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BGH - Entscheidung vom 03.07.2019

IV ZR 195/18

Normen:
ARB (2012) § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. d)
ARB (2012) § 4 Abs. 2

Fundstellen:
NJW 2019, 3299
r+s 2019, 465
r+s 2022, 363

BGH, Urteil vom 03.07.2019 - Aktenzeichen IV ZR 195/18

DRsp Nr. 2019/10526

Deckungsanspruch eines Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalls bereits vor Beginn der Rechtsschutzversicherung; Freistellung von einer anwaltlichen Kostenforderung eines Versicherten wegen Vertretung in der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Käufer seines Gebrauchtfahrzeugs

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 17. Juli 2018 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Schleiden vom 24. Oktober 2017 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostennote der Rechtsanwälte W. und B. vom 13. Juni 2017 in Höhe von 1.425,38 € freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Normenkette:

ARB (2012) § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. d); ARB (2012) § 4 Abs. 2;

Tatbestand

Der Kläger, der bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2015 eine Rechtsschutzversicherung hält, der Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen der Beklagten (A. ARB/2012, im Folgenden: ARB 2012) zugrunde liegen, verlangt die Freistellung von einer anwaltlichen Kostenforderung.

In den Versicherungsbedingungen heißt es unter anderem:

"§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz

(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt des Rechtsschutzfalles

a) im Schadenersatz-Rechtsschutz ...

b) im Rechtsschutz für Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht ...

c) in Betreuungsverfahren ...

d) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

Die Voraussetzungen nach a) bis d) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes ... und vor dessen Beendigung eingetreten sein.

...

(2) ... Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der erste entscheidend. ...

(3) Es besteht kein Rechtsschutz, wenn

a) eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Abs. 1 d) ausgelöst hat. ..."

Mit Kaufvertrag vom 18. Juni 2014 hatte der Kläger sein gebrauchtes Kraftfahrzeug Mercedes SLK 200 verkauft und der Käuferin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, schriftlich zugesichert, Unfallschäden an einer Achse und einer Stoßstange seien behoben. Mit Anwaltsschreiben vom 9. Oktober 2015 machte die Käuferin Gewährleistungsrechte geltend und warf dem Kläger vor, die Schäden seien in Wahrheit nicht behoben. Um sich hiergegen zu verteidigen, beauftragte der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei. Auf deren Deckungsanfrage vom 11. November 2015 erklärte sich die Beklagte für leistungsfrei, weil der Versicherungsfall vor Beginn der Rechtschutzversicherung eingetre ten sei. Nachfolgend ließ die Käuferin ein selbständiges Beweisverfahren durchführen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 stellten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit 1.425,38 € in Rechnung. Von dieser Forderung möchte der Kläger aufgrund der Rechtsschutzversicherung freigestellt werden. Er meint, der Versicherungsfall sei in versicherter Zeit eingetreten, den dafür maßgeblichen Verstoß bilde erst das unberechtigte Gewährleistungsverlangen der Käuferin.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Freistellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat einen Deckungsanspruch des Klägers verneint, weil der Versicherungsfall bereits vor Beginn der Rechtsschutzversicherung eingetreten sei. Der gemäß § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 maßgebliche Verstoß, den der Kläger begangen haben solle, liege schon in der Übergabe des Fahrzeugs mit einem trotz entsprechender Zusage nicht beseitigten Unfallschaden im Juni 2014. Es se i mit dem Wortlaut des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 unvereinbar, den maßgeblichen Verstoß allein dem Vorbringen des Klägers und seinem gegen die Käuferin erhobenen Vorwurf der ungerechtfertigten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten zu entnehmen. Denn da die Klausel ausdrücklich auch auf Verstöße des Versicherungsnehmers abstelle, verlöre die Anknüpfung bei dieser Auslegung ihren Anwendungsbereich. Die Auslegung hätte ferner zur Folge, dass sich der Versicherungsnehmer um seinen Versicherungsschutz brächte, wenn er im laufenden Passivprozess seinem Gegner weitere Rechtsverstöße aus vorversicherter Zeit vorhielte. Der Kläger verkenne auch Funktion und Zweck des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012, Zweckabschlüsse zu verhindern. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 2015 ( IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 ), die zu einem Aktivprozess des dortigen Versicherungsnehmers ergangen sei, ergebe sich nichts anderes. Im Passivprozess des Versicherungsnehmers bestehe von vornherein kein Schutz vor der ungerechtfertigten Geltendmachung von Ansprüchen aus unversicherter Zeit durch den Gegner des Versicherungsnehmers.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat aus dem bei der Beklagten gehaltenen Rechtsschutzversicherungsvertrag Anspruch auf Freistellung von der Forderung seiner Rechtsanwälte in Höhe von 1.425,38 €, wegen deren Vertretung des Klägers in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Käuferin seines Gebrauchtfa hrzeugs.

Der Versicherungsfall ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in versicherter Zeit eingetreten. Maßgeblicher Verstoß im Sinne von § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 ist hier allein das nach dem Vorbringen des Klägers ungerechtfertigte Geltendmachen von Gewährleistungsansprüchen durch die Käuferin seit dem 9. Oktober 2015. Auf den Zeitpunkt des Gebrauchtwagenkaufs und der Übergabe des Fahrzeugs kommt es deshalb nicht an, weil der Kläger seine Verteidigung nicht auf einen eigenen Rechtsverstoß stützt.

1. Ob der Rechtsschutzfall in versicherter Zeit eingetreten ist, ist hier nach § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 zu bestimmen.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.).

b) Unter Zugrundelegung dieses Auslegungsmaßstabes hat der Senat in jüngerer Zeit an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1984 - IVa ZR 24/82, VersR 1984, 530 unter I 3 [juris Rn. 14 ff.]; zustimmend: OLG Koblenz VersR 2013, 99 , 100 [juris Rn. 25 f.]) zur Auslegung des § 14 (3) ARB 75, der insoweit eine dem § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 im Wesentlichen gleichlautende Regelung enthält, in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer Ansprüche gegen einen anderen erhob (so genannte Aktivprozess -Fälle), aber auch in einem Fall, in dem sich der Versicherungsnehmer im Streit um Krankenversicherungsleistungen unter anderem gegen eine Aufrechnung sein er Anspruchsgegnerin mit Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung wehrte, nicht mehr festgehalten (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 14, 15 m.w.N.; vgl. dazu R. Wendt, r+s 2014, 328 , 334).

Er hat in mehreren Entscheidungen geklärt, wie der Rechtsschutzfall zu bestimmen ist und darauf gestützt die zeitliche Einordnung und Begrenzung des versprochenen Versicherungsschutzes erfolgt (vgl. dazu die Senatsurteile vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 12 ff., 14 ff.; vom 30. April 2014 - IV ZR 47/13, BGHZ 201, 73 , 77 Rn. 15 ff.; IV ZR 60/13; IV ZR 61/13; IV ZR 62/13, jeweils unter I 2 a [juris Rn. 15 ff.]; vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12, r+s 2013, 283 Rn. 12 ff.; vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff.; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07, VersR 2008, 113 Rn. 3; Senatsurteile vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04, VersR 2005, 1684 unter I 2 a [juris Rn. 19 ff.]; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch R. Wendt, r+s 2006, 1 , 4; 2014, 328, 334).

Danach entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer zum einen dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, dass dieser es übernimmt, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Zum anderen erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass mit der Anknüpfung des § 14 (3) ARB 75 (hier des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012) an die erste adäquate Ursache des Ausgangsstreits der Bedingungswortlaut die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfall es maßgeblichen Geschehens in sich birgt, welche in der Mehrzahl der Fälle seinen berechtigten Interessen widerspricht (vgl. dazu Senatsurt eil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13, r+s 2015, 16 Rn. 19 m.w.N.). Deshalb kommt es für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen an, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtschutzbegehren begründet (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff.; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07, VersR 2008, 113 Rn. 3; Senatsurteile vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04, VersR 2005, 1684 unter I 2 a [juris Rn. 20]; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 1 a [juris Rn. 8 f.]; vgl. auch R. Wendt, r+s 2006, 1 , 4).

Dabei wird der Versicherungsnehmer bei der Verfolgung eigener vertraglicher Ansprüche einen den Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 auslösenden Verstoß allein in dem vermeintlichen Fehlverhalten sehen, das er seinem Gegner zur Last legt und auf das er seinen Anspruch stützt. Der Senat hat dazu angenommen, aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ließen sich seine Ansprüche auf eigenes Fehlverhalten nicht stützen (Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 15). Anderenfalls hätte es der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer d en Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 2015 aaO Rn. 16). Nach allem hat es der Senat in Fällen des Rechtsschutzes für Aktivprozesse des Versicherungsnehmers als für die Bestimmung des Versicherungsfalles unerheblich angesehen, was der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet (Senat aaO). Stattdessen richte sich die Festlegung des "verstoßabhängigen" Rechtsschutzfalles im Sinne von § 14 (3) Satz 1 ARB 75 (hier § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012) allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen, wobei dieses Vorbringen (erstens) einen objektiven Tatsachenkern enthalten müsse, mit dem der Versicherungsnehmer (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbinde, der den Keim für die rechtliche Auseinandersetzung enthalte und auf den der Versicherungsnehmer (drittens) seine Interessenverfolgung stütze, wobei es nicht auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder die Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptungen ankomme (Senatsurteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Leitsatz b und Rn. 20 ff., so genannte Drei-Säulen-Theorie).

c) Ob und wie sich diese Senatsrechtsprechung auf Fälle übertragen lässt, in denen sich der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit gegen Ansprüche verteidigt, die sein Anspruchsgegner gegen ihn erhebt (Passivprozesse), ist - soweit diese Senatsrechtsprechung nicht ohnehin insgesamt abgelehnt wird (vgl. dazu OGH Wien VersR 2017, 1106 , 1107 f.; Urteil vom 20. April 2018 - 7 Ob 36/18x, RIS; MünchKomm-VVG/Obarowski, 2. Aufl. Rechtsschutzversicherung Rn. 298, 299; Schneider in Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 413) - in Rechtsprechung und Literatur umstritten (offen gelassen von OLG Düsseldorf r+s 2016, 514 Rn. 19).

aa) Nach einer Auffassung sollen die vom Senat entwickelten Grundsätze auf den Passivprozess des Versicherungsnehmers - spiegelbildlich - in der Weise übertragen werden, dass für die Festlegung des Versicherungsfalles nach § 14 (3) ARB 75 oder § 4 (1) Satz 1 Buchst d) ARB 2012 allein auf die Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Rechtspflichten abzustellen ist, die der Anspruchsgegner dem Versicherungsnehmer anlastet (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 30. Aufl. § 4 ARB 2010 Rn. 55 a; Armbrüster, NJW 2017, 3660 ; Cornelius-Winkler, VersR 2015, 1476 , 1480 f.). Das stützt sich vor allem auf den Bedingungswortlaut und insbesondere die auch vom Berufungsgericht hervorgehobene Überlegung, dass anderenfalls die dort getroffene Regelung, nach der auch ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als für die Bestimmung des Versicherungsfalles maßgeblich angesprochen werde, leerliefe.

Nach dieser Auffassung wäre der Versicherungsfall hier mit der - dem Kläger von seiner Gegnerin vorgeworfenen - Übergabe des nicht reparierten Fahrzeugs im Juni 2014, mithin in nicht versicherter Zeit, eingetreten.

bb) Eine vermittelnde Auffassung (Schaltke/Weidner, r+s 2016, 225 , 227; Schaltke, NJW 2018, 581 , 584 f.; VersR 2018, 1041 , 1044 ff.) möchte abweichend von den im Aktivprozess des Versicherungsnehmers nach der Senatsrechtsprechung geltenden Maßstäben im Passivprozess im Grundsatz Verstöße beider Seiten für die Bestimmung des Versicherungsfalles heranziehen. Dafür spreche neben dem Wortlaut des § 14 (3) ARB 75 (bzw. des § 4 (1) Buchst. d ARB 2012), dass in Passivprozessen der Gegner des Versicherungsnehmers das Streitverfahren in Gang setze und dieser Streit deshalb primär durch den Vorwurf der Gegenseite geprägt werde. Mitunter erlaube auch nur der Vortrag des Anspruchsgegners die Einordnung des Ausgangsverfahrens unter eine in der Rechtsschutzversicherung versicherte Leistungsart (Schaltke, NJW 2018, 581 , 584).

Auch diese Meinung führte im Streitfall zur Annahme e ines Versicherungsfalles in nicht versicherter Zeit, weil danach auch die dem Kläger von seiner Anspruchsgegnerin angelastete Übergabe des entgegen einer Zusage nicht reparierten Fahrzeugs noch vor Beginn der Rechtsschutzversicherung einen ersten für den Ausgangsstreit adäquat kausalen Pflichtenverstoß im Sinne von § 4 (1) Buchst. d ARB 2012 darstellte, auf den nach § 4 (2) ARB 2012 abzustellen wäre.

cc) Die dritte Auffassung tritt dafür ein, die neuere Senatsrechtsprechung unmittelbar auch auf den Passivprozess des Versicherungsnehmers zu übertragen, so dass auch dort für die Bestimmung des Versicherungsfalles allein das Vorbringen des Versicherungsnehmers und der Verstoß entscheidend sei, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlaste (LG Frankfurt am Main r+s 2018, 652 [juris Rn. 18 ff.] mit zust. Anm. Maier; LG Stade, Anerkenntnisurteil vom 24. Juli 2018 - 3 S 20/18, juris Rn. 20 ff.; Maier, r+s 2017, 574 , 578; Happel, VersR 2019, 193 , 200). Danach wäre im Streitfall der Versicherungsfall erst mit der - aus Sicht des Versicherungsnehmers unberechtigten - Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch seine Anspruchsgegnerin nach Beginn der Rechtsschutzversicherung eingetreten und die Beklagte mithin zur Rechtsschutzdeckung verpflichtet.

d) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Für die zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles gemäß § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 ist auf denjenigen Verstoß abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet (ebenso Maier, r+s 2017, 574 , 578; siehe auch Heither, NJW 2017, 693 , 694; Gellwitzki, AnwBl 2015, 48 , 52). Auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kommt es insoweit nicht an.

aa) Wenngleich nach dem Bedingungswortlaut der Versicherungsfall unter anderem dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer selbst einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll, erkennt er auch im Falle eines Passivprozesses, dass eine wortlautkonforme Anwendung des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt (vgl. Senatsurteil vom 5 . November 2014 - IV ZR 22/13, r+s 2015, 16 Rn. 19).

Da bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen auch die Interessen des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen sind, ist seiner Erwartung Rechnung zu tragen, dass der Rechtssc hutzversicherer es übernehme, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Deshalb kann es auch dann, wenn der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit von seinem Anspruchsgegner in Anspruch genommen wird, für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen ankommen, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13, r+s 2015, 16 f. m.w.N.). Auch insoweit darf es der Anspruchsgegner nach der Erwartung des Versicherungsnehmers nicht in der Hand haben, dem Versicherungsnehmer mittels seiner Behauptungen den Deckungsanspruch aus der Rechtsschutzversicherung zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 16). Denn der Versicherungsnehmer wird dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen zu erbringen, eine Solidaritätszusicherung entnehmen, dass der Versicherer ihn gegen Vorwürfe des Gegners unterstütze (vgl. Maier, r+s 2015, 489 , 492). Deshalb erwartet er, dass der Rechtsschutzversicherer von seiner, des Versicherungsnehmers, Darstellung und Bewertung des Geschehens ausgeht und nicht vom Vorbringen seines Anspruchsgegners, zumal die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht der Ort ist, den Wahrheitsgehalt einander widersprechender Darstellungen der Parteien des Ausgangsrechtsstreits oder den Widerstreit unterschiedlicher Rechtsauffassungen zu klären.

Demzufolge wird er den in § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 erwähnten eigenen Verstoß allenfalls als Umschreibung der - von ihm selbst für zulässig, vom Gegner jedoch als pflichtwidrig erachteten - Weigerung verstehen, den gegen ihn erhobenen Anspruch zu erfüllen . Dass es aber ungeachtet der ihm vom Versicherer zugesagten Unterstützung für den Eintritt des Versicherungsfalles auf Verstöße ankommen soll, die der Gegner des Ausgangsstreits ihm zur Begründung seines - aus Sicht des Versicherungsnehmers unberechtigten - Begehrens vorwirft, wird der Versicherungsnehmer mit Blick auf sein Rechtsschutzinteresse dem Bedingungstext nicht entnehmen und jedenfalls bei einem privatrechtlichen Streit nicht in Erwägung ziehen, dass ein eigenes , ihm von seinem Gegner nach seiner Auffassung zu Unrecht vorgeworfenes Fehlverhalten den ersten maßgeblichen Verstoß im Sinne dieser Bedingung darstellen kann.

Die als so genannte Drei-Säulen-Theorie bezeichneten Grundsätze aus dem Senatsurteil vom 19. November 2008 ( IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff.) lassen sich mithin auf den Passivrechtstreit des Versicherungsnehmers übertragen. Denn was die Rechtsverstöße anbelangt, die der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet, unterscheidet sich seine Interessenlage im Passivrechtsstreit nicht von derjenigen in Aktivfällen (vgl. dazu schon R. Wendt in Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV - Hrsg. - Homburger Tage 2014 S. 35, 59).

bb) Der Versicherungsnehmer wird sein Klauselverständnis auch nicht an dem Interesse des Rechtsschutzversich erers ausrichten, mittels der Rechtsschutzfallklauseln etwaige Manipulationsmöglichkeiten, insbesondere so genannte Zweckabschlüsse, zu unterbinden (abw. OGH Wien VersR 2017, 1106 , 1107 f.). § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 stellt schon nicht darauf ab, ob sich die Verwirklichung eines Risikos für den Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits abgezeichnet hat. Ob die Klausel vor allem so genannten Zweckabschlüssen, d.h. der Möglichkeit begegnen soll, Versicherungsschutz für bereits bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung eingetretene Lebenssachverhalte zu erlangen, die schon eine adäquate Ursache für eine spätere rechtliche Auseinandersetzung gesetzt haben (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2018 - IV ZR 200/16, r+s 2018, 425 Rn. 49), ist zweifelhaft. Denn je nach den zeitlichen Umständen des Einzelfalles kann sie zu einem für den Versicherungsnehmer günstigen oder nachteiligen Ergebnis führen. Eine zeitliche Vorverlegung des Versicherungsfalles kann - je nach versicherter Zeit - vielfach eine den Interessen des Versicherers zuwiderlaufende Ausweitung seiner Nachhaftung zur Folge haben. Zudem hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass von einem Zweckabschluss nur dort die Rede sein kann, wo der Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages vom Versicherungsnehmer gezielt darauf gerichtet ist, Versicherungsschutz für rechtliche Auseinandersetzungen zu erlangen, deren Ursache bereits in vorversicherter Zeit gesetzt wurde. Das setzt jedoch eine Kenntnis des Versicherungsnehmers von der S treitursache voraus (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2018 - IV ZR 200/16, r+s 2018, 425 Rn. 49), auf die der Wortlaut des § 4 (1) Satz 1 Buchst. d ARB 2012 gerade nicht abstellt.

2. Ist damit im Streitfall derjenige Verstoß maßgeblich, den der Kläger der Käuferin seines Fahrzeugs anlastet, hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Versicherungsschutz verneint, denn der maßgebliche Verstoß, die nach Auffassung des Klägers unberechtigte Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, hat sich hier erst in versicherter Zeit ereignet.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 3. Juli 2019

Vorinstanz: AG Schleiden, vom 24.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 9 C 74/17
Vorinstanz: LG Aachen, vom 17.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 137/17
Fundstellen
NJW 2019, 3299
r+s 2019, 465
r+s 2022, 363