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BGH - Entscheidung vom 17.10.2019

AK 56/19

Normen:
StPO § 121 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 17.10.2019 - Aktenzeichen AK 56/19

DRsp Nr. 2019/16828

Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus bei einem Mitglied des sog. Islamischen Staats

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus ist bei einem Mitglied des sog. Islamischen Staats nicht zu beanstanden, wenn die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens ein Urteil bislang noch nicht zugelassen haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach der Wiedereinreise der Angeschuldigten nach Deutschland diverse Asservate ausgewertet werden mussten, insbesondere Mobiltelefone, die teilweise umfangreiche Bild-, Text-, Audio- und Videodateien in deutscher und arabischer Sprache enthielten und zudem noch Erkenntnisanfragen an das Bundeskriminalamt ausstehen.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Normenkette:

StPO § 121 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Angeschuldigte wurde am 4. April 2019 festgenommen und befindet sich seit dem 5. April 2019 in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Oberhausen vom 28. März 2019 ( 27 Gs 987/18), seit dem 6. Juni 2019 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2019 ( 2 BGs 236/19). Gegenstand dieses Haftbefehls sind folgende Vorwürfe:

Die Angeschuldigte habe sich von Oktober 2015 bis zum 4. April 2019 in Deutschland und in Syrien durch drei rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB ) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 oder 12 VStGB ) zu begehen. In einem der Fälle habe sie in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ein Kind einem Elternteil entzogen, um es in das Ausland zu verbringen, wobei sie das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht und in einem der Fälle durch die Tat den Tod des Opfers verursacht habe, zugleich eine andere Person körperlich misshandelt, in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe eingegliedert. In einem Fall habe die Angeschuldigte tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruht habe (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171, 223 Abs. 1, § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB , § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB , § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG).

Der Generalbundesanwalt hat unter dem 4. Oktober 2019 wegen dieser Tatvorwürfe Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Die Angeschuldigte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Bei der Ausrufung des "Kalifats" erklärte der Sprecher des IS al-Baghdadi zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung unterteilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Organisation immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin, die Verantwortung übernommen.

Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt.

bb) Die Angeschuldigte, die bereits im Jahr 2005 zum islamischen Glauben konvertiert war, ist seit dem Jahr 2007 nach deutschem Recht mit dem Zeugen T. verheiratet, der ebenfalls islamischen Glaubens ist. Mit ihm hat die Angeschuldigte die gemeinsamen Kinder H. , geboren am 18. Februar 2008, und Ha. , geboren am 5. Februar 2012; das dritte gemeinsame Kind Ham. , geboren am 8. Juli 2009, kam am 7. Dezember 2018 in Syrien bei einem Raketenangriff ums Leben.

Die Angeschuldigte verfolgte während der Ehe zunehmend das Ziel, mit T. und ihren Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien auszureisen, weil sie der Ansicht war, nur dort ihren Glauben ausleben zu können. Da T. die Ideologie des IS und eine Ausreise nach Syrien stets abgelehnt hatte, begab sich die Angeschuldigte im Oktober 2015 während einer berufsbedingten Abwesenheit von T. sowie gegen dessen Willen mit den Kindern in die Türkei und von dort weiter nach Syrien in das Herrschaftsgebiet des IS. Dadurch hinderte sie T. bewusst und gewollt daran, sein ihm hinsichtlich der Kinder zustehendes Recht der Personensorge auszuüben, im Hinblick auf die Töchter H. und Ha. bis zu deren Rückkehr nach Deutschland am 4. April 2019 und im Hinblick auf den Sohn Ham. bis zu dessen Tod am 7. Dezember 2018.

Die Angeschuldigte lebte in Syrien zunächst von Oktober bis November 2015 gemeinsam mit ihren Kindern in einem Frauenhaus des IS in Raqqa. Spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus schloss sie sich der Organisation an; sie identifizierte sich mit deren Ideologie, Handlungsweisen und Zielen und unterwarf sich im Einvernehmen mit Personen, die für den IS verantwortlich handelten, dem Willen der Vereinigung. Das Frauenhaus wurde bombardiert, während sich die Angeschuldigte mit ihren Kindern dort aufhielt; dadurch wurden die Kinder in die konkrete Gefahr des Todes gebracht, was die Angeschuldigte schon bei ihrer Ausreise aus Deutschland vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hatte.

Ab November 2015 wohnte die Angeschuldigte mit den Kindern in Raqqa in einem Haus, das von ihrer Bekannten G. und deren Ehemann nach islamischem Recht genutzt wurde. Auch dort waren sie Bombardierungen und Beschuss ausgesetzt. Während dieser Zeit nahm die Angeschuldigte mit ihren Kindern an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihr Sohn Ham. sah überdies mit an, wie einem Dieb zur Strafe eine Hand abgetrennt wurde.

Während der ersten Monate ihres Aufenthalts beim IS forderte die Angeschuldigte ihren Ehemann bei Telefongesprächen wiederholt auf, ihr nach Syrien zu folgen, sich dort in einem Ausbildungslager des IS drei Monate lang paramilitärisch ausbilden sowie ideologisch unterweisen zu lassen und anschließend für die Organisation zu kämpfen. Weil sie ihn nicht von einer Ausreise nach Syrien überzeugen konnte, heiratete sie im Frühjahr 2016 nach islamischem Recht das IS-Mitglied I. alias "Abu ", der aus Kenia oder Somalia stammte, und zog mit diesem in eine Drei-Zimmer-Wohnung in Raqqa, für die eine monatliche Miete in Höhe von 50 US-Dollar zu zahlen war. I. hatte sich bei einem Kampfeinsatz eine Schussverletzung an der Hüfte zugezogen und konnte deshalb nicht mehr an Kämpfen teilnehmen. Er war jedoch nach wie vor für den IS tätig, indem er logistische Aufgaben übernahm. Er unterwies die Angeschuldigte zum Zweck der Selbstverteidigung im Umgang mit einer in seinem Besitz befindlichen Kalaschnikow. Gemeinsam mit ihm betreute die Angeschuldigte über den Bargeldtransferanbieter Western Union durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des IS in Syrien. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts zahlte der IS ihr monatlich 100 US-Dollar.

Im Jahr 2016 brachte die Angeschuldigte ihren zu dieser Zeit sechs bzw. sieben Jahre alten Sohn Ham. entsprechend ihrer mit der Organisation übereinstimmenden Ideologie mehrmals in ein Ausbildungslager des IS. Dort wurde er körperlich trainiert und im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen; außerdem leistete er Wachdienste. Daneben ließ die Angeschuldigte alle drei Kinder durch eine ägyptische Lehrerin im Sinne des IS unterrichten. Als Ham. die Ideologie des IS kritisch hinterfragte, teilte sie dies der "Religionspolizei" mit, deren Mitglieder ihren Sohn, wie von ihr beabsichtigt, züchtigten.

Die Angeschuldigte war zudem Mitglied der Katiba "Nusaiba", bei der es sich um eine Kampfeinheit des IS handelte, der ausschließlich Frauen angehörten. Da die Angeschuldigte über ein Kraftfahrzeug verfügte, hatte sie innerhalb der Katiba die Aufgabe, Frauen zum Schießtraining zu fahren.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt war sie im Besitz einer Handgranate. Diese wollte sie im Falle eines Angriffs zünden, um möglichst viele Gegner des IS sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.

Nachdem die Angeschuldigte im Mai 2017 ein von I. abstammendes Kind zur Welt gebracht hatte, verließ sie Raqqa im Juni 2017 mit ihren vier Kindern, weil die Bombardierungen der Stadt zunahmen. I. blieb in Raqqa zurück und kam dort ums Leben. Daraufhin erhielt die Angeschuldigte im Februar 2018 vom "Witwenbüro" des IS eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 US-Dollar. Später heiratete sie das IS-Mitglied N. und wurde dessen Zweitfrau. Nachdem sie Raqqa verlassen hatte, flüchtete sie parallel zum Frontverlauf in jeweils noch vom IS kontrollierte Gebiete.

Am 7. Dezember 2018 kam ihr Sohn Ham. ums Leben, als das in der Nähe der Front gelegene Haus, in dem die Angeschuldigte mit ihren Kindern lebte, bombardiert wurde. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Angeschuldigte erkennen können, dass ihre Kinder zu Tode kommen könnten, nachdem sie diese in ein Gebiet verbracht hatte, in dem seinerzeit schwere kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden und eine ständige Bedrohung durch Waffengewalt bestand.

b) Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die terroristische Vereinigung IS auf den diesbezüglichen Gutachten, insbesondere denjenigen der Sachverständigen Dr. St. und Dr. K. , sowie Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.

In Bezug auf die der Angeschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Angaben des Zeugen T. . Er hat insbesondere bei seiner Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 25. April 2019 eingehend geschildert, dass die Angeschuldigte ihn zunehmend drängte, gemeinsam mit ihr und den Kindern nach Syrien zu gehen und sich dort dem IS anzuschließen. Seiner Darstellung zufolge forderte sie ihn nach ihrer Ausreise telefonisch wiederholt auf, ihr nach Syrien zu folgen, um sich dort vom IS militärisch ausbilden zu lassen und für die Organisation zu kämpfen. Ferner ergeben sich aus seinen Angaben tragfähige Hinweise darauf, dass die Angeschuldigte ihren Sohn Ham. in einem Ausbildungslager des IS im Umgang mit Schusswaffen unterweisen ließ und dass sie zeitweise eine Handgranate besaß, um diese im Falle eines Angriffs zu zünden und dadurch möglichst viele Gegner des IS sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.

Die Bekundungen des Zeugen T. stehen teilweise im Einklang mit den Angaben der Angeschuldigten. Diese hat sich zwar bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen, sie hat sich aber bei verschiedenen anderen Gelegenheiten zur Sache geäußert. Insbesondere berichtete sie den Zeuginnen K. und N. , die sie während ihrer Rückreise aus Syrien über die Türkei nach Stuttgart am 4. April 2019 begleiteten, über ihr Leben in Syrien. Sie erzählte ihnen unter anderem von ihren Aufenthalten im Frauenhaus des IS sowie im Haus ihrer "Freundin" in Raqqa, von den Bombenangriffen, von ihren Ehemännern nach islamischem Recht sowie davon, vom IS zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts 100 US-Dollar pro Monat und nach dem Tod ihres Ehemanns nach islamischem Recht 1.000 US-Dollar vom "Witwenbüro" der Vereinigung ausgezahlt bekommen zu haben.

Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die eingehenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 28. Mai 2019 und die Anklageschrift Bezug genommen.

c) Danach hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Fällen als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB ), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB ) mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB ), mit schwerer Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 Nr. 1 StGB ) in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 5 StGB ), mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§§ 171 , 52 StGB ) sowie mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 , § 25 Abs. 2 StGB ), und in einem weiteren Fall in Tateinheit (§ 52 StGB ) mit einem Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG.

aa) Die Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB ).

Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296 , 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1 , 3 StGB ), die im Hinblick auf die Organisationsstruktur und die Willensbildung geringere Anforderungen stellt und den Begriff dadurch ausgeweitet hat. Es sollen nunmehr nicht nur Personenzusammenschlüsse erfasst werden, deren Mitglieder sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen, sondern auch hierarchisch organisierte Gruppierungen mit bloßer Durchsetzung eines autoritären Anführerwillens ohne "Gruppenidentität" (BT-Drucks. 18/11275, S. 7, 11).

Auch nach der Legaldefinition handelt es sich bei einer Vereinigung indes um einen organisierten Zusammenschluss von Personen, was zumindest eine gewisse Organisationsstruktur sowie in gewissem Umfang instrumentelle Vorausplanung und Koordinierung erfordert; notwendig ist darüber hinaus das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse (BT-Drucks. 18/11275, S. 7 f., 11). Wenngleich die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung auf der Grundlage der Legaldefinition anders als nach früherem Verständnis nicht erfordert, dass sich der Täter in das "Verbandsleben" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt sie nach wie vor eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus (BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 11). Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

Daran gemessen hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied am IS beteiligt. Es liegen Umstände vor, denen zu entnehmen ist, dass sie sich spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus des IS im Oktober 2015 in die Organisation eingliederte. So reiste sie aus eigenem Antrieb mit ihren Kindern nach Syrien, um dort den Kampf gegen das syrische Regime zu unterstützen und am Aufbau eines islamischen Staates nach den Regeln der Sharia mitzuwirken. Sie bemühte sich darum, ihren Ehemann als Kämpfer für den IS zu gewinnen, und heiratete nach islamischem Recht einen IS-Kämpfer, der sie im Umgang mit der Kalaschnikow unterwies. Überdies wurde sie von der Organisation alimentiert und erhielt nach dem Tod ihres Ehemannes nach islamischem Recht vom "Witwenbüro" der Vereinigung eine Einmalzahlung von 1.000 US-Dollar. Ferner war sie Mitglied einer Kampfeinheit des IS, der nur Frauen angehörten, und übernahm in diesem Rahmen die Aufgabe, die Frauen zum Schießtraining zu fahren. Sie betreute gemeinsam mit ihrem Ehemann nach islamischem Recht über den Bargeldtransferanbieter Western Union durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des IS in Syrien und besaß zeitweise eine Handgranate, um damit im Falle eines Angriffs unter anderem möglichst viele Gegner des IS zu töten. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Angeschuldigte einvernehmlich in die Vereinigung aufgenommen wurde.

Sie förderte das Ziel des IS, in Syrien dauerhaft ein eigenes staatsähnliches Gebilde unter Geltung der Sharia zu errichten, nicht nur, indem sie versuchte, ihren Ehemann dazu zu bewegen, ebenfalls nach Syrien zu kommen und sich der Organisation anzuschließen, indem sie Geldtransaktionen für Mitglieder der Vereinigung betreute und indem sie sich in der Katiba "Nusaiba" engagierte, sondern auch durch die von ihr veranlasste Aufnahme ihres Sohnes Ham. in dem Ausbildungslager des IS sowie dadurch, dass sie ihre Kinder im Sinne der Organisation unterrichten und ihren Sohn von Mitgliedern der "Religionspolizei" züchtigen ließ, als er Zweifel an der Ideologie des IS äußerte.

bb) Die Angeschuldigte ist zudem dringend verdächtig, in einem Fall tateinheitlich ein Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB ) begangen zu haben, indem sie ihren Sohn Ham. mehrfach in ein Ausbildungslager des IS schickte, um ihn dort im Umgang mit Waffen unterweisen zu lassen.

(1) Bei den im Tatzeitraum in Syrien stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen, insbesondere dem IS, handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB .

(2) Die Angeschuldigte gliederte ihren damals sechs bzw. sieben Jahre alten Sohn Ham. und damit ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe ein.

(a) Durch die Verwendung des Merkmals der bewaffneten Gruppe neben demjenigen der (staatlichen) Streitkräfte wollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB - den Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) IStGH-Statut entsprechend - auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt erstrecken, der nicht notwendigerweise eine Beteiligung von Streitkräften voraussetzt (MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 163; BT-Drucks. 14/8524, S. 26 f.). Aus der Orientierung an den Bestimmungen des IStGH-Statuts ergibt sich, dass das Merkmal der bewaffneten Gruppe im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB ein Mindestmaß an Organisationsstruktur erfordert (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, aaO). Denn die entsprechende Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (vii) IStGH-Statut findet gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. f IStGH-Statut nur Anwendung, wenn an einem im Hoheitsgebiet eines Staates stattfindenden bewaffneten Konflikt - gegebenenfalls neben staatlichen Streitkräften - "organisierte" bewaffnete Gruppen beteiligt sind, nicht dagegen in Fällen bloßer innerer Unruhen, Spannungen oder Tumulte.

Der IS wies zur Tatzeit eine Organisationsstruktur auf, die über das insoweit erforderliche Mindestmaß deutlich hinausging. Die Organisation verfügte über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert waren. Dadurch war eine Struktur geschaffen worden, die es ermöglichte, unter einer verantwortlichen Führung die Kontrolle über ein Gebiet auszuüben, für die Ausbildung neuer Rekruten Sorge zu tragen und anhaltende sowie koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen.

(b) Unter Eingliederung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB ist jede Aufnahme in eine bewaffnete Einheit zu verstehen. Das ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Begriff "Eingliedern" das sinnvolle Einfügen oder Einordnen in ein größeres Ganzes bezeichnet (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/eingliedern). Dieses Verständnis entspricht demjenigen der Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) IStGH-Statut, an denen sich § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB orientiert. Der in diesen Bestimmungen verwendete Begriff der Eingliederung erfasst ebenfalls jede faktische Aufnahme in eine bewaffnete Einheit; ein formaler Aufnahmeakt ist ebenso wenig erforderlich wie eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen (vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1304 f.).

Hier stellte das Ausbildungslager des IS, in das der Sohn der Angeschuldigten auf deren Veranlassung aufgenommen wurde, eine bewaffnete Einheit dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass er dort im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde.

(3) Die Tat stand auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt. Das Merkmal ist funktional zu verstehen. Der Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konflikts für die Fähigkeit des Täters, die Tat zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden. Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 55 mwN).

Hier bildete der bewaffnete Konflikt, an dem der IS beteiligt war, den maßgeblichen Hintergrund für die Entscheidung der Angeschuldigten, ihren Sohn in dem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen zu lassen.

cc) Die Angeschuldigte ist außerdem der tateinheitlich begangenen schweren Entziehung Minderjähriger in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§ 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 Nr. 1 , § 52 StGB ) sowie der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 5 , § 52 StGB ) dringend verdächtig, indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien begab.

Dadurch, dass sie gegen den Willen des gemeinsam mit ihr sorgeberechtigten Zeugen T. mit den Kindern nach Syrien reiste, um dort dauerhaft zu leben, hinderte sie ihren Ehemann während ihres Aufenthalts in Syrien daran, sein Recht der Personensorge auszuüben. Die Kinder wurden aufgrund der Bombardierungen mehrfach einer konkreten Lebensgefahr ausgesetzt, was die Angeschuldigte billigend in Kauf nahm. Ihr Sohn wurde schließlich bei dem Raketenangriff am 7. Dezember 2018 getötet, wodurch sich ein Risiko verwirklichte, das für die Angeschuldigte vorhersehbar und vermeidbar war.

dd) Es besteht überdies der dringende Tatverdacht, dass die Angeschuldigte in drei tateinheitlichen Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzte (§§ 171 , 52 StGB ), indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien begab, dort dauerhaft mit ihnen im Kriegsgebiet lebte und ihren Sohn Ham. in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen sowie von der "Religionspolizei" des IS züchtigen ließ.

Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die betreffende Handlung objektiv in einem besonders deutlichen Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Erziehung steht und subjektiv, gemessen an den Möglichkeiten des Täters, ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennen lässt. Insoweit kann bei einer besonders folgenschweren Pflichtverletzung eine einmalige Handlung ausreichen, bei Wiederholungen oder längerer Dauer können aber auch Verstöße, die für sich gesehen von geringer Art sind, das Ausmaß einer gröblichen Verletzung annehmen (Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB , 30. Aufl., § 171 Rn. 4 mwN).

Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Nach dem Willen der Angeschuldigten mussten die Kinder im Herrschaftsgebiet des IS und damit unter einer Willkürherrschaft sowie in einem Kriegsgebiet leben. Sie waren wiederholt Bombardierungen ausgesetzt und besuchten keine Schule. Außerdem nahm die Angeschuldigte mit ihnen an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihren Sohn Ham. ließ die Angeschuldigte überdies in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen und von der "Religionspolizei" des IS züchtigen, als er Zweifel an dessen Ideologie äußerte. Darin kommt zumindest insgesamt ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit der Angeschuldigten zum Ausdruck, wodurch die Kinder, was die Angeschuldigte erkannte und zumindest billigend in Kauf nahm, in die konkrete Gefahr gerieten, in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden.

ee) Die Angeschuldigte ist ferner dringend verdächtig, eine Körperverletzung begangen zu haben, indem sie ihren Sohn Ham. , als dieser Zweifel an der Ideologie des IS äußerte, zur "Religionspolizei" der Organisation brachte und dort züchtigen ließ (§ 223 Abs. 1 , § 25 Abs. 2 StGB ). Die von den Angehörigen der "Religionspolizei" vorgenommenen Züchtigungshandlungen sind der Angeschuldigten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Sie wollte Ham. von den Mitgliedern der "Religionspolizei" körperlich misshandeln lassen und leistete dazu einen wesentlichen Tatbeitrag, indem sie ihn zu diesem Zweck der "Religionspolizei" überließ.

ff) Schließlich besteht gegen die Angeschuldigte dringender Tatverdacht wegen eines Verstoßes gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG. Sie übte zeitweise die tatsächliche Gewalt über eine Handgranate aus, bei der es sich um eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG handelte.

gg) Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt:

(1) Die zum Nachteil mehrerer Kinder begangenen Verletzungen des § 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 Nr. 1 StGB stehen - wie die Gefährdung mehrerer Schutzbefohlener (§ 171 StGB ) durch dieselbe Handlung - zueinander in Tateinheit, ebenso der mit dem Eintritt des Todes des Kindes Ham. verwirklichte Verstoß gegen § 235 Abs. 5 StGB . § 235 Abs. 4 und Abs. 5 StGB sind gegenüber § 235 Abs. 2 StGB lex specialis (vgl. MüKoStGB/Wieck-Noodt, 3. Aufl., § 235 Rn. 103 mwN); § 235 Abs. 5 verdrängt § 235 Abs. 4 StGB .

§ 235 StGB ist ein Dauerdelikt (RG, Urteil vom 28. Januar 1887 - 3310/86, RGSt 15, 340 , 341; MüKoStGB/Wieck-Noodt, aaO Rn. 10); es ist mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands der Entziehung des Minderjährigen vollendet und erst dann beendigt, wenn der rechtswidrige Zustand nicht mehr andauert (MüKoStGB/Wieck-Noodt, aaO Rn. 101). Andere Straftaten, die während des Dauerzustands begangen werden, stehen in Tateinheit mit dem Dauerdelikt, wenn sich die Ausführungshandlungen der Taten wenigstens teilweise decken; demgegenüber ist Realkonkurrenz anzunehmen, wenn die andere Straftat nur gelegentlich des Dauerdelikts begangen wird (vgl. MüKoStGB/ von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., § 52 Rn. 33).

Ein Dauerdelikt wie § 235 StGB verbindet andere Straftaten, die bei isolierter Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stünden, zu Tateinheit, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten tateinheitlich zusammentrifft und in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung Ausdruck findet, nicht deutlich hinter den während seiner Begehung zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - 3 StR 320/07, NStZ 2008, 209 , 210 mwN).

(2) Hier liegen sich überschneidende Tatausführungshandlungen vor, soweit die Angeschuldigte die Aufnahme ihres Sohnes Ham. in dem Ausbildungslager des IS veranlasste und ihn zum Zweck der körperlichen Züchtigung zur "Religionspolizei" brachte. Dadurch wurde der rechtswidrige Zustand im Sinne des § 235 StGB weiter vertieft. Zudem erfüllte das Verbringen von Ham. in das Ausbildungslager und zur "Religionspolizei" aufgrund des damit einhergehenden Umgangs mit Waffen, der erhöhten Gefahr von Bombardements und der dort drohenden körperlichen Misshandlungen den Qualifikationstatbestand des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB . Die durch diese Handlungen verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB steht jeweils mit § 235 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 Nr. 1 StGB in Tateinheit. Dies gilt im Hinblick auf das Verbringen von Ham. in das Ausbildungslager auch für den zugleich verwirklichten Verstoß gegen § 171 StGB in drei tateinheitlichen Fällen und das Kriegsverbrechen gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB . Hinsichtlich der von der Angeschuldigten veranlassten Züchtigung ihres Sohnes durch die "Religionspolizei" gilt Gleiches für die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB ) und die auch dadurch verwirklichte Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB ).

Zwar bestünde zwischen den durch die Verbringung von Ham. in das Ausbildungslager des IS einerseits und zur "Religionspolizei" andererseits verwirklichten Straftatbeständen bei isolierter Betrachtung Tatmehrheit. Hier begründet aber die Verklammerung durch das damit jeweils in Tateinheit stehende Delikt des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB die Annahme von Idealkonkurrenz. Der strafrechtliche Unwert des - gleichermaßen wie die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB ) - mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohten Verstoßes gegen § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB bleibt lediglich hinter demjenigen des Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB zurück, das mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu ahnden ist.

Demgegenüber beging die Angeschuldigte die Straftat nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und die dadurch zugleich verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB nur bei Gelegenheit des Dauerdelikts der Entführung Minderjähriger (§ 235 StGB ). Sie steht deshalb zu den übrigen Gesetzesverstößen ebenso in Tatmehrheit wie die Gesamtheit der daneben verwirklichten, keinen anderen Straftatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte der Angeschuldigten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.).

d) Deutsches Strafrecht ist anwendbar.

Im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung kann offenbleiben, ob sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB ergibt, weil die Angeschuldigte Deutsche ist (siehe dazu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Jedenfalls ist deutsches Strafrecht insoweit - ebenso wie in Bezug auf die Entziehung Minderjähriger, die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, die Körperverletzung und den Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des IS und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt.

Im Hinblick auf das Kriegsverbrechen gegen Personen folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 1 VStGB .

e) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.

f) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Verfolgung von Straftaten nach den §§ 129a, 129b StGB und damit auch für die tateinheitlich verwirklichten Delikte ergibt sich aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG , für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Übrigen aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG .

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.

Die Angeschuldigte hat im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Die Angeschuldigte verfügt in Deutschland weder über einen festen Wohnsitz noch über eine geregelte Erwerbstätigkeit. Eine familiäre Bindung hat sie lediglich zu ihrer Mutter, wodurch sie sich indes bereits im Jahr 2015 nicht davon abhalten ließ, nach Syrien auszureisen. Im Übrigen äußerte die Angeschuldigte bei ihrer Befragung am 4. April 2019, dass sie sich als streng gläubige Muslima ein Leben in Deutschland nicht vorstellen könne.

Jedenfalls begründen diese Umstände die Gefahr, dass die Ahndung der Taten ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick darauf, dass die Angeschuldigte unter anderem der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig ist, auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (BGH, Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) auf den Haftgrund der Schwerkriminalität zu stützen ist.

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Nach der Festnahme der Angeschuldigten bei ihrer Wiedereinreise nach Deutschland im April 2019 mussten zunächst die bei der Durchsuchung ihrer Person aufgefundenen Asservate ausgewertet werden, insbesondere Mobiltelefone, die teilweise umfangreiche Bild-, Text-, Audio- und Videodateien in deutscher und arabischer Sprache enthielten. Nachdem der Zeuge T. vernommen worden war und den Ermittlungsbehörden Anfang Mai 2019 sein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hatte, waren auch die darin gespeicherten Daten zu sichern und auszuwerten. Zur Vervollständigung der Erkenntnisse über die Ehemänner der Angeschuldigten nach islamischem Recht, zu ihren sonstigen Kontaktpersonen in Syrien, zu den in der Region Raqqa vom IS betriebenen Ausbildungscamps für Kindersoldaten und zu der ausschließlich aus Frauen bestehenden Katiba "Nusaiba" wurden Erkenntnisanfragen an das Bundeskriminalamt und den Bundesnachrichtendienst gerichtet. Antworten der Behörden sind noch nicht zu den Akten gelangt. Zudem waren weitere Ermittlungen, insbesondere Zeugenvernehmungen, erforderlich. Gleichwohl hat der Generalbundesanwalt bereits unter dem 4. Oktober 2019 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

Vor diesem Hintergrund ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).