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BGH - Entscheidung vom 05.09.2019

III ZR 218/18

Normen:
WasserG BW § 7 Abs. 1
WasserG BW § 7 Abs. 1
WasserG BW § 7 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 05.09.2019 - Aktenzeichen III ZR 218/18

DRsp Nr. 2019/17890

Anwachsung des Eigentums an einer entstandenen Landfläche (sogenannte "Uferkrawatte") durch die Veränderung der Uferlinie infolge des Inkrafttretens von § 7 Abs. 1 bwWG am 1. März 1960

Die Veränderung der Uferlinie infolge des Inkrafttretens von § 7 Abs. 1 bwWG am 1. März 1960 hat nicht zu einer Anwachsung des Eigentums an der dadurch entstandenen Landfläche (sogenannte "Uferkrawatte") zu den jeweiligen Ufergrundstücken geführt (Bestätigung von OLG Stuttgart, BeckRS 1970, 106561).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. September 2018 - 9 U 81/18 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 141.600 €

Normenkette:

WasserG BW § 7 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines in der Gemarkung K. gelegenen Grundstücks, das im Südwesten an den Bodensee grenzt. Er begehrt gegenüber dem beklagten Land (im Folgenden Beklagter) die Feststellung, dass sich sein Grundstück über eine tatsächlich bestehende Abmarkung hinaus auf einen weiteren 118 m2 großen Teil des Ufers bis zur Linie des Mittelwasserstandes des Bodensees erstreckt.

Der Beklagte ist (öffentlich-rechtlicher) Eigentümer des Bettes des Bodensees. Unter Geltung des Art. 7 Abs. 3 des Württembergischen Wassergesetzes vom 1. Dezember 1900 (RegBl. S. 921; fortan: württWG) wurde die Grenze zwischen dem Bett des Gewässers und den Ufern der öffentlichen Gewässer (die Uferlinie) durch denjenigen Wasserstand bestimmt, welcher der regelmäßig wiederkehrenden Anschwellung des Gewässers entsprach, das heißt der Linie des mittleren Hochwasserstands. Gemäß Art. 7 Abs. 4 württWG bestand weiterhin die Möglichkeit - soweit ein Anlass hierzu vorlag -, die Uferlinie festzusetzen und in angemessener Weise zu bezeichnen, wovon die Königliche Regierung des Donaukreises mit Verfügung Nr. 10925 vom 26. Dezember 1906 vorliegend Gebrauch machte. Die Uferlinie wurde unter anderem im Bereich des nunmehr dem Kläger gehörenden Grundstücks vermarkt und im Liegenschaftskataster eingetragen. Im Verlauf der nachfolgenden Jahrzehnte sank der mittlere Hochwasserstand um 11,9 cm ab.

Am 1. März 1960 trat das Baden-Württembergische Wassergesetz in Kraft (GBl. Nr. 4 S. 17 [im Folgenden: a.F.]; derzeit gültig in der Fassung gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Wasserrechts in Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2013, GBl. Nr. 17 S. 389 [im Folgenden: n.F.]), das das Württembergische Wassergesetz ersetzte. Gemäß § 7 Abs. 1 bwWG a.F. und n.F. wird die Grenze zwischen dem Bett eines Gewässers und den Ufergrundstücken (Uferlinie) seitdem durch die Linie des Mittelwasserstands definiert. Der Mittelwasserstand bestimmt sich nach dem arithmetischen Mittel der Wasserstände der letzten 20 Jahre (§ 4 Abs. 3 Satz 1 bwWG a.F., § 5 Abs. 3 Satz 1 bwWG n.F.). Sie liegt damit unterhalb der zuvor maßgeblichen Uferlinie.

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm sei aufgrund der jeweiligen - einerseits natürlichen und andererseits gesetzlichen - seewärtigen Verschiebungen der Uferlinie weiteres Eigentum von Gesetzes wegen zugewachsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat nach vorangegangenem Hinweisbeschluss die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des Berufungsgerichts.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.

1. Soweit der Kläger für sich in Anspruch nimmt, Eigentümer eines Teils der durch die gesetzliche Verschiebung der Uferlinie durch das Baden-Württembergische Wassergesetz entstandenen sogenannten Uferkrawatte geworden zu sein, ist die Zulassung der Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (zB Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs. 14/4722 S. 104; BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221 , 223 und vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181 , 191). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (zB BGH, Beschlüsse vom 15. August 2018 - XII ZB 32/18, FamRZ 2018, 1766 Rn. 3; vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12, NJW-RR 2013, 897 Rn. 4 und vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). Ansichten in der Literatur, die vereinzelt geblieben oder nicht nachvollziehbar begründet sind, begründen jedoch keinen Klärungsbedarf (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3).

Dies zugrunde gelegt, ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob § 7 Abs. 1 bwWG die Grenze des Eigentums zwischen dem Gewässer und dem Anliegergrundstück bilde, nicht klärungsbedürftig.

Ausgangspunkt des Zurückweisungs- und des vorangegangenen Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 1970, das in einem vergleichbaren Fall eines Ufergrundstücks am Bodensee entschieden hatte, dass die einst zum Gewässerbett gehörende Landfläche, das heißt die Fläche zwischen alter und neuer Uferlinie (Uferkrawatte), infolge der Neuregelung gemäß § 7 Abs. 1 bwWG weder den Eigentümern der Ufergrundstücke als Privateigentum zugewachsen noch kraft Gesetzes in das Eigentum des Landes übergegangen, sondern herrenlos geworden und damit dem Aneignungsrecht des Landes (§ 928 Abs. 2 BGB ) unterworfen sei (BeckRS 1970, 106561). Der zuvor nach Inkrafttreten des Baden-Württembergischen Wassergesetzes in der Literatur - ohnehin nur vereinzelt ausgetragene - Meinungsstreit (vgl. dazu Bender, BWVBl. 1968, 5 ff und 164 ff einerseits und Bulling, BWVBl. 1968, 97 ff und 166 ff andererseits) ist damit geklärt worden. Er ist nach dieser Entscheidung auch nicht wieder aufgeflammt. Die Kommentarliteratur ist der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart vielmehr gefolgt (vgl. Kibele, Wassergesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 7 Rn. 10 [Stand: April 2018]; Habel, Wassergesetz für Baden-Württemberg, § 7 Rn. 3; Ziegler, Kommentar zum Wassergesetz für Baden-Württemberg, § 7 Rn. 4). Für abweichende Stimmen im sonstigen Schrifttum oder in der Rechtsprechung gibt es keinen Anhalt. Dementsprechend hat der Landesgesetzgeber auf der Grundlage der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 1970 mit dem durch Art. 1 Nummer 38 des am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes vom 13. November 1995 (GBl. Nr. 32, 773) eingefügten § 123a bwWG den Zustand der Herrenlosigkeit beendet, indem das Eigentum an der "Uferkrawatte" dem Eigentümer des Gewässerbetts übertragen wurde (vgl. dazu auch Entwurf der Landesregierung des vorgenannten Gesetzes, LT-Drs. 11/6166 S. 21 und 48 f). Einen aktuellen Meinungsstreit zeigt die Beschwerde nicht auf. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass es in den vergangenen fast 50 Jahren überhaupt weitere vergleichbare Rechtsstreitigkeiten gegeben hat. Soweit § 123a bwWG inzwischen wieder außer Kraft getreten ist, liegt dies darin begründet, dass sich sein Regelungsgehalt mit Inkrafttreten der Vorschrift zum 1. Januar 1996 erledigt hat, weil damit ein gesetzlicher Eigentumsübergang eingetreten ist. Eine Auswirkung auf die bestehenden Eigentumsverhältnisse an der "Uferkrawatte" sollte damit nicht verbunden sein (vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Neuordnung des Wasserrechts, LT-Drs. 15/3760 S. 170).

b) Vor diesem Hintergrund besteht ebenso wenig das Bedürfnis an einer richtungsweisenden Orientierunghilfe, weshalb es auch einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nicht bedarf (vgl. dazu allgemein BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 aaO S. 225).

c) Schließlich ist die Zulassung der Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; insbesondere sind die eingehend begründeten und abgewogenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht als willkürlich zu betrachten.

So hat sich das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zumindest gut vertretbar mit dem Passus aus der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 bwWG befasst, nach dem sich "nach dem Entwurf das Eigentum der Anlieger künftig auf den Uferstreifen zwischen der Linie des mittleren Hochwasserstandes und der Linie des Mittelwasserstandes" erstreckt. Diese Wendung mag zwar zunächst für die Auffassung des Klägers sprechen. Indessen ging sogar Bender (BWVBl. 1968, 5 , 8; 164, 165), der den Zuwachs der "Uferkrawatte" in das Eigentum der Anlieger befürwortete, nicht davon aus, dass dieser Teil der Entwurfsbegründung im Gesetz selbst seine normative Umsetzung erfahren hat. Der Autor nahm vielmehr an, dass eine Gesetzeslücke vorlag, die durch eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 1 bwWG a.F. zu schließen sei (aaO).

Unbehelflich ist ferner der Hinweis der Beschwerde darauf, dass die in § 7 Abs. 1 bwWG bestimmte Uferlinie zugleich eine Eigentumsgrenze bedeutet. Dies trifft zwar insoweit zu, als die Uferlinie bei - wie im Fall des Bodensees - öffentlichen Gewässern das öffentliche Eigentum des Landes oder der Gemeinde begrenzt und landseitig Privateigentum herrscht. Dies besagt aber nichts darüber aus, wer Inhaber des privaten Eigentums ist oder geworden ist.

2. Zur Frage, ob es bereits vor Inkrafttreten des Baden-Württembergischen Wassergesetzes gemäß Art. 9 Abs. 1 württWG zu einer Anwachsung von Land an das klägerische Grundstück infolge des abgesunkenen Wasserspiegels des Bodensees gekommen ist oder ob die Grundstücksgrenze infolge der Abmarkung aufgrund der Verfügung der Königlichen Regierung des Donaukreises aus dem Jahr 1906 unveränderlich festgelegt worden ist, macht der Kläger keine Zulassungsgründe geltend.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG Ravensburg, vom 18.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 156/17
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 24.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 81/18