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BGH - Entscheidung vom 28.03.2019

IX ZA 8/18

Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
ZPO § 233
ZPO § 544 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
NZI 2019, 644
ZIP 2019, 1486
ZInsO 2019, 1261
ZVI 2019, 390

BGH, Beschluss vom 28.03.2019 - Aktenzeichen IX ZA 8/18

DRsp Nr. 2019/6762

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde

Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, muss ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen. Ist dies nicht geschehen, war die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; ZPO § 233 ; ZPO § 544 Abs. 1 S. 2;

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Verwalterin in dem Anschlusskonkursverfahren über das Vermögen der D. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Sie hat den Beklagten, der Erbe des verstorbenen früheren Konkursverwalters K. ist, unter anderem wegen pflichtwidriger Handlungen in dem Verfahren aus § 82 KO auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 406.758,98 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Ihre Klage ist insoweit wegen Verjährung der Ansprüche, zu deren Prüfung sie als Sonderkonkursverwalterin bestellt war, abgewiesen worden. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsurteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 22. Mai 2018 zugestellt worden.

Am Freitag, den 22. Juni 2018 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Dem per Telefax eingegangenen Antrag ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten waren als Anlagen zwei Fotokopien das Staatsanzeigers für das Land Hessen vom 28. Dezember 2009 und 28. Dezember 2015 beigefügt, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin in dem Verfahren jeweils am 17. Dezember 2009 und am 16. Dezember 2015 Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Eine Gläubigertabelle mit Prüfergebnissen, anhand derer zu beurteilen gewesen wäre, ob den wirtschaftlich beteiligten Gläubigern möglicherweise Vorschussleistungen zumutbar waren, war dem Antrag nicht beigefügt. Insoweit enthielt der Antrag, in dem das Prozesskostenhilfegesuch näher begründet wurde, auch sonst keine Ausführungen zu den wirtschaftlich beteiligten Gläubigern und zu der Frage, warum es nach Ansicht der Antragstellerin keinem Konkursgläubiger zugemutet werden kann, die Kosten einer Nichtzulassungsbeschwerde vorzufinanzieren.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 233 ZPO ) wird der Klägerin nicht bewilligt werden können, weil sie nicht unverschuldet gehindert war, die genannte Frist zu wahren.

1. Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, muss ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen. Ist dies nicht geschehen, war die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - IX ZA 9/17, ZInsO 2017, 1428 Rn. 4 mwN). Für eine Partei kraft Amtes, deren Antrag nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu beurteilen ist, gilt zwar kein Formularzwang. Auch sie ist aber verpflichtet, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO fristgerecht darzulegen und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Dies betrifft insbesondere die Umstände, derentwegen den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017, aaO; vom 25. März 2015 - IX ZR 244/14, ZInsO 2015, 898 Rn. 2; vom 4. Dezember 2012 - II ZA 3/12, NZI 2013, 82 Rn. 3 mwN). Die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO soll sicherstellen, dass Prozesskostenhilfe nur gewährt wird, wenn die Kosten nicht von den Vermögensträgern aufgebracht werden können, denen ein Erfolg des beabsichtigten Rechtsstreits zugutekommt. Bei einem vom Konkursverwalter (Insolvenzverwalter) zugunsten der Konkursmasse (Insolvenzmasse) geführten Rechtsstreit sind dies in der Regel vor allem die Konkursgläubiger (Insolvenzgläubiger), die bei einem erfolgreichen Ausgang des Rechtsstreits mit einer verbesserten Befriedigung ihrer Ansprüche aus der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse rechnen und deshalb als wirtschaftlich Beteiligte gelten können (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 - IX ZB 24/15, ZInsO 2016, 542 Rn. 14). Ist die Masse im Sinne von § 208 Abs. 1 InsO unzulänglich, werden die Insolvenzgläubiger häufig nicht mit einer Verbesserung ihrer Befriedigungsquote rechnen können. Gleichwohl genügt allein der Hinweis, dass Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde, nicht, um die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO darzulegen. Zum einen kann es Fälle geben, in denen bei einem Prozesserfolg die Masseunzulänglichkeit beseitigt wird und auch die Insolvenzgläubiger wieder eine teilweise Befriedigung erwarten können. Zum anderen können Massegläubiger vorhanden sein, denen ein Kostenvorschuss zumutbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - IX ZB 224/04, WM 2005, 1857 , 1858).

2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist innerhalb der Monatsfrist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO nach Zustellung des Berufungsurteils beim Bundesgerichtshof eingegangen. Entgegen § 114 Abs. 1 Satz 1, § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat die Klägerin jedoch innerhalb dieser Frist nichts dazu vorgetragen, dass den Insolvenz- oder Massegläubigern nicht zuzumuten sei, die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde aufzubringen. Auf vorinstanzliche Darlegungen und Unterlagen konnte schon deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil die Klägerin in den Vorinstanzen keine Prozesskostenhilfe beantragt hat.

3. Ein Hinweis auf das Fehlen einer Gläubigertabelle und von Ausführungen zu den wirtschaftlich beteiligten Gläubigern und zur Zumutbarkeit von Vorschussleistungen konnte nicht innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgen, weil der Antrag ohne die entsprechenden Darlegungen erst am 22. Juni 2018, einem Freitag, eingegangen ist und eine Prüfung der Vollständigkeit des Prozesskostenhilfeantrages im normalen Geschäftsgang nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist an diesem Tag erfolgen konnte.

Vorinstanz: LG Hanau, vom 16.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 1421/11
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 18.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 11 U 96/15
Fundstellen
NZI 2019, 644
ZIP 2019, 1486
ZInsO 2019, 1261
ZVI 2019, 390