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BGH - Entscheidung vom 31.01.2019

III ZR 186/17

Normen:
GG Art. 14 Abs. 1 Ea
FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3
GG Art. 14 Abs. 1 (Ea)
FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3
GG Art. 14 Abs. 1
FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3
VO (EG) 73/2009 Art. 34

Fundstellen:
BGHZ 221, 74
DVBl 2019, 703
NJW 2019, 1682

BGH, Urteil vom 31.01.2019 - Aktenzeichen III ZR 186/17

DRsp Nr. 2019/2886

Anspruch des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebes auf Entschädigung wegen entgangener Agrarbetriebsprämien nach Art. 34 VO 73/2009/EG; Entgehen von Agrarbetriebsprämien aufgrund eines vorläufigen Besitzentzugs

a) Solange das Gesetz einem Einzelnen einen Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Subvention gewährt, stellt es einen entschädigungspflichtigen Eingriff in eine nach Art. 14 Abs. 1 GG grundgesetzlich geschützte Rechtsposition dar, wenn dieser Anspruch infolge des enteignenden Zugriffs auf ein Grundstück oder einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Fortfall gerät.b) Entgeht dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes aufgrund eines vorläufigen Besitzentzugs die Möglichkeit, mithilfe der Aktivierung von Zahlungsansprüchen eine Betriebsprämie nach Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 zu erhalten, stellt dies einen nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG entschädigungsfähigen Nachteil dar.c) Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsinhaber in der Zeit des Besitzentzugs für die betroffenen landwirtschaftlichen Flächen über keine Zahlungsansprüche verfügt hat, weil er im Hinblick auf die hoheitliche Inanspruchnahme von einem ihm tatsächlich möglichen Erwerb von Zahlungsansprüchen abgesehen hat.

Tenor

Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. Mai 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

GG Art. 14 Abs. 1 ; FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3; VO (EG) 73/2009 Art. 34;

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen entgangener Agrarbetriebsprämien nach Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 (ABl. L 30 S. 16, im Folgenden: VO Nr. 73/2009).

Dem Antragsteller wurde zwischen Oktober 2007 und November 2010 durch vorläufige Anordnungen der Besitz an landwirtschaftlichen Nutzflächen in einer Größe von insgesamt 15,47 Hektar zugunsten der Beteiligten zu 3 und 4 aus der Bewirtschaftung entzogen. Er ist Eigentümer dieser Flächen, die er ohne Zahlungsansprüche gemäß Art. 33 der vorgenannten Verordnung beziehungsweise gemäß Art. 43 ff der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 270 S. 1, im Folgenden VO Nr. 1782/2003) erworben hatte. Ferner ist er Eigentümer weiterer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke.

Im Jahr 2011 verfügte der Antragsteller über 464,51 Zahlungsansprüche für Agrarfördermittel, die er sämtlich für die von ihm weiterhin landwirtschaftlich genutzten Flächen aktivieren konnte. Da ihm die von der vorläufigen Besitzentziehung betroffenen, grundsätzlich beihilfefähigen Grundstücke nicht mehr zur Verfügung standen, sah er davon ab, Zahlungsansprüche für diese Flächen zu erwerben. Im Dezember 2011 erhielt der Antragsteller für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 für die von ihm weiterhin landwirtschaftlich genutzten Grundstücke 298,85 € pro aktiviertem Zahlungsanspruch.

Mit Teilentschädigungsbescheid vom 19. März 2015 setzte die Beteiligte zu 2 die Entschädigung für aufgrund des Flächenentzugs nicht aktivierte Zahlungsansprüche für das Jahr 2011 auf 0,00 € fest. Alle zugewiesenen Zahlungsansprüche habe der Antragsteller aktivieren können, eine darüber hinausgehende Entschädigung werde nicht gewährt.

Hiergegen hat sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Er verlangt 3.694,22 € als Entschädigung für entgangene Betriebsprämien abzüglich fiktiver Kosten für den Erwerb von Zahlungsansprüchen für die von den Beteiligten zu 3 und 4 in Anspruch genommenen Flächen. Er behauptet, er hätte für die gesamten entzogenen Flächen Zahlungsansprüche über die ZI-Datenbank erwerben und sodann aktivieren können. Darauf, dass er die Zahlungsansprüche tatsächlich nicht erworben habe, komme es nicht an.

Das Landgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Träger eines Unternehmens habe dem Betroffenen nach § 88 Nr. 3 Satz 3 Flurbereinigungsgesetz ( FlurbG ) zwar eine Entschädigung für Nachteile zu zahlen, welche diesem durch den konkreten Nutzungsentgang aufgrund der vorläufigen Besitzentziehung entstanden seien. Ersatz zu leisten sei für alle entgangenen Nutzungsvorteile, wozu auch die sich aus der Aktivierung von Zahlungsansprüchen ergebenden geldwerten Vorteile zu zählen seien. Da § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG als Enteignungsentschädigung ausgestaltet sei, müsse durch die vorläufige Anordnung aber eine dem Schutz des Art. 14 GG unterfallende Beeinträchtigung eingetreten sein, wofür das Entgehen bloßer Umsatz- und Gewinnchancen nicht genüge. Hinsichtlich der Zahlungsansprüche sei die vorauszusetzende gefestigte Rechtsposition zum Zeitpunkt des Besitzentzugs noch nicht entstanden gewesen. Zwar sei davon auszugehen, dass der Antragsteller nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge für die entzogenen Flächen Zahlungsansprüche erworben und aktiviert hätte. Im Falle der bloßen Möglichkeit zum Erwerb von Zahlungsansprüchen habe eine im Zeitpunkt der vorläufigen Besitzentziehung entstandene gefestigte Rechtsposition aber noch nicht vorgelegen, weil der Antragsteller noch nicht sämtliche Voraussetzungen zur Erlangung der Betriebsprämien erfüllt gehabt habe und es daher nicht lediglich einer bloßen Aktivierung von Zahlungsansprüchen bedurft hätte.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Antragsteller auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands ein Anspruch auf Entschädigung für die entgangenen Betriebsprämien nicht deshalb abgesprochen werden, weil er über keine Zahlungsansprüche verfügte, welche er ohne den vorläufigen Besitzentzug für die betroffenen Teilflächen hätte aktivieren können.

1. Dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch liegt § 88 Nr. 3 FlurbG zugrunde. Nach § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG kann im Flurbereinigungsverfahren auf Antrag der für das begünstigte Unternehmen zuständigen Behörde eine vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG erlassen werden. Der Träger des Unternehmens hat für die den Beteiligten infolge der vorläufigen Anordnung entstandenen Nachteile Entschädigung in Geld zu leisten (§ 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG ), wobei sich die Geldentschädigung gemäß § 88 Nr. 6 Satz 1 FlurbG nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz richtet, hier also nach § 21 Abs. 5 und § 22a Allgemeines Eisenbahngesetz ( AEG ) in Verbindung mit § 31 Abs. 4 Satz 1 des Enteignungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (EnteigG LSA).

2. Bei der Prüfung, welche entschädigungsfähigen Nachteile aus der entzogenen Möglichkeit zur Nutzung eines Grundstücks (in Abgrenzung zu dem in § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG nicht geregelten Substanzverlust, s. Senatsurteil vom 17. November 1983 - III ZR 127/82, BGHZ 89, 69 , 75 f sowie Wingerter/Mayr, FlurbG , 10. Aufl., § 88 Rn. 16) resultieren, ist zunächst die tatsächliche Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt der Inanspruchnahme zu berücksichtigen und zu fragen, welchen Erlös diese Nutzung dem Betroffenen nachhaltig gebracht haben würde. Sodann sind alle weiteren wirtschaftlich vernünftigen und rechtlich zulässigen Nutzungsmöglichkeiten, von denen der Betroffene ernstlich hätte Gebrauch machen können, in Betracht zu ziehen (Senatsurteil vom 24. November 1975 - III ZR 113/73, WM 1976, 277 , 278, s. auch Quadflieg/Ronellenfitsch, Flurbereinigungsgesetz , § 88 Rn. 38, Stand: April 1989).

Da die Geldentschädigung nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG als Enteignungsentschädigung ausgestaltet worden ist (Senatsurteile vom 17. November 1983 aaO S. 73 und vom 13. Dezember 2007 - III ZR 116/07, BGHZ 175, 35 Rn. 17, 23 sowie Wingerter/Mayr aaO Rn. 15), ist ein geltend gemachter Nutzungsausfall allerdings - worauf das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht hinweist - nur dann erstattungsfähig, wenn durch die hoheitliche Maßnahme in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen wurde.

a) Nach ständiger Rechtsprechung unterfällt dem Eigentumsschutz nicht nur das (landwirtschaftlich genutzte) Grundstück selbst, sondern auch der landwirtschaftliche Betrieb als eine Organisation persönlicher und sachlicher Mittel (s. nur Senatsurteile vom 30. September 1976 - III ZR 149/75, BGHZ 67, 190 , 191 ff und vom 13. Dezember 2007 aaO Rn. 24 mwN). Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb ist dann in entschädigungsrechtlich relevanter Weise betroffen, wenn in den Betrieb als wirtschaftlichen Organismus eingegriffen und damit das ungestörte Funktionieren dieses Organismus unterbunden oder beeinträchtigt wird, der Betriebsinhaber also daran gehindert wird, von dem Gewerbebetrieb den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen (Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - III ZR 74/88, BGHZ 111, 349 , 355 ff).

b) Indem dem Antragsteller eine Teilfläche der von ihm landwirtschaftlich genutzten Grundstücke aus der Bewirtschaftung entzogen wurde, wurde (auch) in sein grundrechtlich geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Als Folge dieses Eingriffs war er für den Zeitraum des Besitzentzugs nicht nur daran gehindert, Erntegewinne aus der Bewirtschaftung der betroffenen Flächen zu erzielen, wofür eine Entschädigung zwischen den Beteiligten außer Streit steht; ihm entging insoweit auch die Möglichkeit, eine Betriebsprämie durch die Aktivierung von Zahlungsansprüchen zu erhalten. Hierfür ist er - nach Maßgabe der folgenden Ausführungen - zu entschädigen, da insoweit in eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen wurde.

aa) Seit der im Jahr 2005 in Kraft getretenen Umstellung des EU-Agrarbeihilfenrechts (sogenannte GAP-Reform) erhalten Betriebe Förderleistungen nach Maßgabe der im nationalen Recht geregelten Voraussetzungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes. Diese Zahlungsansprüche sind dem Betriebsinhaber zugewiesene Beihilfen zur Verbesserung von dessen Einkommensverhältnissen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2010 - V ZR 170/08, NJW-RR 2010, 885 Rn. 9). Sie stellen eine "Gegenleistung" für ein im öffentlichen Interesse liegendes Verhalten dar und werden nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 73/2009 dafür gewährt, dass der Betriebsinhaber Grundanforderungen für die Erzeugung einhält (Art. 5 VO Nr. 73/2009 in Verbindung mit deren Anhang II) und Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhält (Art. 6 VO Nr. 73/2009 in Verbindung mit deren Anhang III; BGH, Urteil vom 24. November 2006 - LwZR 1/06, NJW-RR 2007, 1279 Rn. 18 zu der Vorgänger-VO Nr. 1782/2003).

Die Erstzuweisung der Zahlungsansprüche erfolgt flächenbezogen (Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 73/2009 i.V.m. Art. 43 VO Nr. 1782/2003). Sie sind aber von der konkreten landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks entkoppelt, weshalb der Betriebsinhaber auch ohne eine Fläche über sie verfügen kann (Art. 43 Abs. 2 VO Nr. 73/2009). Die Aktivierung eines Zahlungsanspruchs zum Zweck des Erhalts einer Betriebsprämie ist allerdings nur dann möglich, wenn der Betriebsinhaber über eine entsprechende beihilfefähige Fläche zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügt (s. Art. 34 VO Nr. 73/2009).

Neben den Gewinnen aus der landwirtschaftlichen Nutzung der zur Verfügung stehenden Flächen stellen die im Wege der Aktivierung von Zahlungsansprüchen zu generierenden Betriebsprämien, welche der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine "angemessene Lebenshaltung sichern" sollen (siehe u.a. den 23. Erwägungsgrund der VO Nr. 73/2009), eine verlässliche Einkommensgrundlage dar, auf die die Landwirte oftmals existentiell angewiesen sind. Ungeachtet dessen, dass die Agrarbeihilfen in der Höhe schwanken und in der Vergangenheit wechselhaften agrarpolitischen Entscheidungen in der Europäischen Union unterworfen waren, bilden die Zahlungsansprüche einen erheblichen Wertbestandteil des Betriebs und finden folgerichtig auch im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Begutachtung desselben Berücksichtigung (BVerwGE 136, 332 Rn. 30; Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 4. Aufl., S. 220 ff, 289 ff; zur Beeinflussung des Wertes eines Betriebs durch das Vorhandensein von Zahlungsansprüchen vgl. auch BGH, Urteil vom 24. November 2006 aaO Rn. 32 sowie Busse, AuR 2007, 249 , 260).

bb) Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Möglichkeit, mithilfe der Aktivierung von Zahlungsansprüchen eine Betriebsprämie nach Art. 34 VO Nr. 73/2009 zu erhalten, als ein grundsätzlich nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG erstattungsfähiger geldwerter Vorteil anzusehen ist (ebenso OLG Thüringen, Urteil vom 19. März 2013 - Bl U 570/11, S. 7 ff [nicht veröffentlicht]; Blänker, Referat 1 anlässlich der 50. Arbeitstagung für Grunderwerbs- und Entschädigungsfragen beim Bau von Bundesfernstraßen vom 15. bis 17. Juni 2015, Niederschrift S. 3, 24 ff; Uherek/Köhne, AUR 2009, 149, 150 f; gegen eine eigentumsentschädigungsrechtliche Relevanz von Zahlungsansprüchen allerdings generell Busse aaO S. 259 f; Grimm in Festschrift Holzer, 2007, S. 237, 243 ff sowie Pasternak in Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 6. Aufl., Rn. 833 ff). Sie stellt eine im Sinne der oben dargestellten Senatsrechtsprechung (Urteil vom 24. November 1975 - III ZR 113/73, WM 1976, 277 , 278) wirtschaftlich vernünftige und rechtlich zulässige Nutzungsmöglichkeit dar, von welcher der Antragsteller ernstlich hätte Gebrauch machen können. Da dem durch eine hoheitliche Maßnahme in einer verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition Betroffenen im Wege der Enteignungsentschädigung ein angemessener Ausgleich für das Genommene zu leisten ist (s. nur Senatsurteile vom 7. Januar 1982 - III ZR 114/80, BGHZ 83, 1 , 5 sowie vom 17. März 1994 - III ZR 27/93, NJW 1994, 3158 , 3160), ist der Inhaber eines landwirtschaftlichen Gewerbebetriebes grundsätzlich auch für den Verlust dieses wesentlichen Nutzungsvorteils zu entschädigen.

cc) Entgegen der von der Flurbereinigungsbehörde (Beteiligte zu 2) in der Revisionsinstanz demgegenüber vertretenen Ansicht unterfällt die dem Antragsteller entgangene Subvention dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG .

Zwar ist es im Ausgangspunkt richtig, dass sich aus Art. 14 Abs. 1 GG eine unverrückbare, verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition des Betriebsinhabers auf Beibehaltung einer Beihilfe nicht ergibt. Das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bietet nämlich grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass bestehende rechtliche (oder tatsächliche) Rahmenbedingungen unverändert fortbestehen (zB Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 179; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. November 2006 - LwZR 1/06, NJW-RR 2007, 1279 Rn. 34). Das Bundesverfassungsgericht zieht einen Eigentumsschutz subjektiv-öffentlicher Rechte nur dann in Betracht, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde, sie also insbesondere ein Äquivalent eigener Leistung darstellen und nicht überwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen (s. etwa BVerfGE 72, 176 , 193 und BVerfG NVwZ 2002, 197 , jew. m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04, BGHZ 161, 305 , 312 f und vom 7. Juli 2016 - III ZR 28/15, BGHZ 211, 88 Rn. 47). Auch dann, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, durch den ein Betriebsinhaber zu bestimmten Investitionen veranlasst worden ist, kann ein Eigentumsschutz gerechtfertigt sein (Senatsurteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 127/64, BGHZ 45, 83 , 87 f).

Soweit es dementsprechend ständige Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ist, dass öffentlich-rechtliche Beihilfen (mit den oben genannten Einschränkungen) grundsätzlich nicht unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen (zB BVerfGE 1, 264 , 278; 2, 380, 402; 11, 221, 226; 14, 288, 295; 16, 94, 113; 18, 392; 22, 241, 253; 36, 281, 290; 42, 263, 292 ff; 45, 142, 170; 48, 403, 413; 53, 257, 291 f; 72, 175, 195; 97, 67, 83; 97, 271 ff; 128, 90, 101; NVwZ 2002, 197 , 198), betrifft diese nur die Abschaffung oder Reduzierung von Subventionen durch eine Änderung von Gesetzen oder Satzungen, nicht aber den hier in Rede stehenden Verlust eines Beihilfeanspruchs bei unveränderter Rechtslage durch einen Einzelzugriff. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2 folgt nichts anderes aus dem Urteil des Senats für Landwirtschaftssachen des Bundesgerichtshofs vom 24. November 2006 (aaO), in dem darüber zu entscheiden war, ob die einem Pächter zustehenden Zahlungsansprüche nach dem Pachtende auf den Verpächter zu übertragen sind (§ 596 Abs. 1 BGB , Art. 43 VO Nr. 73/2009, Art. 46 VO Nr. 1782/2003). Soweit in dieser Entscheidung ausgeführt wird, ein Anrecht auf den Bezug von Subventionen aus öffentlichen Haushalten sei weder Bestandteil der Berufsfreiheit noch der Eigentumsgarantie (aaO Rn. 34), ergibt sich aus der Bezugnahme auf die in NVwZ 2002, 197 veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass mit dieser Aussage lediglich der fehlende grundrechtliche Schutz von Subventionen gegenüber Änderungen der Rechtslage durch den Gesetz- oder Satzungsgeber gemeint ist.

Der Antragsteller verlangt vorliegend nicht die Beibehaltung der zum Zeitpunkt des Zugriffs auf sein Grundeigentum und seinen Betrieb bestehenden Beihilferegelungen. Er verlangt vielmehr nur einen Ausgleich dafür, dass es ihm - bei Fortbestand der gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen - aufgrund des Besitzentzugs für einen bestimmten Zeitraum nicht möglich war, für die betroffenen Teilflächen Zahlungsansprüche zu aktivieren. Dies stellt sich für ihn als ein ausschließlich aus der Inanspruchnahme seines Grundstücks und damit (auch) seines Betriebs resultierendes Sonderopfer dar, für welches er nach den oben dargestellten Maßstäben grundsätzlich zu entschädigen ist. Solange das Gesetz einem Einzelnen einen Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Subvention gewährt, stellt es einen entschädigungspflichtigen Eingriff in eine nach Art. 14 Abs. 1 GG grundgesetzlich geschützte Rechtsposition dar, wenn dieser Anspruch infolge des enteignenden Zugriffs auf ein Grundstück oder einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Fortfall gerät. Es handelt sich, solange nach der Rechtslage die Subvention zu gewähren ist, für den Anspruchsberechtigten um eine rechtlich gesicherte privatnützige, vermögenswerte Position, die ihm durch einen hoheitlichen, ein Sonderopfer begründenden Einzelzugriff nicht entschädigungslos entzogen werden darf.

Die vorstehende Bewertung entspricht im Übrigen der Handhabung der Beteiligten zu 2, welche - soweit ersichtlich in Übereinstimmung mit der sonstigen enteignungsentschädigungsrechtlichen Praxis (s. dazu Uherek/Köhne aaO S. 151 sowie Wilbat, Referat 7 anlässlich der 44. Arbeitstagung für Grunderwerbs- und Entschädigungsfragen beim Bau von Bundesfernstraßen vom 4. bis 6. Juni 2007, Niederschrift S. 41, 44 ff) - über die Erstattung einer Aufwuchs- und Nutzungsentschädigung hinaus auch eine Entschädigung für diejenigen Vorteile als geboten erachtet, die dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes dadurch entgehen, dass er ihm zum Zeitpunkt des hoheitlichen Zugriffs zur Verfügung stehende Zahlungsansprüche nicht mehr aktivieren kann.

dd) Dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch steht - anders als das Berufungsgericht meint - auch nicht entgegen, dass der Antragsteller sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche für die von ihm bewirtschafteten Flächen hat aktivieren können und ihm während des Besitzentzugs für die von diesem betroffenen Grundstücke weitere Zahlungsansprüche nicht zur Verfügung standen.

Zwar ist Voraussetzung jeder normativen Betrachtung für die Entschädigung, dass eine konkrete subjektive Rechtsposition entzogen worden ist (st. Rspr., s. nur Senatsurteile vom 2. Oktober 2003 - III ZR 114/02, BGHZ 156, 257 , 259 f sowie vom 11. Oktober 2007 - III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 11). Hinsichtlich der in dem entzogenen Gegenstand liegenden Wertumstände, der wertbildenden Eigenschaften und der tatsächlichen Verhältnisse ist auf die Zeit des Eingriffs abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1965 - III ZR 34/64, NJW 1966, 497 , 498).

Insoweit unterscheidet sich die Enteignungsentschädigung vom Schadensersatzanspruch. Während bei diesem die Fragestellung dahin geht, wie sich die Vermögenslage des Geschädigten ohne das schädigende Ereignis künftig entwickelt hätte, ersetzt die Enteignungsentschädigung nur den wirtschaftlichen Wert, den das entzogene Grundstück oder der in Anspruch genommene Gewerbebetrieb tatsächlich in dem Augenblick hatten, in dem sie von der hoheitlichen Maßnahme betroffen wurden. Rechtlich nicht gesicherte Chancen, Aussichten oder wirtschaftliche Interessen können dabei keine Berücksichtigung finden (st. Rspr., s. nur Senatsurteile vom 29. November 1965 aaO S. 497; vom 18. September 1986 - III ZR 83/85, BGHZ 98, 341 , 351 f sowie vom 14. April 2011 - III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 35 m.w.N.). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Verwirklichung von Gewinnchancen so sicher unmittelbar bevorstand, dass sie sich bereits als wertbildende Faktoren auswirkten. In diesem Fall handelt es sich nicht um die Entschädigung eines hypothetischen Vorteils, sondern eines dem Grundstück oder dem Betrieb bereits anhaftenden Mehrwerts (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1965 aaO S. 497 f und vom 11. Oktober 2007 aaO). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn infolge des Zugriffs naheliegende Nutzungsmöglichkeiten entfallen, deren Verwirklichung sich in greifbarer Nähe befindet (Senatsurteile vom 25. September 1958 - III ZR 82/57, BGHZ 28, 160 , 163 und vom 9. November 2000 - III ZR 18/00, WM 2001, 155 , 157).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt sich die Möglichkeit, Zahlungsansprüche mit dem Ziel der Erlangung einer Betriebsprämie zu aktivieren, nach diesen Maßstäben auch in der gegebenen Situation nicht lediglich als eine rechtlich nicht gesicherte Chance dar. Der Antragsteller hatte zum Zeitpunkt des Besitzentzugs einen klagbaren Anspruch auf Betriebsprämien für die von ihm bewirtschafteten Flächen, sofern er die gesetzlich normierten tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllte. Dieser Anspruch konnte ihm nicht mehr einseitig genommen werden. Das Anrecht auf Auszahlung dieser Beihilfe ist daher als ein im Betrieb bereits wirkender, rechtlich geschützter Wert anzusehen, welcher bereits so weit verfestigt war, dass er im Rahmen der Entschädigung für den Nutzungsausfall zu berücksichtigen ist.

Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des hoheitlichen Zugriffs über keine (freien) Zahlungsansprüche verfügte, die er für die betroffenen Flächen hätte aktivieren können. Die Beschaffung der hierfür notwendigen Zahlungsansprüche und damit die Erlangung von Betriebsprämien wären ohne die Besitzentziehung an den betroffenen Grundstücken naheliegende und in greifbarer Nähe befindliche Nutzungsmöglichkeiten gewesen - vorausgesetzt der Antragsteller hätte die notwendigen Zahlungsansprüche zu wirtschaftlich vernünftigen Konditionen erwerben können (siehe dazu ee). Die Inanspruchnahme von Agrarsubventionen ist ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung landwirtschaftlicher Betriebe. Vielfach ist sie sogar zur Existenzsicherung notwendig (siehe oben aa). Es ist für den Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs daher geradezu zwingend geboten, die für diesen zu erlangenden Beihilfen zu beantragen und gegebenenfalls die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Nach dem nicht nur regelmäßigen, sondern hiernach sogar äußerst naheliegenden Verlauf der Dinge erwirbt ein Landwirt daher für förderfähige Flächen Zahlungsansprüche, wenn ihm solche zur Erlangung der Betriebsprämie noch fehlen, so dass die Subventionsgewährung in greifbarer Nähe ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies im Falle des Antragstellers anders gewesen wäre.

Es kann dem Anspruch des Antragstellers auf Entschädigung für die entgangenen Beihilfen auch nicht entgegen gehalten werden, dass er in Kenntnis des Besitzentzugs von dem Erwerb von Zahlungsansprüchen für die betroffenen Flächen absah. Ein solcher Zukauf hätte nicht mehr seine eigentliche Aufgabe erfüllt, Fördergelder zu erlangen, sondern hätte (unter Zugrundelegung der Auffassung der Beteiligten zu 2 bis 4) nur dazu dienen können, die Voraussetzungen einer Entschädigung für entgangene Subventionen sicherzustellen. Dies aber wäre nicht nur zweckwidrig, sondern widerspräche auch der in entsprechender Anwendung von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB im Enteignungsentschädigungsrecht bestehenden Obliegenheit des Anspruchsinhabers (siehe hierzu Senatsurteil vom 29. März 1971 - III ZR 98/69, BGHZ 56, 57 , 64 ff; vgl. zur Aufopferungsentschädigung Senatsurteil vom 6. Juni 1966 - III ZR 167/64, BGHZ 45, 290 , 294 ff), die zu entschädigende Einbuße gering zu halten. Ebenso wie es die Schadensminderungsobliegenheit eines Betriebsinhabers gebieten würde, vorhandene, in Folge eines Flächenentzugs frei gewordene Zahlungsansprüche entweder in Bezug auf sonstige (eigene) Teilflächen zu nutzen oder - soweit nach den Gegebenheiten des konkreten Marktes möglich - zu veräußern, würde ein Landwirt gegen seine analog § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bestehende Obliegenheit verstoßen, wenn er zusätzliche Zahlungsansprüche erwürbe, falls solche für die in Anspruch genommenen Flächen fehlen. Denn hierdurch würde seine zu entschädigende Einbuße um den Erwerbsaufwand (ggf. vermindert um den Erlös einer Weiterveräußerung, siehe dazu jedoch Köhne aaO S. 293 und Uherek/Köhne aaO S. 151; dagegen Pasternak aaO Rn. 840) vergrößert. Dem betroffenen Landwirt dies anzusinnen, widerspräche im Übrigen auch dem wohlverstandenen Interesse des Entschädigungspflichtigen.

ee) Eine Enteignungsentschädigung nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG kann dem Antragsteller allerdings nur dann gewährt werden, wenn es ihm - wäre der Besitzentzug unterblieben - im relevanten Zeitraum tatsächlich möglich gewesen wäre, Zahlungsansprüche in ausreichender Anzahl und zu wirtschaftlich vernünftigen Konditionen zu erwerben, da der Verlust der Betriebsprämie anderenfalls nicht allein auf der hoheitlichen Inanspruchnahme der betroffenen Flächen beruhte.

Der Antragsteller hat behauptet, ein Erwerb weiterer Zahlungsansprüche wäre über die ZI-Datenbank möglich gewesen, da ein Angebot von Zahlungsansprüchen durch verkaufswillige Landwirte bestanden habe, wobei die Anschaffungskosten auf das Wirtschaftsjahr heruntergerechnet 60 € betragen hätten. Die Beteiligte zu 2 hat bestritten, dass ein Zuerwerb von Zahlungsansprüchen für das Bewirtschaftungsjahr möglich gewesen wäre. Die Vorinstanzen haben, von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, zu diesem Punkt keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsgericht hat lediglich unterstellt, dass der Antragsteller nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge Zahlungsansprüche für die erworbenen Flächen erworben und aktiviert hätte.

ff) Die Sache ist daher nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO ). In der neuen Tatsacheninstanz wird das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

Für den Fall, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Antragstellers bestätigt findet, es sei im maßgeblichen Zeitraum möglich gewesen, Zahlungsansprüche für die seinem Besitz entzogenen Flächen zuzukaufen, weist der Senat darauf hin, dass bei der dann erforderlich werdenden Bemessung der Höhe der Entschädigung für die entgangenen Betriebsprämien die Anschaffungskosten mindernd zu berücksichtigen sein werden, welche sich der Antragsteller erspart hat, indem er von einem solchen Erwerb abgesehen hat. Insofern lässt sich der Antragsteller bereits 60 € pro Zahlungsanspruch anrechnen. Hierzu werden gegebenenfalls desgleichen Feststellungen nachzuholen sein.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 31. Januar 2019

Vorinstanz: LG Halle, vom 11.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 197/15
Vorinstanz: OLG Naumburg, vom 18.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 112/16
Fundstellen
BGHZ 221, 74
DVBl 2019, 703
NJW 2019, 1682