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BGH - Entscheidung vom 31.01.2019

4 StR 389/18

Normen:
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2

BGH, Urteil vom 31.01.2019 - Aktenzeichen 4 StR 389/18

DRsp Nr. 2019/2958

Geeignetheit der sichergestellten Gegenstände zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (hier: Messer und Schreckschusspistole)

Die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegen auch dann vor, wenn das Tatgericht Feststellungen zur Bauart der Schreckschusspistole nicht trifft, diese jedoch aufgrund der Typenbezeichnung allgemeinkundig sind, dass bei der Waffe der Explosionsdruck nach vorne austritt. Die notwendige räumliche Nähe ist in der Regel auch dann vorhanden, wenn sich die Waffe in dem Raum befindet, in dem Handel getrieben wird.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 30. April 2018 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und neun Monaten bestimmt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte im Tatzeitraum fünf bis zehn Gramm Marihuana pro Tag. Er erwarb zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 30. März 2017 von einem unbekannt gebliebenen Dritten mindestens 182,76 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 27,98 Gramm THC. Dieses Rauschgift wollte er gewinnbringend weiterverkaufen, auch, um seinen eigenen Cannabiskonsum zu finanzieren. Das Marihuana bewahrte er in seiner Wohnung, die eine „überschaubare Größe“ hatte, auf. Eine Menge von ca. zehn Gramm befand sich im Wohnzimmer in einem geschlossenen Fach des Sideboards. Das restliche Marihuana bewahrte der Angeklagte unter der linken Seite des im Schlafzimmer befindlichen Bettes auf. Direkt neben dem Bett stand ein Regal, in dem Kisten aufbewahrt wurden. In einer der Kisten lag ein Messer mit einer feststehenden „normalen“ Klinge, die Klingenlänge betrug 12,5 cm. In einer weiteren Kiste befand sich ein Messer mit einer feststehenden Clip-Point Klinge mit einer Klingenlänge von 25,5 cm. Die beiden Messer waren vom Angeklagten dazu bestimmt, Personen zu verletzen. In dem im Wohnzimmer befindlichen, unverschlossenen Schrank verwahrte der Angeklagte im vorderen Bereich eines Faches neben einem Nothammer auch eine funktionstüchtige Schreckschusswaffe W. . Die Waffe war ungeladen, das leere Magazin befand sich in der Waffe. Die Munition – insgesamt 32 Patronen – lag größtenteils ungeordnet im hinteren Teil des Faches; sie war bei Kenntnis des Aufbewahrungsortes ohne weiteren Zeitverlust greifbar, um die Schreckschusswaffe zu laden. Der Angeklagte wusste, wo sich die Schreckschusswaffe, die Munition und die Messer befanden, und dass er diese, soweit erforderlich, kurzfristig zur Verteidigung seines Rauschgiftvorrates einsetzen konnte. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 30. März 2017 wurden unter anderem das Marihuana, die Schreckschusswaffe und die Messer sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).

Danach setzte der Angeklagte seine Verkaufstätigkeit nahezu ohne Unterbrechung fort. Vor dem 14. Juni 2017 erwarb er mindestens 285,82 Gramm Marihuana von einer unbekannt gebliebenen Person; die Wirkstoffmenge betrug 50,88 Gramm THC. Auch dieses Marihuana wollte der Angeklagte gewinnbringend weiterverkaufen, um neben der Verbesserung seines Einkommens seinen eigenen Konsum zu finanzieren. Das Rauschgift verwahrte der Angeklagte zum überwiegenden Teil im Schlafzimmer in einem dort befindlichen Schrank, im Übrigen in dem Wohnzimmerschrank; in diesem Schrank befanden sich auch 1.600 Euro Bargeld. Auf dem Wohnzimmertisch lag neben zwei Verkaufseinheiten Marihuana, einer Feinwaage und den Resten von zwei Joints ein silbernes Einhandmesser, das der Angeklagte notfalls zur Verteidigung seines Drogenvorrates bzw. des aus den Drogenverkäufen stammenden Bargeldes nutzen wollte. Rauschgift und Einhandmesser konnten bei einer erneuten Wohnungsdurchsuchung am 14. Juni 2017 sichergestellt werden (Fall II.2. der Urteilsgründe).

II.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Recht wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in zwei Fällen gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt (zur Tenorierung in diesen Fällen vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 135/96, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Urteilsformel 1; Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14).

1. Der Schuldspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) Der Angeklagte hat in beiden Fällen, wie für eine Verurteilung nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderlich, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 28. August 2018 hat das Landgericht es nicht rechtsfehlerhaft unterlassen, zwischen der Rauschgiftmenge, die dem gewinnbringenden Weiterverkauf dienen sollte, und einer zum Eigenkonsum bestimmten Menge zu differenzieren. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung mindestens 182,76 Gramm Marihuana im Fall II.1. der Urteilsgründe und mindestens 285,82 Gramm Marihuana im Fall II.2. auf. Das Landgericht hat zu beiden Fällen ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte „dieses Marihuana“ gewinnbringend weiterverkaufen wollte, und hierauf seine rechtliche Würdigung gestützt. Die Feststellung beruht auf dem von der Strafkammer als glaubhaft eingestuften und durch weitere Beweismittel bestätigten Geständnis des Angeklagten. Damit erfasst die Verurteilung in beiden Fällen jeweils die gesamte Handelsmenge. Für eine Differenzierung zwischen einer zu Handelszwecken aufbewahrten und einer dem Eigenkonsum dienenden Teilmenge sowie – darauf aufbauend – einer Prüfung, ob die für den Handel bestimmte Menge den Schwellenwert zur nicht geringen Menge überschreitet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2018 – 5 StR 362/18 Rn. 12; vom 29. September 2016 – 2 StR 62/16; Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 84/14, NStZ-RR 2014, 344 ), bestand kein Anlass.

b) Die Feststellungen ergeben auch im Übrigen, dass die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in beiden Fällen vorliegen.

Das Landgericht hat hinsichtlich aller vier sichergestellten Gegenstände zutreffend angenommen, dass diese zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands geeignet sind. Das gilt auch für die Schreckschusspistole. Zwar fehlen Feststellungen zur Bauart; jedoch ist aufgrund der Typenbezeichnung (W. ) allgemeinkundig (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14), dass bei dieser Waffe der Explosionsdruck nach vorne austritt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, StraFo 2015, 173 ).

Rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt ist ebenfalls, dass der Angeklagte die Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hatte, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2017 – 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714 ; Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 355/18); die hierzu notwendige räumliche Nähe ist in der Regel und auch hier vorhanden, wenn sich die Waffe in dem Raum befindet, in dem Handel getrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 5 StR 108/17). Ebenso hatte der Angeklagte die Schreckschusspistole und die Messer zur Verletzung von Personen bestimmt. Das Landgericht hat die hierzu erforderliche Zweckbestimmung des Täters (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 2) näher festgestellt und begründet. Auf die Frage, inwieweit es sich bei den vom Angeklagten in Griffnähe mitgeführten Gegenständen um Waffen im Sinne des Waffengesetzes handelt, kommt es daher nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 6. September 2017 – 2 StR 280/17; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16; vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16; vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14; Beschlüsse vom 20. November 2018 – 4 StR 466/18; vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 78/17).

c) Das Landgericht hat den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen zweier tatmehrheitlich begangener Verbrechen nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. August 2018 ausgeführt hat, es könne „nach den vorliegenden Feststellungen nicht sicher ausgeschlossen werden …, dass es sich bei beiden Taten um eine einheitliche Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit gehandelt“ habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Große Senat für Strafsachen hat eine natürliche Handlungseinheit nur in der Fallgestaltung angenommen, dass es „im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung ohne eine für beide Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung zuvor bereits ‚auf Kommission‘ gelieferter Betäubungsmittel“ kommt (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17; vgl. weiter BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 – 3 StR 88/17, NStZ-RR 2018, 351 ). Im vorliegenden Fall ist jedoch weder ein Erwerb der beiden Marihuanamengen im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung noch eine Kommissionsabrede oder gar die Entgegennahme der zweiten Marihuanalieferung aus Anlass der Bezahlung der früheren festgestellt. Zu einer Erörterung dieses rechtlichen Gesichtspunkts drängten die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen daher nicht. Auch in diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder aufgrund des Zweifelssatzes noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 3 StR 37/18). Eine Aufklärungsrüge hat der Angeklagte nicht erhoben.

2. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insbesondere das durch Einzelausführungen substantiierte sowie durch weitere Beweismittel bestätigte Geständnis des Angeklagten zum Umfang der Handelsmenge rechtsfehlerfrei als glaubhaft bewertet.

3. Der Rechtsfolgenausspruch weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Hagen, vom 30.04.2018