche Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die von der Klägerin vorgetragenen Versuchsergebnisse sind für eine unmittelbare Beweisführung schon deshalb ungeeignet, weil die dokumentierten Versuche nach dem Prioritätstag stattgefunden haben. Die Ergebnisse dieser Versuche können insbesondere angesichts des erheblichen Zeitabstands zum Prioritätstag im Jahre 1992 nur ein Indiz dafür bilden, dass sich vor dem Prioritätstag im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse eingestellt hätten.

bb) Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozessrechts kann ein Indizienbeweis nur dann als geführt angesehen werden, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vorgetragenen Indiztatsachen zutreffen und dass diese mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit darauf schließen lassen, dass die unter Beweis gestellte Haupttatsache zutrifft. Der Tatrichter darf und muss deshalb vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, ob also die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 167/11, NJW-RR 2013, 743 Rn. 26; Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 45).

Diese Grundsätze sind auch für das Patentnichtigkeitsverfahren maßgeblich.

Anders als im Zivilprozess gilt im Patentnichtigkeitsverfahren zwar der Grundsatz der Amtsermittlung. Dieser kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch nur dazu führen, dass das Gericht bei seiner Würdigung gegebenenfalls auch Indiztatsachen zu berücksichtigen hat, die von keiner Partei vorgetragen wurden, sofern sich aus sonstigen Umständen entsprechende Anhaltspunkte ergeben. Die Würdigung, ob die vorgetragenen und sonstigen Indiztatsachen in ihrer Gesamtheit zu der Schlussfolgerung führen, dass die Haupttatsache zutrifft, hat demgegenüber in gleicher Weise zu erfolgen.

cc) Im Streitfall reichen die von der Klägerin aufgezeigten Indizien nicht aus, um zweifelsfrei die Schlussfolgerung zu stützen, dass der Fachmann vor dem Prioritätstag durch Nacharbeiten des in K4 offenbarten Ausführungsbeispiels 2 eine Zusammensetzung mit den Merkmalen 2 und 3 erhalten hätte. Zusätzliche Indizien, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich. Deshalb bedarf es keiner Beweisaufnahme über die von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die von der Beklagten in erster Instanz monierten Abweichungen in der Durchführung der Versuche für das dokumentierte Ergebnis ursächlich waren. Wie die Beklagte zu Recht geltend macht, bestehen jedenfalls deshalb durchgreifende Zweifel am Aussagewert der dokumentierten Versuche, weil der angegebene Wert für die spezifische Oberfläche nach sechsstündigem Kalzinieren bei 900°C mit 24 m2/g (K5 S. 3) bzw. 27,2 m2/g (K18) deutlich höher ist als der in K4 offenbarte Wert von 10 m2/g (K4 Sp. 9 Z. 4) und weil die in den Versuchsberichten wiedergegebenen Diagramme nicht mit der hinreichenden Sicherheit den Schluss zulassen, dass eine rein kubisch-kristalline Phase aus Ceroxid mit Zirkonium in fester Lösung vorliegt.

(1) Die auffälligen Abweichungen hinsichtlich der spezifischen Oberfläche nach sechsstündigem Kalzinieren bei 900°C begründen Zweifel daran, dass die dokumentierten Versuche so vorgenommen wurden, wie es für den Fachmann am Prioritätstag nahegelegen hätte.

Die in den Versuchsberichten dokumentierten Werte betragen mehr als das Doppelte des in K4 angegebenen Werts und liegen sogar nahe dem Wert, den das Streitpatent für ein sechsstündiges Kalzinieren bei 800°C beansprucht. Dies lässt es als möglich erscheinen, dass die in K5 und K18 dokumentierten Versuche unbeabsichtigt unter Rahmenbedingungen stattgefunden haben, die nicht denjenigen entsprechen, die bei einer Nacharbeitung von K4 vor dem Prioritätstag vorgelegen hätten. Die Abweichung kann zwar theoretisch auch auf einer unzutreffenden Messung oder Wiedergabe in K4 beruhen. Diese Möglichkeit erscheint aber schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil die Messwerte für 400°C, 550°C und 700°C, soweit sie in den Versuchsberichten angegeben sind, mit den in K4 angegebenen Werten im Wesentlichen übereinstimmen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt es vor diesem Hintergrund nicht an der Beklagten, mögliche andere Ursachen aufzuzeigen, mit denen sich die aufgetretene Abweichung erklären lässt. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, in tatrichterlicher Würdigung zu beurteilen, ob die von der Klägerin aus den Versuchsberichten abgeleiteten Schlussfolgerungen mit hinreichender Gewissheit als zutreffend angesehen werden können, also keine relevanten Zweifel verbleiben, die dieser Schlussfolgerung entgegenstehen könnten. Solche Zweifel lassen sich im Streitfall nicht vollständig ausräumen.

(2) Zusätzliche Zweifel ergeben sich aus dem Umstand, dass die in den Versuchsberichten (K5 S. 4; K5b S. 3 und 4; K18; K18a Annex A) wiedergegebenen Diagramme, in denen die Ergebnisse von Untersuchungen der Kristallstruktur mittels Röntgendiffraktion (X-Ray Diffraction, XRD) und Raman-Spektroskopie dargestellt sind, und die darauf bezogenen Ausführungen nicht ohne weiteres den Schluss darauf zulassen, dass die hergestellten Zusammensetzungen aus einer einzigen Phase bestehen.

Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anhand der Figuren 5 und 6 der Streitpatentschrift unwidersprochen dargelegt hat, ist die Anwesenheit einer zweiten, aus Zirkoniumoxid (ZrO2) bestehenden Phase in solchen Diagrammen anhand von Ausschlägen (Peaks) zu erkennen, deren Höhe deutlich geringer ist als diejenige der von der ersten Phase verursachten Ausschläge. Bei den dokumentierten Nacharbeitungen ist sogar noch eine deutlich geringere Höhe zu erwarten als in Figur 6 des Streitpatents, weil der Anteil von Zirkoniumoxid bei den Versuchen in K5 und K18 nur 2,5% beträgt, bei dem im Streitpatent beschriebenen Versuch hingegen 30%.

Vor diesem Hintergrund ist es aufgrund der Angaben in den Versuchsberichten zwar möglich, dass die erhaltene Zusammensetzung nur aus einer Phase besteht. Die für die Darstellung gewählte Auflösung ist aber so gering, dass das Vorhandensein einer zweiten Phase nicht mit Sicherheit auszuschließen ist.

(3) Ob die beiden aufgezeigten Umstände jeweils schon für sich relevante Zweifel an der von der Klägerin postulierten Schlussfolgerung wecken würden, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit beeinträchtigen sie den Indizwert der dokumentierten Versuche so stark, dass der Senat nicht zu der Überzeugung zu gelangen vermag, dass der Fachmann vor dem Prioritätstag durch eine identische oder nahegelegte Nacharbeitung von K4 eine Zusammensetzung mit den Merkmalen 2 und 3 erhalten hätte.

b) Entsprechendes gilt für den Bericht über die Nacharbeitung des in K16 offenbarten und dort als gescheitert bezeichneten Versuchs zur Herstellung von Cerzirkonat in Luftatmosphäre (K12).

aa) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich aus K16 die Offenbarung oder zumindest eine Anregung zur Herstellung eines Cer-Zirkonium-Mischoxids ergibt, obwohl die dort geschilderten Versuche der Herstellung von Cerzirkonat dienen.

In K16 wird zwar ausgeführt, Cerzirkonat werde bei Oxidation des dreiwertigen Cer in die vierwertige Form zersetzt, wodurch Ceroxid (CeO2) und Zirkoniumoxid (ZrO2) miteinander reagieren und eine feste Lösung vom Fluorittyp bilden könnten. Als weitere Möglichkeit wird aber die Reaktion der beiden Oxide mit der Verbindung selbst unter Bildung einer festen Lösung vom Pyrochlortyp geschildert und ausgeführt, die Unterscheidung dieser Reaktionsprodukte im Röntgenmuster sei wegen der großen Ähnlichkeit der Strukturen sehr schwierig (K16 S. 1073 bei Figur 4).

bb) Unabhängig davon ermöglichen die Ausführungen in K21 jedenfalls deshalb nicht die Schlussfolgerung, dass eine ohne Kenntnis der Erfindung erfolgende Nacharbeitung von K16 zu einer erfindungsgemäßen Zusammensetzung geführt hätte, weil in K16 keine näheren Angaben zu Versuchsparametern wie etwa Mengenverhältnissen, Verarbeitungsweise und Temperaturführung offenbart sind.

c) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht durch die japanische Offenlegungsschrift Hei 4-55 315 (K6) nahegelegt.

aa) In K6 ist ein Verfahren zur Herstellung von feinem Ceroxidpulver (CeO2) unter Beifügung von Zirkonium offenbart. Als vorteilhafte Eigenschaften werden eine große BET-spezifische Oberfläche und eine gute thermische Stabilität angeführt, was beides für den Einsatz als Hilfskatalysator nützlich sei. Als Ergebnis eines ersten Ausführungsbeispiels wird ein Pulver beschrieben, dessen spezifische Oberfläche nach vierstündiger Wärmebehandlung bei unterschiedlichen Temperaturen folgende Werte aufweist (K6de S. 5 Z. 71 ff.):

500°C  122 m2/g 
700°C  59 m2/g 
800°C  37 m2/g 
900°C  18 m2/g 

bb) Damit fehlt es an einer Offenbarung von Merkmal 3.

Der für eine Temperatur von 800°C angegebene Wert liegt zwar oberhalb der beanspruchten Untergrenze von 30 m2/g. Er bezieht sich aber nicht auf eine sechsstündige, sondern nur auf eine vierstündige Wärmebehandlung. Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Verlängerung der Behandlung um zwei Stunden ein Wert von mindestens 30 m2/g verbliebe, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

cc) Entgegen der Berufungserwiderung ergab sich aus K6 keine Anregung zur Herstellung eines Mischoxids mit Merkmal 3.

Angesichts der Vorteile, die eine große spezifische Oberfläche mit sich bringt, hatte der Fachmann allerdings Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, die aus dem Stand der Technik bekannten Werte zu übertreffen. Aus K6 ergeben sich jedoch keine konkreten Hinweise dazu, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Insbesondere wird dort anders als im Streitpatent kein Verfahren offenbart, mit dem sich der mit Merkmal 3 beanspruchte Wert ohne weitere Abwandlung ergibt.

dd) Aus der europäischen Patentanmeldung 338 567 (K8) ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.

In K8 wird eine Zubereitung aus Ceroxid mit einer großen spezifischen Oberfläche offenbart. Als Ausführungsbeispiel 1 wird ein Produkt offenbart, das nach sechsstündiger Kalzinierung bei 800°C eine spezifische Oberfläche von 50 m2/g aufweist (K8 S. 8 Z. 9). Bei Ausführungsbeispiel 4 beträgt der entsprechende Wert sogar 80 m2/g (K8 S. 9 Z. 16 f.).

Diese Ausführungen und die zahlreichen Veröffentlichungen, in denen die Kombination von Cer und Zirkonium als vorteilhaft bezeichnet wird, mögen dem Fachmann Veranlassung gegeben haben, die Eigenschaften des in K8 offenbarten Produkts durch Zugabe von Zirkonium zu verbessern. Daraus ergaben sich für den Fachmann aber keine konkreten Hinweise, auf welchem Weg er ein Mischoxid erreichen kann, dessen spezifische Oberfläche ähnlich günstige Werte aufweist wie das in K8 offenbarte Ceroxid. Anhaltspunkte, die die Annahme stützen könnten, die spezifische Oberfläche werde sich bei dem in K8 offenbarten Verfahren trotz Zugabe von Zirkonium nicht wesentlich ändern, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. März 2019

Vorinstanz: BPatG, vom 27.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 4/15 (EP)
Fundstellen
GRUR 2019, 713
MDR 2019, 881