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BGH - Entscheidung vom 29.01.2019

2 StR 274/18

Normen:
StGB § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4

BGH, Beschluss vom 29.01.2019 - Aktenzeichen 2 StR 274/18

DRsp Nr. 2019/5219

Berücksichtigung der Aufklärungshilfe als allgemeiner Strafzumessungsumstand i.R.d. Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls

Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht den jeweiligen Gesamtstrafen die Grundlage. Damit unterliegt auch die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe der Aufhebung.

Tenor

1.

Auf die Revisionen der Angeklagten M. , F. , S. und Sa. wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. Januar 2018 - auch bezüglich des Angeklagten L. -

a)

in sämtlichen Einzel- und Gesamtstrafenaussprüchen und,

b)

soweit es die Angeklagten M. und L. betrifft, im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs aufgehoben,

c)

soweit es die Angeklagten M. , F. , S. und L. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung dahin klargestellt, dass der im landgerichtlichen Urteilstenor unter Ziffer 8. Buchstabe e) angegebene Betrag 6.100 Euro beträgt.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Normenkette:

StGB § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, Diebstahls "im besonders schweren Fall" in sieben Fällen und wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt und unter Anordnung eines Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; den Angeklagten F. hat es unter Freispruch im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, Diebstahls "im besonders schweren Fall" in vier Fällen, davon in einem Fall versucht, wegen Diebstahls und wegen Begünstigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Den Angeklagten S. hat das Landgericht unter Freispruch im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, Diebstahls "im besonders schweren Fall" in zwei Fällen und wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten und den Angeklagten Sa. unter Freispruch im Übrigen wegen Diebstahls "im besonders schweren Fall" in fünf Fällen, davon in einem Fall versucht und wegen Beihilfe zum Diebstahl unter Einbeziehung zweier Strafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung, verurteilt. Darüber hinaus hat es gegenüber allen Angeklagten Einziehungsentscheidungen getroffen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten M. , F. , S. und Sa. , die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt sind; der Angeklagte M. rügt darüber hinaus die Verletzung formellen Rechts. Die Revisionen haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet. Die Entscheidung ist auf den Mitangeklagten L. zu erstrecken (§ 357 StPO ).

1. Die vom Angeklagten M. erhobene, nicht näher ausgeführte Verfahrensrüge, ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ).

2. Die Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich der jeweiligen Schuldsprüche keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

3. Sämtliche Strafaussprüche halten der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Wie der Generalbundesanwalt in seinen Zuschriften vom 6. August 2018 ausgeführt hat, ist das Landgericht im Fall II. 10 der Urteilsgründe - betreffend die Angeklagten M. , F. , S. und den nicht (mehr) revidierenden Mitangeklagten L. - rechtsfehlerhaft von einer Strafuntergrenze von sechs Monaten statt richtigerweise von drei Monaten ausgegangen und hat Einzelstrafen verhängt, die dieser fehlerhaften Mindeststrafe entsprechen bzw. die nur geringfügig über dieser Mindeststrafe liegen.

b) In den Fällen II. 1, 16, 19, 21, 22, 25, 26, 27 und 28 der Urteilsgründe hat die Strafkammer wegen (vollendeten) "Diebstahls im besonders schweren Fall" verurteilt und ihren konkreten Zumessungserwägungen jeweils rechtsfehlerhaft einen Strafrahmen "zwischen sechs Monaten und 10 Jahren" statt zutreffend von drei Monaten bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt. Der Senat schließt mit dem Generalbundesanwalt aus, dass es sich dabei jeweils um ein bloßes Schreibversehen handelt. Der Senat kann in allen diesen Fällen indes letztlich nicht ausschließen, dass die Angeklagten durch die Festsetzungen der jeweiligen Einzelstrafen aufgrund des systematisch fehlerhaft angewendeten Strafrahmens beschwert sind.

c) Das Landgericht hat überdies eine mögliche Strafmilderung nach § 46b StGB hinsichtlich des Angeklagten M. in den Fällen II. 1, 6, 7, 10, 11, 17, 22, 24, 25 und 28 der Urteilsgründe, hinsichtlich des Angeklagten F. in den Fällen II. 11, 12, 18 und 20 der Urteilsgründe und hinsichtlich des Angeklagten S. in den Fällen II. 7, 8, 14, 18, 19, 20, 26 und 30 der Urteilsgründe nicht erörtert, obwohl nach den Urteilsfeststellungen dazu Anlass bestand.

Die Strafkammer hat zwar festgestellt, dass die Angeklagten M. , F. und S. "in einem beträchtlichen Umfang Aufklärungshilfe geleistet" hätten; indessen käme ein "Absehen von Strafe gemäß § 46 Abs. 1 a.E. StGB [...] angesichts der Vorstrafen nicht in Betracht. Vielmehr hat die Kammer - im Einzelfall unter Absenkung des Regelstrafrahmens - die an sich schuldangemessene Freiheitsstrafe herabgesetzt".

Die Aufklärungshilfe der Angeklagten hat das Landgericht folglich nur als allgemeinen Strafzumessungsumstand berücksichtigt. Es hätte jedoch aufgrund seiner Feststellungen nicht nur prüfen dürfen, ob gemäß "§ 46 Abs. 1 a.E. StGB " [gemeint: § 46b Abs. 1 Satz 4 StGB] von Strafe abgesehen werden kann, sondern bereits bei der Bestimmung des jeweiligen Strafrahmens erörtern müssen, ob die Aufklärungshilfe der Angeklagten eine im Ermessen des Tatgerichts stehende Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO als vertyptem Strafmilderungsgrund ermöglicht.

d) Der Senat hebt darüber hinaus auch die Einzelstrafen auf, die von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen. Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht den jeweiligen Gesamtstrafen die Grundlage. Damit unterliegt auch die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe der Aufhebung. Die Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen. Sie bleiben daher aufrecht erhalten (§ 353 Abs. 2 StPO ). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht mit den bisherigen in Widerspruch stehen.

Da die Gesetzesverletzungen in gleicher Weise den Mitangeklagten L. betreffen, der sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, ist die Urteilsaufhebung insoweit auf ihn zu erstrecken (§ 357 StPO ). Wegen der Aufhebung des Strafausspruchs ist auch die Grundlage für den Ausspruch über den Vorwegvollzug entfallen.

4. Im Hinblick auf die Einziehungsanordnung weist das Urteil einen die Angeklagten M. , F. und S. beschwerenden Rechtsfehler auf, der auch den Mitangeklagten L. betrifft. Ausgehend von den Wertangaben zu den erbeuteten Gegenständen ergibt sich im Fall II. 12 der Urteilsgründe unter Berücksichtigung der Zurückerlangung von zwei Rennrädern und des Musikinstruments ein verbleibender Wert des Erlangten von 6.100 Euro statt 6.900 Euro. Insoweit ist die Einziehungsentscheidung des landgerichtlichen Urteilstenors unter Ziffer 8. Buchstabe e) klarzustellen und auf den Mitangeklagten L. zu erstrecken. Soweit sich das Landgericht zugunsten der Angeklagten M. , F. , S. und Sa. in den Fällen II. 18, 19 und 27 der Urteilsgründe zum Wert des Erlangten geringfügig verrechnet hat, sind die Angeklagten nicht beschwert.

Vorinstanz: LG Bonn, vom 19.01.2018