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BGH - Entscheidung vom 02.04.2019

AnwZ (Brfg) 83/18

Normen:
BRAO § 46 Abs. 3
BRAO § 112e S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 und Nr. 5

BGH, Beschluss vom 02.04.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 83/18

DRsp Nr. 2019/6552

Anspruch auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für eine Tätigkeit bei einer Rechtsschutz-Versicherungs AG; Prüfung des Vorliegens einer anwaltlichen Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO

Macht die anwaltliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht den eindeutigen Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus, so ist dieser auf Antrag als Syndikusanwalt einer Rechtsschutzversicherung zuzulassen. Ein dienstvertraglich geregeltes Versetzungsrecht steht der Annahme einer fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Anwalts nicht entgegen.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 29. Oktober 2018 zugestellte Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 46 Abs. 3 ; BRAO § 112e S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 und Nr. 5 ;

Gründe

I.

Der Kläger wurde am 16. Dezember 1997 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben vom 21. März 2016 beantragte er bei der Beklagten die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der A. Rechtsschutz-Versicherungs AG. Dem Antrag war unter anderem eine Tätigkeitsbeschreibung vom 21./22. März 2016 beigefügt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 reichte der Kläger eine weitere Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 ein.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19. Januar 2018 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof diesen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu erteilen. Die Beklagte beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag der Beklagten ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 , 3 , 5 VwGO ) liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 - AnwZ (Brfg) 32/15, juris Rn. 4 mwN).

a) Die von der Beklagten beanstandeten inhaltlichen Unklarheiten und Widersprüche des angefochtenen Urteils sind nicht gegeben oder nicht entscheidungserheblich.

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht widersprüchlich, dass der Anwaltsgerichtshof die in Ziffer IV 1 der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 dargestellten Führungsaufgaben als Erteilung von Rechtsrat, nicht aber als anwaltliche Tätigkeit gewertet hat. Betroffen ist die Prüfung der arbeitsrechtlichen Rechtslage bei einzelnen Mitarbeitern und die Unterbreitung von Vorschlägen gegenüber den Vorgesetzten des Klägers zu gegebenenfalls veranlassten arbeitsrechtlichen Maßnahmen. Dabei handelt es sich zweifelsohne um die Erteilung von Rechtsrat. Der Anwaltsgerichtshof hat diese Tätigkeit nur deshalb - im Rahmen einer quantitativen Beurteilung - nicht als anwaltliche Tätigkeit gewertet, weil sie nach der Darstellung des Klägers nur sehr selten ausgeübt wird. Damit hat er nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich - bei qualitativer Beurteilung - nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelt. Eine solche ist vielmehr - wenn auch nur in geringem Umfang - gegeben.

bb) Es ist auch nicht widersprüchlich, dass der Anwaltsgerichtshof die Aus- und Fortbildung der Gruppenmitglieder (Ziff. IV 2 der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017) als nicht anwaltlich einstuft und andererseits bei den "vorübergehenden Sonderaufgaben" die Durchführung von rechtlichen Schulungen für sonstige Personen (Ziff. III 1 Buchst. g) nicht in Abzug bringt. Denn die zuletzt genannten Schulungen, die auch einzelne Personen betreffen können, müssen - insoweit anders als Gruppenschulungen - nicht Lehrtätigkeiten ohne konkreten Fallbezug sein. Zudem handelt es sich nur um einen von zahlreichen unter Ziffer III 1 der Beschreibung vom 14. Februar 2017 aufgeführten Tätigkeitsbereichen. Selbst wenn man ihn in Abzug brächte, ergäbe sich kein wesentlich geringerer Anteil der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers an seiner Gesamttätigkeit. Der von der Beklagten gerügte Widerspruch wäre mithin, läge er vor, nicht entscheidungserheblich und begründete deshalb nicht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO .

cc) Entgegen der Darstellung der Beklagten werden in Ziffer III 1 Buchst. c und f der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 auch nicht Tätigkeiten aufgelistet, die bereits in Ziffer II der Beschreibung erfasst werden. Die Unterschiede der beiden Bereiche lassen sich unschwer der Tätigkeitsbeschreibung entnehmen. In Ziffer II werden "Erweiterte Fachaufgaben" in Gestalt eines eigenen Referats von "Vorlagen im Rahmen des Vier-Augen-Prinzips auf Rechtsfehler" beschrieben. Dort geht es mithin um die Überprüfung der Sachbearbeitung von Mitarbeitern. In Ziffer III 1 werden dagegen "Vorübergehende Sonderaufgaben" außerhalb eines eigenen Referats beschrieben, die in Buchstabe c und f einen anderen Inhalt haben als die in Ziffer II beschriebenen Tätigkeiten.

Warum die Auslegung und Prüfung der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen "etc." in Ziffer III 1 Buchst. d und Ziffer III 2 Buchst. d der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 doppelt auftauchen soll, erschließt sich dem Senat nicht. In Ziffer III 1 Buchst. d handelt es sich um die Auslegung von bestehenden Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen im Rahmen der Beratung des Vertriebsinnendienstes sowie des Vertrags-Service. Dagegen ist Gegenstand der Tätigkeit im Sinne von Ziffer III 2 Buchst. d die turnusmäßige Ausarbeitung und Prüfung von neu aufgelegten Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen. Das sind zwei unterschiedliche Tätigkeiten.

Der Umstand, dass die unter Ziffer III 2 Buchst. d genannten Tätigkeiten (Ausarbeitung und/oder Prüfung von Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen, Sonderbedingungen und Klauseln) nur in größeren zeitlichen Abständen erfolgen, hindert nicht ihre Berücksichtigung als anwaltliche Tätigkeit. Dabei ist zu bedenken, dass, wenn diese Tätigkeiten anfallen, ein erheblicher Arbeitsaufwand entstehen dürfte, dem im Rahmen einer Durchschnittsberechnung ihres Arbeitsanteils Rechnung getragen werden kann.

dd) Ob es sich bei allen in Ziffer III 2 Buchst. a der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 genannten Aufgaben um anwaltliche Tätigkeiten i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO handelt, kann dahinstehen. Verneinendenfalls würde sich dies nicht auf das Ergebnis der vom Anwaltsgerichtshof vorgenommenen Gewichtung auswirken. Dieser hat die unter Ziffer III 2 beschriebenen "fest zugewiesenen Sonderaufgaben" mit insgesamt lediglich 5 % der Arbeitszeit als anwaltliche Tätigkeit gewertet. Ein Anteil in dieser Größenordnung wird nach Auffassung des Senats bereits durch den in Ziffer III 2 Buchst. d genannten und im Einzelnen beschriebenen Aufgabenbereich der Ausarbeitung und Prüfung von Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen, Sonderbedingungen und Klauseln erreicht. Selbst ein - sehr geringfügiger - Abzug würde hinsichtlich der Prägung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch seine anwaltliche Tätigkeit zu keinem abweichenden Ergebnis führen.

ee) Eine Grundlage für die von der Beklagten in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung vorgenommenen, die anwaltliche Tätigkeit des Klägers betreffenden erheblichen Abzüge ergibt sich nach alledem nicht.

b) Entgegen der Beklagten hat der Anwaltsgerichtshof ausdrücklich auch festgestellt, dass die anwaltliche Tätigkeit des Klägers nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht den eindeutigen Schwerpunkt seiner Tätigkeit ausmacht (Seite 10 der Entscheidungsgründe; vgl. zu diesem Erfordernis Senat, Urteile vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18, juris Rn. 26 und vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, juris Rn. 62, 79; Beschluss vom 22. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 42/18, juris Rn. 5; jew. mwN). Dabei ist zu beachten, dass die anwaltliche Tätigkeit grundsätzlich keine geringwertige Tätigkeit darstellt, sondern eher im Gegenteil eine hochwertige. Ist das Arbeitsverhältnis bereits quantitativ von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt, kann für die qualitative Prägung regelmäßig nichts anderes gelten (Senat, Urteil vom 14. Januar 2019 aaO Rn. 32).

Die Beklagte setzt insoweit lediglich ihre eigene Bewertung an die Stelle derjenigen des angefochtenen Urteils, ohne diesbezüglich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs aufzuzeigen. Ihr Verständnis von der Tätigkeit des Klägers innerhalb einer Rechtsschutzversicherung findet keine Grundlage in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017. Insbesondere ergibt sich daraus keine "allenfalls oberflächliche (Rechts-) Prüfung". Maßgeblich ist auch nicht eine etwaige rechtliche Beratung von Rechtsuchenden durch die Rechtsschutzversicherung, sondern die Erteilung von Rechtsrat durch den Kläger gegenüber der Rechtsschutzversicherung als seiner Arbeitgeberin (§ 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO ).

c) Der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 mangelt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht an der erforderlichen Konsistenz.

Der in diesem Zusammenhang von der Beklagten angestellte Vergleich mit der "Tätigkeitsbeschreibung vom 11. März 2016" ist nicht nachvollziehbar. Eine solche Tätigkeitsbeschreibung gibt es nicht. Sollte die vom Kläger und Vertretern seiner Arbeitgeberin unterschriebene "Tätigkeitsbeschreibung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt" vom 21./22. März 2016 gemeint sein, ist der von der Beklagten angestellte Vergleich bereits im Ansatz verfehlt. Denn die Tätigkeitsbeschreibung vom 21./22. März 2016 weist eine gänzlich andere, an den Kriterien des § 46 Abs. 3 BRAO orientierte Struktur auf als die Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017. Das hat zur Folge, dass die einzelnen Aufgabenbereiche des Klägers in der früheren Beschreibung mehrfach, in der späteren hingegen nur einmal aufgeführt werden und dementsprechend in dem von der Beklagten - strukturwidrig - angestellten Einzelvergleich nicht mit deckungsgleichen Inhalten. Die ebenfalls in der Personalakte der Beklagten befindliche "Stellenbeschreibung" mit der Angabe "Stand: 11.03.2016" kann zur Begründung einer vermeintlichen Inkonsistenz der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 ebenfalls nicht herangezogen werden. Ihr kommt schon deshalb weder Verbindlichkeit noch Aussagekraft zu, weil sie nicht unterzeichnet ist. In dem bisherigen Verfahren hat sich keine der Parteien auf sie berufen. Die Beklagte hat sie auch in ihrem Bescheid vom 19. Januar 2018 nicht herangezogen.

Es ist auch nicht inkonsistent, wenn eine Tätigkeit, die der Kläger mit 5 % seiner Aufgaben bewertet (Ziffer I: "Eigenes Referat: Prüfung des Bestehens und des Umfangs der Leistungspflicht"), in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 breiten Raum einnimmt. Die Länge der Aufgabenbeschreibung lässt nicht auf den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Zeitaufwand schließen. Weshalb die unter Ziffer I aufgelisteten Zuständigkeiten nicht zur dortigen Überschrift passen sollen, wird von der Beklagten nicht erläutert und ist auch sonst nicht ersichtlich.

d) An der Richtigkeit der Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs zu dem Kriterium der Erteilung von Rechtsrat (§ 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO ) bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel, die die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen.

Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass die im angefochtenen Urteil vorgenommene Bewertung der Mitteilung seiner abweichenden Entscheidungen und Prüfungsergebnisse durch den Kläger an nachgeordnete Mitarbeiter (Ziff. II 1 Buchst. c und II 2 Buchst. b der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017) als Erteilung von Rechtsrat nicht frei von Bedenken ist. Diese Frage ist indes nicht entscheidungserheblich. Denn der Anwaltsgerichtshof führt zahlreiche weitere Tätigkeiten des Klägers auf, die er als Erteilung von Rechtsrat i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO bewertet. Insofern vermag die Beklagte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufzuzeigen.

Die Bearbeitung von Deckungsklagen (Ziff. II 2 Buchst. b der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017) wird von der Beklagten unzutreffend dargestellt. Die von ihr genannte Unterbreitung eines Entscheidungsvorschlags durch den Kläger gegenüber seinem Abteilungsleiter erfolgt nach der vorgenannten Tätigkeitsbeschreibung nicht im Falle von Deckungsklagen, sondern bei der Prüfung von Beschwerden. Hiervon räumlich abgesetzt wird die Bearbeitung von - von den vorgenannten Beschwerden zu unterscheidenden - Deckungsklagen beschrieben. Ein logischer Widerspruch ist nicht erkennbar.

e) Das in § 4 des Nachtrages vom 29. Februar/17. März 2016 zum Dienstvertrag vom 18. April/5. Mai 2000 bestimmte Versetzungsrecht steht der Annahme einer fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Klägers (vgl. § 46 Abs. 3 und 4 BRAO ) nicht entgegen. Es mag zwar sein, dass die Versetzung oder die Drohung mit ihr vom Arbeitgeber im Einzelfall als Mittel oder Versuch der Disziplinierung eines Angestellten eingesetzt werden können. Eine solche arbeitgeberseitige Wahrnehmung des Versetzungsrechts allein zur Disziplinierung einer in - arbeitsvertraglich gewährleisteter - fachlicher Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ausgeübten Tätigkeit wäre indes missbräuchlich und nicht rechtswirksam (zur Unwirksamkeit einer willkürlichen oder missbräuchlichen Versetzung vgl. BAG, NZA 2017, 1394 Rn. 30 mwN). Die Möglichkeit der - missbräuchlichen - Versetzung oder der Drohung mit ihr schließt die fachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit im Sinne von § 46 Abs. 3 und 4 BRAO daher ebenso wenig aus wie die den meisten Beschäftigungsverhältnissen immanente Möglichkeit einer (Beendigungs- oder Änderungs-)Kündigung des Arbeitsverhältnisses und deren missbräuchliche Ausübung durch den Arbeitgeber oder wie die Nichtübernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Diese "Sanktionsmöglichkeiten" oder die Drohung mit ihnen sind im Übrigen gleichermaßen bei einem in einer Rechtsanwaltskanzlei (unter Umständen befristet) angestellten Rechtsanwalt denkbar. Selbst gegenüber dem in eigener Kanzlei tätigen Rechtsanwalt besteht die Möglichkeit eines Versuchs der Einflussnahme auf seine anwaltliche Tätigkeit seitens eines - gegebenenfalls wichtigen - Mandanten im Wege der Drohung mit einer Beendigung des Mandats. Zweifel an der fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsanwalts werden hierdurch nicht begründet.

2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) hat die Beklagte nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515 , 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709 ).

a) Die Beklagte misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei, ob es im Rahmen der erforderlichen anwaltlichen Prägung des Arbeitsverhältnisses - neben der quantitativen - auch auf die qualitative Gewichtung ankommt und ob bei ersterer eine "50 % - Grenze" maßgeblich ist oder der Anteil der anwaltlichen Tätigkeit deutlich oberhalb eines nur hälftigen Anteils liegen muss.

Die Frage nach dem Erfordernis einer qualitativen Gewichtung ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. vorstehend zu 1 b), eindeutig zu bejahen.

Die von der Beklagten formulierte Frage zur Höhe des Anteils der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat bisher die umstrittene Frage (Nachweise siehe Urteil vom 15. Oktober 2018 aaO Rn. 81) offengelassen, ob es für die Annahme einer Prägung im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO ausreicht, wenn der Arbeitnehmer die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten zu mehr als 50 % seiner für den Arbeitgeber insgesamt geleisteten Arbeitszeit ausübt, das heißt die anwaltliche Tätigkeit die nicht-anwaltliche Tätigkeit - wenn auch nur minimal - übersteigt (vgl. zuletzt Urteil vom 14. Januar 2019 aaO Rn. 26). Dies bedarf auch jetzt keiner Entscheidung. Denn vorliegend erreicht die anwaltliche Tätigkeit des Klägers nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs, an deren Richtigkeit nach den vorstehenden Ausführungen keine entscheidungserheblichen ernstlichen Zweifel bestehen, ein Maß, das in quantitativer Hinsicht deutlich überwiegt und einen eindeutigen anwaltlichen Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers begründet. Der Senat ist aufgrund dieser Feststellungen und des Inhalts der detaillierten Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 überzeugt, dass die anwaltlichen Tätigkeiten des Klägers - auch bei etwaigen (sehr) geringfügigen Abzügen (vgl. vorstehend zu 1 a bb, dd) - die von der Beklagten geforderte Grenze von 60 bis 65 % jedenfalls nicht unterschreiten.

b) Auch die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Anleitung beziehungsweise Anweisung nachgeordneter Mitarbeiter als Beratung des Arbeitgebers eingestuft werden kann, ist nicht entscheidungserheblich (siehe vorstehend zu 1 d).

c) Die Frage, wie sich Versetzungsklauseln - insbesondere solche, die zu einem Verlust der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt führen können (vgl. § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO ) - auf die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit (§ 46 Abs. 3 BRAO ) auswirken können, ist, soweit sie entscheidungserheblich ist, nicht klärungsbedürftig. Denn jedenfalls das vorliegend vereinbarte Versetzungsrecht der Arbeitgeberin des Klägers steht - wie ausgeführt (vorstehend zu 1 e) - der fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Klägers nicht entgegen.

3. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Er hat seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht dadurch verletzt, dass er den in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2018 gestellten Beweisanträgen der Beklagten nicht gefolgt ist.

a) Die von der Beklagten zum Beweis gestellte Frage, ob alle oder einige der vom Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten den in § 46 Abs. 3 BRAO genannten Merkmalen entsprechen, ist eine nicht dem Beweis zugängliche Rechtsfrage.

b) Dies gilt auch für die weitere von der Beklagten zum Beweis gestellte Frage. Würden die von ihr benannten Zeugen dazu befragt, welchen Anteil diejenigen Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit des Klägers haben, die den in § 46 Abs. 3 BRAO genannten Merkmalen entsprechen, würde von den Zeugen - in einem ersten Schritt - eine rechtliche Zuordnung der Tätigkeiten des Klägers zu den in § 46 Abs. 3 BRAO genannten Merkmalen anwaltlicher Tätigkeit und mithin die Beantwortung von Rechtsfragen verlangt.

Im Übrigen ist der Anwaltsgerichtshof hinsichtlich dieser Frage zu Recht von einer unzulässigen Ausforschung ausgegangen. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag liegt in Bezug auf eine Tatsachenbehauptung vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte, also erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben war (BVerwG, NVwZ 2017, 1388 Rn. 7 mwN; Dawin in Schoch/Schneider/Bier, VwGO , § 86 Rn. 94 mwN [September 2018]). Dies ist vorliegend der Fall. Dafür, dass die Tätigkeiten des Klägers, die den in § 46 Abs. 3 BRAO genannten Merkmalen entsprechen, einen geringeren Anteil an der Gesamtarbeitszeit des Klägers haben, als sich aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 und den darauf beruhenden Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs ergibt, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten erneut angeführten Widersprüche, Logikbrüche und Redundanzen in der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 bestehen nicht (siehe vorstehend zu 1 a cc und c). Es ergeben sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die vom Kläger vorgelegten Antragsunterlagen und die Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 keinen hinreichenden Aufschluss über Inhalt sowie Quantifizierung und Qualität seiner Tätigkeit liefern. In der Tätigkeitsbeschreibung sind insbesondere - wie ausgeführt (siehe vorstehend zu 1 a cc) - keine relevanten Mehrfach-Nennungen enthalten.

c) Soweit die Beklagte schließlich die Äußerung eines Sachbearbeiters der Abteilung Rechts-Service der A. Rechtsschutz-Versicherung AG zitiert, er lege Angelegenheiten ab einem Streitwert von 50.000 € dem Gruppenleiter zur Mitzeichnung vor, eine inhaltliche Sachbearbeitung durch die Vorgesetzten sei damit nicht verbunden, geht der Senat davon aus, dass der Gruppenleiter nicht - dem Sinn der Mitzeichnung widersprechend - die Vorlage pflichtwidrig "blind", das heißt ungeprüft zeichnet. Die prüfende Mitzeichnung entspricht indes den in Ziffer II 1 der Tätigkeitsbeschreibung vom 14. Februar 2017 aufgeführten erweiterten Fachaufgaben des Klägers.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Bayern, vom 29.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH III - 4 - 2/18