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BGH - Entscheidung vom 21.03.2019

IX ZR 30/18

Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8
InsO § 180
InsO § 182

BGH, Beschluss vom 21.03.2019 - Aktenzeichen IX ZR 30/18

DRsp Nr. 2019/5804

Bemessung des Streitwerts bei Schadensersatzforderungen gegen einen Insolvenzverwalter; Unzulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erreichen des Beschwerdewertes; Zu erwartenender Betrag von mehr als 20.000 € bei der Verteilung der Insolvenzmasse

Der Wert des Streitgegenstandes einer erhobenen Klage auf Feststellung einer vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle bestimmt sich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Dezember 2017 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.

Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 2.700,60 € festgesetzt.

Normenkette:

EGZPO § 26 Nr. 8 ; InsO § 180 ; InsO § 182 ;

Gründe

I.

Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Schuldnerin, gegen welche die Kläger sich Schadensersatzforderungen in Höhe von 21.000 € berühmen. Diese meldeten ihre Forderungen nebst Feststellungspauschalen in Höhe von insgesamt 40 € zur Tabelle an, der Beklagte bestritt die Forderungen mangels schlüssiger Darlegung der Anspruchsgrundlage, woraufhin die Kläger gegen den Beklagten eine Tabellenfeststellungsklage nach § 180 InsO erhoben haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und den Streitwert auf 630 € festgesetzt. Zur Begründung des Streitwerts hat es auf § 182 InsO verwiesen und darauf, dass bei ungünstigen Annahmen jedenfalls mit einer Quote von 3 vom Hundert zu rechnen sei. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde, mit welcher sie die Zulassung der Revision und die Verurteilung des Beklagten erreichen möchten.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung ein Betrag zu erwarten ist, der 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO ). Das wäre nur dann der Fall, wenn mit einer Quote von über 95 vom Hundert zu rechnen wäre. Davon ist nicht auszugehen.

1. Der Wert der Beschwer ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ohne Bindung an die durch das Berufungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung von Amts wegen nach §§ 2 ff ZPO , § 182 InsO zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 200/05, NZI 2007, 175 Rn. 4 mwN). Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - II ZR 156/13, NZI 2014, 357 Rn. 4). Nach § 182 InsO bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes einer gemäß § 180 InsO erhobenen Klage auf Feststellung einer vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Diese Regelung gilt sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert, mithin auch für die Ermittlung des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - II ZR 156/13, NZI 2014, 357 Rn. 4; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 - IX ZA 32/15, ZInsO 2016, 1776 Rn. 4). Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014, aaO Rn. 5; vom 12. Mai 2016, aaO Rn. 3). Der Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu erwarten ist, bestimmt sich nach dem Verhältnis der Teilungsmasse zur Schuldenmasse. Bei der Schätzung der Schuldenmasse ist die Klageforderung zum vollen Betrag anzusetzen; andere bestrittene Forderungen sind unabhängig davon, ob ihretwegen bereits Feststellungsklage erhoben wurde oder nicht, mit dem Wahrscheinlichkeitswert zu berücksichtigen (MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 182 Rn. 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. September 1999 - IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811 , 1812). Auch die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Zinsen und die bis dahin entstandenen Kosten sind, wie sich im Umkehrschluss aus § 39 Abs. 1 Nr. 1 , Nr. 2 , Abs. 3 InsO ergibt, bei der Ermittlung der Schuldenmasse zu berücksichtigen. Im Übrigen bleiben die für die Forderung angefallenen Zinsen und Kosten bei der Berechnung des Streitwerts außer Betracht (Schumacher, aaO).

Dabei obliegt es dem Beschwerdeführer innerhalb der laufenden Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang erstreben will, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006, aaO; Beschluss vom 21. Juni 2018 - V ZB 254/17, WuM 2018, 733 Rn. 5 mwN). Dies gilt auch für die Beschwer bei einer Klage auf Feststellung einer Insolvenzforderung zur Tabelle. Demgemäß hat der Beschwerdeführer Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die dem Revisionsgericht ermöglichen, die voraussichtliche Quote zu schätzen.

2. Nach diesen Maßstäben gehen die Kläger zu Unrecht von einer zu erwartenden Quote in Höhe von annähernd 100 vom Hundert aus. Sie berufen sich dafür allerdings im Ansatz zutreffend auf den achten Sachstandsbericht des Beklagten für den Zeitraum vom 25. Februar bis zum 15. September 2017 vom 26. September 2017 (Anlage K 18). Da der Bericht sich auf einen Zeitraum nicht lange vor der am 15. November 2017 erfolgten letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bezieht, können hierauf die Schätzungen für die Teilungs- und Schuldenmasse gestützt werden. Doch treffen die Schlussfolgerungen, welche die Kläger aus diesem Bericht zur Höhe der zu erwartenden Quote ziehen, nicht zu. Der Bericht endet zwar mit den Worten, der Beklagte gehe zurzeit von einer hohen Quote aus, auf der Basis der derzeit festgestellten Forderungen sogar von einer Quote in Höhe von 100 vom Hundert, allerdings sei diese davon abhängig, ob von den nachträglich angemeldeten und noch nicht geprüften Forderungen in Höhe von über 41 Mio. € noch größere Beträge anerkannt werden müssten. Mithin erklärt sich die hohe Quote allein daraus, dass der Beklagte der Teilungsmasse nur eine Schuldenmasse aus zur Tabelle festgestellten Insolvenzforderungen gegenübergestellt hat. So kann die Wertgrenze für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht bestimmt werden. Vielmehr sind auch die bestrittenen Forderungen nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Berechtigung in die Schätzung einzubeziehen.

Nach dem Bericht bestand zum 15. November 2017 nach Abzug der sonstigen Masseverbindlichkeiten und unter Berücksichtigung des unsicheren Verlustausgleichsanspruchs der Masse, welcher hier nach der Realisierungswahrscheinlichkeit mit 355.000 € in die Schätzung eingestellt wird (5 vom Hundert von 7,1 Mio. €) eine Masse in Höhe von 2.590.623,26 €. Hiervon sind ebenfalls noch die Kosten des Verfahrens abzuziehen, welche der Senat im Hinblick auf den vom Beklagten in der Parallelsache IX ZR 26/18 eingereichten Schriftsatz vom 8. Dezember 2017 mangels anderslautender Angaben der Parteien in diesem Rechtsstreit auf 350.000 € schätzt. Mithin bestand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Teilungsmasse in Höhe von 2.240.623,26 €. Dem stand folgende Schuldenmasse gegenüber:

- Zur Tabelle festgestellte Insolvenzforderungen in Höhe von  789.207,49 €; 
- die aufschiebend bedingt und für den Ausfall zur Tabelle festgestellten Insolvenzforderungen wurden im Rahmen der Schätzung mit 20 vom Hundert des festgestellten Betrages berücksichtigt, also in Höhe von  42.090,98 €; 
- die von den vorinstanzlichen Prozessvertretern der Kläger für weitere Anleger angemeldeten und bestrittenen Forderungen in Höhe von ca. 1,426 Mio. € wurden im Hinblick auf den Ausgang dieses Prozesses mit berücksichtigt:  0,00 €; 
- angemeldete und bestrittene Forderungen in einem Umfang von 34.949.241,08 € wurden im Hinblick auf den später zwischen den Insolvenzgläubigern und dem Beklagten ausgehandelten Vergleich mit einem Wahrscheinlichkeitswert in Höhe von 45 vom Hundert in die Schätzung eingestellt:  15.727.158,49 €; 
- die restlichen bestrittenen Forderungen in einem Umfang von 16.958.969,97 € wurden mit einem Wahrscheinlichkeitswert in Höhe von 5 vom Hundert in die Schätzung eingestellt:  847.948,50 €; 
- zum Schluss wurde die Klageforderung im vollen Wert hinzugerechnet, allerdings ohne die Feststellungspauschalen, weil es sich insoweit nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO um in der Verteilung zunächst nicht zu berücksichtigende nachrangige Forderungen handelt:  21.000,00 €. 

Das ergibt eine Schuldenmasse in Höhe von 17.427.405,46 € und eine zu erwartende Quote in Höhe von aufgerundet 12,86 vom Hundert. Daraus errechnet sich der festgesetzte Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde mit 2.700,60 €.

Vorinstanz: LG München I, vom 22.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 35 O 5119/14
Vorinstanz: OLG München, vom 22.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 1908/15