Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 12.09.2019

IX ZB 65/18

Normen:
InsVV § 3 Abs. 1
InsVV § 11 Abs. 3
InsVV § 3 Abs. 1
InsVV § 11 Abs. 3
InsVV § 3 Abs. 1
InsVV § 11 Abs. 3

Fundstellen:
DZWIR 2020, 45
MDR 2019, 1408
NJW-RR 2019, 1385
NZI 2019, 913
WM 2019, 1979
ZIP 2019, 2018
ZInsO 2019, 2236
ZInsO 2020, 35

BGH, Beschluss vom 12.09.2019 - Aktenzeichen IX ZB 65/18

DRsp Nr. 2019/14296

Bestimmung der Vergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters; Anspruch auf einen Zuschlag bei Tätigwerden des Insolvenzverwalters in erheblichem Umfang zur Vorbereitung einer Sanierung; Berücksichtigung eines Mehraufwands für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben und Insolvenzgeldvorfinanzierung im Rahmen der Bemessung des Zuschlags für die Unternehmensfortführung

a) Wird der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen des ihm zustehenden Aufgabenkreises in erheblichem Umfang zur Vorbereitung einer Sanierung tätig, ist der damit verbundene Mehraufwand im Rahmen eines Zuschlags zu vergüten.b) Der Tatrichter kann einen Mehraufwand für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben und Insolvenzgeldvorfinanzierung im Rahmen der Bemessung des Zuschlags für die Unternehmensfortführung berücksichtigen.c) Die Zahl der Arbeitnehmer eines schuldnerischen Unternehmens rechtfertigt für sich genommen keinen Zuschlag für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben.d) Ein erheblicher Mehraufwand für die Insolvenzgeldvorfinanzierung kann sich aus den notwendigen Abläufen bei einer großen Zahl von Arbeitnehmern ergeben.e) Ein erheblicher Mehraufwand des (vorläufigen) Insolvenzverwalters für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben oder Insolvenzgeldvorfinanzierung wird regelmäßig nicht durch eine höhere Berechnungsgrundlage aufgefangen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. Juli 2018, berichtigt durch Beschluss vom 22. August 2018, aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 45.465,79 € festgesetzt.

Normenkette:

InsVV § 3 Abs. 1 ; InsVV § 11 Abs. 3 ;

Gründe

I.

Die S. gesellschaft mbH (fortan: Schuldnerin) betrieb ein Hotel mit Restaurant. Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 18. Juli 2016 ordnete das Insolvenzgericht am gleichen Tag die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an und bestellte die weitere Beteiligte (fortan: Beteiligte) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin mit Zustimmungsvorbehalt, welche unter anderem das Vermögen der Schuldnerin sichern und erhalten sollte. Zudem beauftragte es die Beteiligte, als Sachverständige zu prüfen, welche Aussichten für die Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin bestehen. Mit Beschluss vom 1. September 2016 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Die Beteiligte beantragte, ihre Vergütung als vorläufige Insolvenzverwalterin festzusetzen und macht Zuschläge in Höhe von insgesamt 150 vom Hundert geltend.

Das Insolvenzgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat die Schuldnerin Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat einen Gesamtzuschlag in Höhe von 40 vom Hundert für gerechtfertigt gehalten und die Vergütung entsprechend herabgesetzt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihren ursprünglichen Vergütungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Regelvergütung für den vorläufigen Verwalter in Höhe von 25 vom Hundert sei lediglich um einen Zuschlag von 40 vom Hundert zu erhöhen. Ein Zuschlag für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben/Insolvenzgeldvorfinanzierung von 15 vom Hundert sei nicht gerechtfertigt, weil diese Tätigkeiten bereits mit dem Zuschlag für die Betriebsfortführung abgegolten seien. Die Beteiligte habe nicht vorgetragen, dass die von ihr wahrgenommenen Aufgaben über die Regelaufgaben bei Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern hinausgingen. Eine pauschale Anknüpfung an die Mitarbeiterzahl sei nicht gerechtfertigt. Habe ein Betrieb eine höhere Zahl an Arbeitnehmern, schlage sich dies regelmäßig in einer deutlich erhöhten Berechnungsgrundlage nieder. Im Übrigen sei der Aspekt der arbeitsrechtlichen Sonderaufgaben im Rahmen der Ermittlung des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung berücksichtigt worden. Ebensowenig sei ein gesonderter Zuschlag aufgrund der Insolvenzgeldvorfinanzierung berechtigt; die Beteiligte habe hierfür keine besondere Begründung gegeben. Auch diese Tätigkeit sei bei der Höhe des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung berücksichtigt. Ein Zuschlag für die Vorbereitung einer übertragenden Sanierung in Höhe von 50 vom Hundert sei nicht zu gewähren, weil dies über den Zuschlag für eine erfolgreiche übertragende Sanierung bei der Vergütung des Insolvenzverwalters abgegolten werde.

Für einen erheblichen Jahresumsatz sei ein Zuschlag in Höhe von 10 vom Hundert angemessen. Der Zuschlag für die Betriebsfortführung betrage 30 vom Hundert. Auszugehen sei im Hinblick auf den vorgetragenen Aufwand von einem fiktiven Zuschlag in Höhe von 50 vom Hundert. Jedoch müsse die mittelbare Erhöhung der Vergütung durch Massemehrung berücksichtigt werden; nur die Differenz könne durch einen Zuschlag ausgeglichen werden. Der Differenzbetrag ergebe einen Zuschlag von 30 vom Hundert und sei angemessen.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Beschwerdegericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Beschwerde der Schuldnerin ausgegangen. Die am 2. Januar 2018 eingegangene Beschwerde der Schuldnerin war entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde fristgemäß. Die Schuldnerin ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 InsO beschwerdebefugt; für ihre Beschwer genügt es, dass sie eine Herabsetzung der Vergütung erstrebt.

Die Beschwerdefrist von zwei Wochen war am 2. Januar 2018 noch nicht abgelaufen. Der Beschluss ist der Schuldnerin erst am 18. Dezember 2017 zugestellt worden. Zwar genügt gemäß § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligte, auch wenn das Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorsieht (BGH, Beschluss vom 14. November 2013 - IX ZB 101/11, ZIP 2013, 2425 Rn. 6). Die öffentliche Bekanntmachung vom 11. Dezember 2017 war unwirksam und setzte die Beschwerdefrist nicht in Lauf. Zum einen enthielt sie nicht den Beschluss über die Vergütung, sondern lediglich die Mitteilung, dass Vergütung und Auslagen der Insolvenzverwalterin durch Beschluss festgesetzt worden seien (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - IX ZB 65/16, WM 2018, 99 Rn. 21 ff). Zum anderen war die Bekanntmachung, wonach "Vergütung und Auslagen der Insolvenzverwalterin durch Beschluss des Insolvenzgerichts festgesetzt worden" seien, unrichtig, weil sich die Festsetzung tatsächlich nicht auf die Vergütung der Insolvenzverwalterin, sondern auf die der vorläufigen Insolvenzverwalterin bezog. Auch dieser Fehler hindert die Wirksamkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZB 165/10, ZIP 2011, 2479 Rn. 8).

b) In der Sache kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Beschwerdegericht den Gesamtzuschlag für die Beteiligte zu niedrig festgesetzt hat. Maßgeblich sind die vergütungsrechtlichen Bestimmungen in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung, nachdem das Insolvenzverfahren nach dem 30. Juni 2014 beantragt worden ist (§ 19 Abs. 4 InsVV ).

aa) Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Beteiligte als vorläufige Insolvenzverwalterin regelmäßig 25 vom Hundert der Vergütung eines Insolvenzverwalters erhält (§ 63 Abs. 3 Satz 2 InsO ). Gegen die vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Berechnungsgrundlage erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen.

bb) Jedoch weist die Bemessung des Gesamtzuschlags durchgreifende Rechtsfehler auf.

(1) Die Bemessung von Zu- und Abschlägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - IX ZB 17/15, WM 2016, 1304 Rn. 14; vom 6. April 2017 - IX ZB 48/16, NZI 2017, 459 Rn. 8, jeweils mwN; vom 14. Dezember 2017 - IX ZB 101/15, ZIP 2018, 333 Rn. 17). Zu prüfen sind die Maßstäbe (Rechtsgrundsätze) und ihre Beachtung, nach denen das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit im Einzelfall gewürdigt und zu dem Grundsatz einer leistungsangemessenen Vergütung (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 , § 63 InsO ) in Beziehung gesetzt worden ist (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - IX ZB 31/02, ZIP 2002, 1459 , 1460 unter III. 2.).

(2) Das Beschwerdegericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, die Tätigkeit der Beteiligten im Rahmen der Vorbereitung der übertragenden Sanierung für einen Zuschlag zu berücksichtigen.

(a) Maßgebliches Kriterium für die Gewährung von Zu- und Abschlägen ist der im Verhältnis zu den in jedem Verfahren zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 11; vom 26. Februar 2015 - IX ZB 34/13, ZInsO 2015, 765 Rn. 7; vom 5. Juli 2018 - IX ZB 63/17, ZIP 2018, 1553 Rn. 6; st. Rspr.). Übernimmt der vorläufige Insolvenzverwalter Tätigkeiten, die ihm vom Gesetz, dem Insolvenzgericht oder den Verfahrensbeteiligten in gesetzlicher Weise wirksam übertragen worden sind, steht ihm hierfür eine Vergütung zu. Gehen diese Aufgaben über den Regelfall hinaus, hat das Gericht dem bei der Bemessung des Gesamtzuschlags im rechtlich und tatsächlich gebotenen Umfang Rechnung zu tragen.

(b) Nach diesen Maßstäben können Tätigkeiten, welche der vorläufige Insolvenzverwalter für die Vorbereitung einer übertragenden Sanierung entfaltet, einen Zuschlag rechtfertigen. Ein solcher Zuschlag kann dem vorläufigen Insolvenzverwalter - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht mit der Begründung versagt werden, die übertragende Sanierung führe zu einem Zuschlag bei der Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters. Soweit bereits die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen betraf, ist sie bereits bei dessen Vergütung zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555 , 1557; in der Sache ebenso BGH, Beschluss vom 14. Februar 2008 - IX ZB 181/04, ZIP 2008, 618 Rn. 8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 - IX ZB 70/14, BGHZ 211, 225 Rn. 72 ff für die Überwachungs- und Kontrolltätigkeit des vorläufigen Sachwalters bei Sanierungsplänen). Sowohl die Fortführung des Unternehmens des Schuldners als auch Bemühungen um eine Sanierung des Schuldners gehören nicht zu den Regelaufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters und können deshalb einen Zuschlag rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 122/08, ZIP 2010, 1909 Rn. 5 bei einer ausdrücklichen Beauftragung, Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen). Dass die übertragende Sanierung selbst naturgemäß erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat, steht dem nicht entgegen. Hingegen scheidet die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Vorbereitung der übertragenden Sanierung als Grundlage der Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters aus; sie kann nur einmal berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, aaO).

(3) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben/Insolvenzgeldvorfinanzierung stehe der Beteiligten ein gesonderter Zuschlag von 15 vom Hundert zu. Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht keinen rechnerisch gesondert ausgewiesenen Zuschlag für arbeitsrechtliche Sonderaufgaben und Insolvenzgeldvorfinanzierung festgesetzt hat. Das Beschwerdegericht hat sich rechtsfehlerfrei entschlossen, diese Umstände im Rahmen der Frage zu prüfen, in welcher Höhe ein Zuschlag für die Betriebsfortführung gerechtfertigt ist.

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist es nicht erforderlich, für sämtliche einen Mehr- oder Minderaufwand verursachenden Tätigkeiten des Insolvenzverwalters zunächst einzeln gesonderte Zu- und Abschläge festzusetzen. Eine solche Vorgehensweise wird in vielen Fällen schon deshalb unzweckmäßig sein, weil sich einzelne Zu- und Abschlagstatbestände in ihren Voraussetzungen häufig überschneiden (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 12 mwN; vom 21. Juli 2016 - IX ZB 70/14, BGHZ 211, 225 Rn. 57). Entscheidend ist stets die Gesamtschau, bei welcher das Gericht unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festzulegen hat. Maßgebend ist eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung, welche das Gericht stets nachvollziehbar anhand des Einzelfalls zu begründen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006, aaO mwN). Dieser vorausgehen muss in jedem Fall eine genaue Überprüfung und Beurteilung aller in Frage kommenden Zu- und Abschlagstatbestände, insbesondere der vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter beantragten Zuschläge (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006, aaO; vom 21. Juli 2016, aaO zur Vergütung des Sachwalters). Eine schematische Festlegung rechnerischer Zu- und Abschläge für bestimmte Sachverhalte birgt die Gefahr, dass der insgesamt gewährte Zuschlag nicht die Gesamtlage berücksichtigt, sondern sich auf die Summe aus den einzelnen Zu- und Abschlägen beschränkt.

Dies gilt insbesondere bei einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die arbeitsrechtlichen Sonderaufgaben wie auch die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes sich mit der Betriebsfortführung durch die Beteiligte überschneiden. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV , wonach eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festzusetzen ist, wenn arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in Bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben, steht dem nicht entgegen. § 3 Abs. 1 InsVV regelt nur, dass (insgesamt) eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festzusetzen ist und nennt hierzu beispielhaft verschiedene Fälle. Das erfordert nicht, für jeden in § 3 Abs. 1 InsVV genannten Fall rechnerisch einen gesonderten Zuschlag festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672 Rn. 10). Vielmehr ist der Tatrichter nur gehalten, bei der Festlegung des Gesamtzuschlags die von § 3 Abs. 1 InsVV geregelten Fälle im rechtlich und tatsächlich gebotenen Umfang mit nachvollziehbarer Begründung einzubeziehen.

(4) Die Bemessung des Zuschlags aufgrund der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die rechtliche Begründung des Beschwerdegerichts verletzt in zwei Punkten die für die Bemessung eines Zuschlags zugrunde zu legenden Maßstäbe.

(a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Vergleichsrechnung vorgenommen, inwieweit die mittelbare Erhöhung der Vergütung durch Massemehrung hinter dem Betrag zurückbleibt, der dem Verwalter bei unveränderter Masse als Zuschlag gebühren würde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, ZIP 2007, 784 Rn. 19 mwN). Dabei hat es allerdings rechtsfehlerhaft die mittelbare Erhöhung der Vergütung durch die Massemehrung auf der Grundlage des vollen Regelsatzes von 100 vom Hundert berechnet und nicht berücksichtigt, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig nur 25 vom Hundert des Regelsatzes beträgt. Demgemäß kann für die mittelbare Erhöhung der Vergütung durch die Massemehrung bei einem vorläufigen Verwalter nur 25 vom Hundert des Regelsatzes zugrunde gelegt werden.

(b) Weiter lässt sich nicht ausschließen, dass das Beschwerdegericht den von der Beteiligten aufgrund von 42 Arbeitnehmern geltend gemachten Mehraufwand für Insolvenzgeldvorfinanzierung im Rahmen der Bemessung des Zuschlags für die Betriebsfortführung in zu geringem Umfang berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der konkrete Mehraufwand.

(aa) Berücksichtigt der Tatrichter einen Mehraufwand durch arbeitsrechtliche Aufgaben und die Insolvenzgeldvorfinanzierung bei der Höhe des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung, muss er beachten, dass ein Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV für einen Mehraufwand durch arbeitsrechtliche Fragen, die den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben, anders als ein Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV nicht davon abhängt, inwieweit die Masse durch eine Betriebsfortführung größer geworden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518 , 520 zur mittelbaren Masseerhöhung durch Sozialplanverhandlungen). Dies beruht auf der Vorstellung des Verordnungsgebers, dass die durch arbeitsrechtliche Fragen eintretenden Erschwernisse unabhängig davon zu vergüten sind, ob eine größere Berechnungsgrundlage zu einer - mittelbaren - Erhöhung der Vergütung führt.

Entschließt sich der Tatrichter, einen Mehraufwand des (vorläufigen) Insolvenzverwalters durch arbeitsrechtliche Sonderaufgaben und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in den Zuschlag für die Unternehmensfortführung einfließen zu lassen, muss er daher beachten, dass die mittelbare Erhöhung der Vergütung durch die Massemehrung nur den konkreten Mehraufwand durch die Betriebsfortführung abdecken kann. Um einen Mehraufwand durch sich mit der Betriebsfortführung überschneidende, nicht aber die Betriebsfortführung selbst betreffende Aufgaben angemessen zu berücksichtigen, steht es dem Tatrichter in diesem Fall frei, diesem Mehraufwand im Rahmen der Gesamtwürdigung durch eine angemessene Erhöhung des sich aus der Vergleichsrechnung ergebenden Zuschlags für die Betriebsführung oder durch eine angemessene Erhöhung des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung Rechnung zu tragen.

Das Beschwerdegericht, welches einen Mehraufwand für arbeitsrechtliche Aufgaben und Insolvenzgeldvorfinanzierung ausdrücklich in die Bemessung des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung einbezogen hat, hat dies nicht erkannt. Dies begründet die Gefahr einer Maßstabsverschiebung. Die Rechtsbeschwerde rügt zudem mit Erfolg, dass das Beschwerdegericht für seine Annahme, ein mit einer größeren Zahl von Arbeitnehmern verbundener zusätzlicher Aufwand werde regelmäßig durch eine höhere Berechnungsgrundlage aufgefangen, keine tragfähigen Feststellungen getroffen hat. Insbesondere berücksichtigt das Beschwerdegericht nicht, dass der Umfang arbeitsrechtlicher Aufgaben sowohl von der Personalintensität als auch von der Personalaufwandsquote des schuldnerischen Unternehmens abhängt, ohne dass sich ein personalintensiver Betrieb oder eine hohe Personalaufwandsquote in einer entsprechend höheren Berechnungsgrundlage widerspiegeln müssen.

(bb) Dieser Fehler hat sich hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Sonderaufgaben nicht zum Nachteil der Beteiligten ausgewirkt. Rechtlich zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter zu dem entstandenen, über die Regelaufgaben hinausgehenden Mehraufwand und die für einen Zuschlag notwendige Schätzgrundlage vorzutragen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371 unter II.2.a; vom 6. Mai 2010 - IX ZB 123/09, ZInsO 2010, 1504 ).

Nach diesen Maßstäben beschwert es die Beteiligte nicht, dass das Beschwerdegericht unzutreffende Grundsätze für die Berücksichtigung eines Mehraufwandes im Rahmen des fiktiven Zuschlags für die Betriebsfortführung zugrunde gelegt hat. Für die Bearbeitung arbeitsrechtlicher Aufgaben fehlt es nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts an jedem Vortrag der Beteiligten. Dies greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Erforderlich für einen Zuschlag für arbeitsrechtliche Aufgaben sind Tätigkeiten, welche über die bloße Personalverwaltung durch das schuldnerische Unternehmen im Rahmen einer Betriebsfortführung hinausgehen und vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter zu erfüllen sind. Dies zeigt nicht zuletzt die - beispielhafte - Aufzählung in Bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan bei einem Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV für arbeitsrechtliche Fragen, welche den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben. Der Hinweis der Beteiligten auf "arbeitsrechtliche Sonderaufgaben" ist inhaltsleer und genügt nicht, um einen zusätzlichen Aufwand zu begründen. Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde, allein aus der Zahl von 42 Arbeitnehmern folge ein überdurchschnittlicher Aufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters für arbeitsrechtliche Aufgaben, der doppelt so hoch wie bei 20 Arbeitnehmern sei.

(cc) Hingegen lässt sich nicht ausschließen, dass sich dieser Fehler im Hinblick auf die Insolvenzgeldvorfinanzierung ausgewirkt hat. Allerdings greift die Rechtsbeschwerde die Feststellung des Beschwerdegerichts nicht an, die Beteiligte habe weder den verlangten Zuschlag besonders begründet noch vorgetragen, welche Kosten bei einer Erledigung der Aufgabe durch eine professionelle Dienstleistung angefallen wären. Ein Zuschlag setzt nach § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV voraus, dass die mit der Insolvenzgeldvorfinanzierung zusammenhängenden Fragen den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben. Unterhalb der Schwelle von 20 Arbeitnehmern ist die zusätzliche Belastung des vorläufigen Insolvenzverwalters unerheblich und mit der Regelvergütung abgegolten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518 , 520 zu Sozialplanverhandlungen; vom 22. Februar 2007 - IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 Rn. 9 zur Insolvenzgeldvorfinanzierung). Daraus folgt noch nicht, dass die Insolvenzgeldvorfinanzierung ab dieser Schwelle ohne weiteres zu einem erheblichen, einen Zuschlag rechtfertigenden Mehraufwand des Insolvenzverwalters führt. Bei einer Zahl von 42 betroffenen Arbeitnehmern liegt jedoch ein solcher Mehraufwand angesichts der notwendigen Arbeitsabläufe bei der Insolvenzgeldvorfinanzierung nahe. Nachdem das Beschwerdegericht einen Mehraufwand für die Insolvenzgeldvorfinanzierung in den fiktiven Zuschlag für die Betriebsfortführung eingestellt hat und die übrige Begründung des Beschwerdegerichts nicht erkennen lässt, dass es auch die notwendigen Arbeitsabläufe berücksichtigt hat, lässt sich nicht ausschließen, dass der Mehraufwand in zu geringem Ausmaß berücksichtigt worden ist.

(c) Soweit die Rechtsbeschwerde einen höheren fiktiven Zuschlag für die Betriebsfortführung auch ohne Berücksichtigung der Insolvenzgeldvorfinanzierung für richtig hält, greift sie nur die tatrichterliche Bewertung an. Diese enthält bezogen auf den Mehraufwand durch die Betriebsfortführung keine Gefahr einer Maßstabsverschiebung.

III.

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Abgrenzung der Tätigkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach Art, Dauer und Umfang einer Unternehmensfortführung Aufgabe der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall ist. Deshalb verbietet sich im Rechtsbeschwerdeverfahren eine vergleichende Betrachtung mit Einzelfallentscheidungen anderer Landgerichte, wie sie die Rechtsbeschwerdebegründung vornimmt (BGH, Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 141/07, ZInsO 2009, 55 Rn. 10 mwN). Sie können aber eine Orientierungshilfe bieten. Eine Verbindlicherklärung solcher Entscheidungshilfen scheidet aus. Ihnen kann kein normativer Charakter beigemessen werden. Ihr Inhalt bedarf vielmehr in jedem Einzelfall der Überprüfung (BGH, Beschluss vom 1. März 2007 - IX ZB 277/05, ZInsO 2010, 1855 Rn. 7).

Vorinstanz: AG Wittlich, vom 07.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen IN 75/16
Vorinstanz: LG Trier, vom 17.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 20/18
Fundstellen
DZWIR 2020, 45
MDR 2019, 1408
NJW-RR 2019, 1385
NZI 2019, 913
WM 2019, 1979
ZIP 2019, 2018
ZInsO 2019, 2236
ZInsO 2020, 35