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BGH - Entscheidung vom 29.01.2019

AnwZ (Brfg) 16/18

Normen:
BRAO § 46 Abs. 3
BRAO § 46a Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
AnwBl 2019, 295

BGH, Beschluss vom 29.01.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 16/18

DRsp Nr. 2019/3041

Anspruch auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Abteilung Kraftfahrtschaden; Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 46 Abs. 3 BRAO

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Die anwaltliche Tätigkeit muss den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellen.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2017 wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 46 Abs. 3 ; BRAO § 46a Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Die 1985 geborene Beigeladene ist seit Ende des Jahres 2015 bei dem D. -Versicherungsverein a.G. Betriebliche Sozialeinrichtung der De. (D. ; im Folgenden auch: Arbeitgeber) beschäftigt. Sie ist gemäß dem Arbeitsvertrag vom 24. November 2015 für ihren Arbeitgeber in dessen Zentrale als Sachbearbeiterin in der Abteilung Kraftfahrtschaden tätig und in die Tarifgruppe V/10 Berufsjahre eingestuft. Nach der - von dem Arbeitgeber als richtig bestätigten - Tätigkeitsbeschreibung vom 24. März 2016, die gemäß deren Ziffer V. Bestandteil des Arbeitsvertrages ist und eventuelle anderslautende Bestimmungen zur Weisungsgebundenheit der Beigeladenen bezogen auf die anwaltliche Tätigkeit aufhebt, ist die Beigeladene fachlich unabhängig tätig und unterliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten. Ihre Tätigkeit wird im Wesentlichen wie folgt beschrieben:

"Selbständige, nicht an Richtlinien gebundene Prüfung von Rechtsfragen im Einzelfall. Im Wesentlichen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen mit großem Sach- und Personenschaden mit erheblicher rechtlicher Problematik (Personenschäden ab 5.000 €, Sachschäden ab 20.000 €, Schadenfälle mit Auslandsbezug, gestörte Versicherungs-Vertragsverhältnisse) auf dem Gebiet des Allgemeinen Zivil-, des Sozialversicherungs-, Arbeits- und Strafrechts. Beratung des Unternehmens. […]"

Ausweislich des Beiblatts zur Tätigkeitsbeschreibung obliegt der Beigeladenen überdies unter anderem die Fachrevision in den Standorten des Arbeitsgebers mit fachlicher Schulung der Mitarbeiter. Außerdem führt sie Verhandlungen mit Vertragspartnern und Beteiligten und ist zum Abschluss von Vergleichen berechtigt sowie zum Einleiten von Prozessen und zum Führen der Korrespondenz mit Behörden und Gerichten.

Hinsichtlich der Voraussetzungen gemäß § 46 Abs. 3 BRAO wird in der Tätigkeitsbeschreibung im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene führe im jeweiligen Fall selbständig eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere in Bezug auf Schadensersatzansprüche und die Eintrittspflicht des Arbeitgebers durch und nehme eine vollständige Klärung der Sachverhalte vor (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO ). Sie erteile den Verantwortlichen im Geschäftsbereich und den Mitarbeitern der Standorte Rechtsrat (§ 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO ) und erstelle Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung. Der Rechtsrat erfolge allein unter fachlichen Aspekten, ohne dass entsprechende Vorgaben oder Richtlinien zugrunde zu legen seien (siehe hierzu das Beiblatt zur Tätigkeitsbeschreibung).

Die Beigeladene führe eigenständig mit Rechtsanwälten, Sozialversicherungsträgern, Arbeitgebern oder Geschädigten Verhandlungen. Dabei treffe sie unabhängige und eigenverantwortliche Entscheidungen. Daneben prüfe sie Regressansprüche und erstelle entsprechende Anforderungsschreiben. Diese Erklärungen gebe sie in eigenem Ermessen und ohne Vorbehalt ab; die Entscheidungen seien nach außen verbindlich und bedürften keiner weiteren Zustimmung (§ 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO ). Die Beigeladene sei zu verantwortlichem Auftreten nach außen im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO befugt, indem sie Korrespondenz mit Behörden, Gerichten sowie mit Vertrags- und Geschäftspartnern, aber auch mit Gegenparteien führe. Sie sei fachlich frei in Entscheidungen, etwa bezüglich der Einleitung von Klageverfahren, der Aufnahme von Verfahren als Passivpartei sowie zum Abschluss von Vergleichen. Dazu gehörten auch die Mandatierung externer Anwälte und die Korrespondenz mit diesen. Erklärungen der Beigeladenen nach außen seien bindend.

Im März 2016 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten - unter Vorlage der vorstehend genannten Unterlagen - die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin hinsichtlich des oben genannten Arbeitsverhältnisses bei ihrem Arbeitgeber. Die Rentenversicherungsträgerin trat im Rahmen ihrer Anhörung nach § 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO dem Zulassungsantrag der Beigeladenen mit der Begründung entgegen, deren Tätigkeit erfülle nicht die in § 46 Abs. 3 BRAO definierten Tätigkeiten und Merkmale. Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich vielmehr, dass die Beigeladene eine überwiegend klassische sachbearbeitende Tätigkeit im Bereich der Schadensregulierung ausübe.

Die Beklagte ließ die Beigeladene mit Bescheid vom 7. Februar 2017 als Syndikusrechtsanwältin gemäß §§ 46 f. BRAO bei dem Arbeitgeber zur Rechtsanwaltschaft zu. Mit der vorliegenden Klage erstrebt die Rentenversicherungsträgerin die Aufhebung dieses Bescheids. Der Anwaltsgerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung die Beigeladene zu ihrer Tätigkeit befragt. Sie hat bestätigt, für größere Schadensfälle in zwei Regionalbereichen ihres Arbeitgebers und in diesem Zusammenhang für alle Rechtsfragen zuständig zu sein, und hat hinsichtlich ihrer Bevollmächtigung zusätzlich eine Urkunde über ihre Vertretungsbefugnis im Außen- und Innenverhältnis vorgelegt. Demnach sind "Entscheidungen der Mitarbeiterin […] im Außenverhältnis unbegrenzt rechtlich gültig". Die Beigeladene hat auf Befragen des Anwaltsgerichtshofs erklärt, diese Urkunde sei zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erstellt worden, besitze rein deklaratorische Wirkung und bestätige die in der Vergangenheit - auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Zulassungsbescheids der Beklagten - bestehende Handhabung. Die Beigeladene hat in ihrer Anhörung durch den Anwaltsgerichtshof überdies erklärt, Regulierungsrichtlinien außerhalb des Gesetzes und der Rechtsprechung gebe es bei ihrem Arbeitgeber nicht.

Der Anwaltsgerichtshof (AGH Hamm, Urteil vom 8. Dezember 2017 - 1 AGH 21/17, juris) hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Klägerin beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag der Klägerin ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat jedoch keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 , 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

Die Klägerin macht geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), und wirft dem Anwaltsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch Verfahrensfehler durch Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 86 Abs. 1 VwGO ) und bei der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 108 Abs. 1 VwGO ) vor (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Einen Grund für die Zulassung der Berufung vermag die Klägerin damit indes nicht aufzuzeigen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vom 8. Januar 2018 - AnwZ (Brfg) 10/17, juris Rn. 5; jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Die Klägerin vermag entsprechende Zweifel in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung nicht darzulegen. Sie setzt vielmehr im Ergebnis nur ihre eigene Bewertung an die Stelle der - verfahrensfehlerfrei gewonnenen - Würdigung des Anwaltsgerichtshofs (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 5, und AnwZ (Brfg) 21/17, juris Rn. 9). Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

a) Nach § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend und von der Klägerin nicht beanstandet davon ausgegangen, dass die beiden erstgenannten Voraussetzungen bei der Beigeladenen vorliegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zu Recht und verfahrensfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt ist, dass die Tätigkeit der Klägerin, wie § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO dies verlangt, den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.

Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO üben Angestellte anderer als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften - dies sind Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften - ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeiten im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt ist. Entscheidend ist insoweit, dass die anwaltliche Tätigkeit den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt, mithin die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts ist und damit das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (vgl. Senatsurteile vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 34; vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, juris Rn. 61 f., 79, 81 f.; jeweils mwN; BT-Drucks. 18/5201, S. 19, 29). Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO ist die fachliche Unabhängigkeit der genannten Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Schließlich sieht § 46 Abs. 5 BRAO vor, dass sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der von dem Anwaltsgerichtshof vorgenommenen Gesamtbewertung (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 16), wonach die Tätigkeit der Beigeladenen für ihren Arbeitgeber diesen Anforderungen entspricht, zeigt die Klägerin ebenso wenig auf wie einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann.

aa) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es sei "fragwürdig", ob die Tätigkeit der Beigeladenen durch die in § 46 Abs. 3 BRAO genannten Tätigkeiten und Merkmale geprägt sei.

(1) Die Klägerin hält es zunächst für zweifelhaft, ob das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen die nach § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderliche Befugnis aufweise, für den Arbeitgeber nach außen verantwortlich aufzutreten, und insbesondere, ob das Arbeitsverhältnis durch dieses Merkmal geprägt werde. Soweit der Anwaltsgerichtshof darauf abstelle, die Beigeladene habe ihre Bevollmächtigung durch die Vorlage der oben genannten Urkunde über die Vertretungsbefugnis im Außen- und Innenverhältnis belegt, gehe aus dieser Urkunde nicht hervor, ob die darin genannte Vertretungsbefugnis bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin bestanden habe. Auch mindere den Beweiswert, dass der Unterzeichner der Urkunde nicht namentlich bezeichnet sei. Die Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Urkunde rein deklaratorische Wirkung besitze und die Handhabung in der Vergangenheit bestätige, könnten eine volle Überzeugung des Gerichts nicht begründen.

Dieser Einwand der Klägerin ist unbegründet. Die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO sei nachgewiesen, ist nicht zu beanstanden. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 108 Abs. 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit die Befugnis der Beigeladenen, nach außen verantwortlich aufzutreten (§ 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO ), unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbeschreibung, der Urkunde über die Vertretungsbefugnis sowie des Ergebnisses der Anhörung der Beigeladenen im Termin am 8. Dezember 2017 bejaht. Die diesbezügliche Bewertung der schriftlichen Unterlagen, denen für den Nachweis maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. § 46a Abs. 3 BRAO ; Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 8; BT-Drucks. 18/5201, S. 34), und der Anhörung der Beigeladenen gibt - entgegen der Auffassung der Klägerin - keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit.

Ebenso begegnet es keinen Bedenken, dass der Anwaltsgerichtshof im Rahmen der von ihm auch insoweit vorzunehmenden Gesamtbewertung - unausgesprochen - davon ausgegangen ist, dass die (auch) in der vorgenannten Urkunde genannte Vertretungsbefugnis - wie von der Beigeladenen bekundet - bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bestand.

Mit ihrer gegenteiligen Sichtweise und ihren Angriffen gegen die von der Beigeladenen vorgelegte Urkunde über die Vertretungsbefugnis verkennt die Klägerin im Übrigen, dass bereits der Inhalt der Tätigkeitsbeschreibung, deren Datierung die Klägerin nicht in Zweifel zieht, für die Annahme des Anwaltsgerichtshofs spricht, die Beigeladene habe die Befugnis, im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO für ihren Arbeitgeber nach außen verantwortlich aufzutreten (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, aaO Rn. 76 f. mwN). In der Tätigkeitsbeschreibung hat der Arbeitgeber bestätigt, dass die Beigeladene zu verantwortlichem Auftreten nach außen im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO befugt sei, indem sie Korrespondenz mit Behörden, Gerichten sowie mit Vertrags- und Geschäftspartnern, aber auch mit Gegenparteien führe. Sie sei fachlich frei zu Entscheidungen, etwa bezüglich der Einleitung von Klageverfahren, der Aufnahme von Verfahren als Passivpartei sowie zum Abschluss von Vergleichen. Dazu gehörten auch die Mandatierung externer Anwälte und die Korrespondenz mit diesen. Erklärungen der Beigeladenen seien nach außen bindend und würden ohne Vorbehalt getroffen.

(2) Auch der weitere Einwand der Klägerin, wonach der Anwaltsgerichtshof zu Unrecht festgestellt habe, dass die Beigeladene eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BRAO ausübe und das Arbeitsverhältnis hiervon geprägt sei, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht zu begründen. Die Klägerin meint, eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne der vorgenannten Bestimmungen setze eine gewisse fachliche Breite und fachliche Tiefe voraus. Daran fehle es bei der Tätigkeit der Beigeladenen. Sowohl aus dem Inhalt der Anhörung der Beigeladenen durch den Anwaltsgerichtshof als auch aus der Anhörung eines Beigeladenen in einem Parallelverfahren sowie aus einem der Klägerin zugegangenen anonymen Schreiben gehe hervor, dass es in der hier in Rede stehenden Abteilung Kraftfahrtschaden des Arbeitgebers der Beigeladenen Mitarbeiter gebe, die vergleichbare Tätigkeiten wie die Beigeladene ausübten, aber nicht über zwei juristische Staatsexamen, sondern etwa über eine Ausbildung als Versicherungskaufmann verfügten.

Diese Erwägungen der Klägerin greifen nicht durch. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BRAO , wie die Klägerin meint (vgl. ebenso AGH Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2017 - AGH I ZU (SYN) 11/2016 (I-6), juris Rn. 22 ff.; AGH München, NJW-RR 2018, 953 Rn. 21), das - in §§ 46 ff. BRAO nicht genannte und auch in der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht verwendete - Kriterium der fachlichen Tiefe und fachlichen Breite der rechtlichen Tätigkeit voraussetzt. Der Senat konnte diese Frage in seinem - die vorbezeichnete Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Hamburg betreffenden - Urteil vom 2. Juli 2018 (AnwZ (Brfg) 49/17, aaO Rn. 35) offen lassen. Sie bedarf auch hier keiner Entscheidung.

Denn unter Zugrundelegung der verfahrensfehlerfrei getroffenen und auch sonst nicht zu beanstandenden Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs würde die Tätigkeit der Beigeladenen für ihren Arbeitgeber - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch diese Anforderungen erfüllen. Der Anwaltsgerichtshof ist aufgrund der von ihm bei der Beurteilung der Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin vorzunehmenden Gesamtbewertung (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 16) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene nach der Tätigkeitsbeschreibung eine Tätigkeit auszufüllen habe, die eine volljuristische Ausbildung mit Kenntnissen insbesondere im zivilrechtlichen Haftungs- und Versicherungsrecht, aber auch im Sozialrecht erfordere. Sie habe haftungs- und deckungsrechtliche Sachfragen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen zu bewerten und zu bearbeiten, die Fälle mit großem Sach- und Personenschaden und mit schwieriger rechtlicher Problematik beträfen. Zudem habe die Beigeladene über die abschließende Erledigung von Schadensersatzansprüchen eigenverantwortlich zu entscheiden und lege fest, in welchen Fällen Klageverfahren eingeleitet würden und sorge für die Abwehr von Passivklagen. Da die Beigeladene hierbei insbesondere auch legitimiert sei, Vergleichsverhandlungen zu führen und Vergleiche abzuschließen sowie Rechtsanwälte zu beauftragen und Regress- und Ausgleichsansprüche zu verfolgen, bestünden keine Zweifel an der anwaltlichen Prägung ihrer Tätigkeit.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurteilung vermag die Klägerin - die im Ergebnis lediglich versucht, ihre eigene Bewertung an die Stelle der verfahrensfehlerfrei gewonnenen Würdigung des Anwaltsgerichtshofs zu setzen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 5) - nicht aufzuzeigen. Dies gilt auch für den vorstehend genannten Einwand der Klägerin, vergleichbare Tätigkeiten wie die der Beigeladenen würden in der Abteilung Kraftfahrtschaden des Arbeitgebers auch von Mitarbeitern ausgeübt, die nicht über die Befähigung zum Richteramt verfügten. Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, ist für die Beurteilung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt das konkrete Arbeitsverhältnis maßgeblich (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 13. November 2018 - AnwZ (Brfg) 35/18, juris Rn. 10; vom 10. Oktober 2011- AnwZ (B) 49/10, NJW 2012, 534 Rn. 2, 5 und 9). Für dieses hat der Anwaltsgerichtshof die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BRAO in nicht zu beanstandender Weise bejaht.

bb) Ebenfalls vergeblich wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass die Beigeladene für ihren Arbeitgeber eine fachlich unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 , 4 Satz 1 BRAO ausübe und die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung vertraglich und tatsächlich im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO gewährleistet sei.

(1) Die Klägerin beruft sich darauf, dass nach den Gesetzesmaterialien des am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517 ) die Tätigkeit eines juristisch ausgebildeten Mitarbeiters (zum Beispiel eines Sachbearbeiters), der weisungsgebunden rechtliche Sachverhalte prüfe und anhand unternehmensinterner Vorgaben entscheide, nicht die Voraussetzungen einer Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt erfülle (BT-Drucks. 18/5201, S. 27), und eine unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO nicht vorliege, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestünden, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung der Fall sei (BT-Drucks., aaO S. 29).

Zwar könne vorliegend auf der Grundlage der Tätigkeitsbeschreibung davon ausgegangen werden, dass die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO vertraglich gewährleistet sei. Es bestünden jedoch erhebliche Zweifel, ob diese fachliche Unabhängigkeit, wie § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO dies ebenfalls verlange, im Falle der Beigeladenen auch tatsächlich gewährleistet sei. Denn trotz der von dem Anwaltsgerichtshof als Beleg hierfür herangezogenen Tätigkeitsbeschreibung und der diese bestätigenden Angaben der Beigeladenen in ihrer Anhörung gebe es rechtliche Gesichtspunkte sowie Indizien, die darauf hindeuteten, dass die Beigeladene tatsächlich fachliche Richtlinien und Weisungen zu befolgen habe und damit sachbearbeitend statt fachlich unabhängig tätig sei. Der Anwaltsgerichtshof habe die Bestimmungen des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen ( Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG ) zur Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen und die auf dieser Grundlage erlassenen Anordnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie deren Umsetzung durch den Arbeitgeber der Beigeladenen nicht berücksichtigt und die gebotenen Ermittlungen unterlassen, ob die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen tatsächlich gewährleistet sei oder ob diese gegebenenfalls durch - der Umsetzung der vorgenannten gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorgaben dienende - unternehmensinterne Regelwerke beschränkt werde.

(2) Diese Einwände der Klägerin greifen aus mehreren Gründen nicht durch. Der Anwaltsgerichtshof hat auf der Grundlage des Inhalts der Tätigkeitsbeschreibung, wonach die Beigeladene eine selbständige, nicht an Richtlinien gebundene Prüfung von Rechtsfragen vornehme, sowie der Bekundung der Beigeladenen, wonach es bei ihrem Arbeitgeber keine Regulierungsrichtlinien außerhalb des Gesetzes und der Rechtsprechung gebe, die Überzeugung gewonnen, dass es sich bei der Beigeladenen nicht um eine richtliniengebundene Schadenssachbearbeiterin in dem oben (unter II 1 b bb (1)) genannten Sinne handelt. Der Klägerin gelingt es nicht, Gesichtspunkte vorzubringen, die die Richtigkeit dieser Beurteilung des Anwaltsgerichtshofs ernstlich in Zweifel ziehen könnten.

(a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich eine Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht aus aufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Die Klägerin verweist insoweit auf die in Umsetzung der EU-Richtlinie Solvabilität II (2009/138/EG vom 25. November 2009, ABl. EU Nr. L 335/1) in nationales Recht in §§ 23 ff. VAG getroffenen Regelungen zur Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen und die hierzu in Rundschreiben an die Versicherungswirtschaft - namentlich in den Rundschreiben 2/2017 (VA) und 3/2013 (VA) - gemachten Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 11 f.).

(b) Wie der Senat bereits entschieden hat, berühren Regelungen, die keine Weisungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses sind und an die auch der Arbeitgeber gebunden ist, die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Syndikusrechtsanwalts - wie auch der Vergleich mit einem externen, dieselbe Rechtslage beurteilenden Rechtsanwalt zeigt - nicht (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 1. August 2017 - AnwZ (Brfg) 14/17, NJW 2017, 2835 Rn. 10 ff.; vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 12). Gleiches gilt nach dem Willen des Gesetzgebers auch für Regelungen, die - wie zum Beispiel unternehmensinterne Compliance-Vorschriften - keinen unmittelbaren fachlichen Bezug aufweisen, sondern lediglich den Verhaltenskodex im Unternehmen festschreiben (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO; BT-Drucks. aaO S. 27, 29). An dieser - von der Klägerin in Zweifel gezogenen - Rechtsprechung hält der Senat fest.

(c) Hiervon ausgehend bleibt auch der Einwand der Klägerin ohne Erfolg, der Anwaltsgerichtshof habe nicht berücksichtigt, dass zum einen die Versicherungsunternehmen in Umsetzung der vorstehend genannten aufsichtsrechtlichen Bestimmungen unternehmensinterne Regelwerke zu erstellen hätten, welche die fachliche Unabhängigkeit juristischer Mitarbeiter "gegebenenfalls beschränken", und dass zum anderen der Arbeitgeber der Beigeladenen ausweislich seines Geschäftsberichts 2016 dementsprechend - namentlich hinsichtlich der Arbeitsabläufe - innerbetriebliche Leitlinien erstellt und eine innere Revision eingerichtet sowie durch Berechtigungs- und Vollmachtregelungen und eine weitgehend maschinelle Unterstützung der Arbeitsabläufe das "Risiko mitarbeiterbedingter Vorfälle" begrenzt habe. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang zudem geltend, es sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber der Beigeladenen einen für rechtliche Grundsatzfragen zuständigen Arbeitsbereich vorhalte, der rechtliche beziehungsweise fachliche Vorgaben für die Bearbeitung von Schadensfällen mache. Der Anwaltsgerichtshof habe insbesondere die Aufklärungspflicht hinsichtlich der Auswirkungen der Prüfertätigkeit der internen Revision auf die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen verletzt und hätte den Inhalt der für die Tätigkeit der Beigeladenen einschlägigen Leitlinien und Vorgaben ermitteln müssen.

Diese Rügen gehen schon im Ausgangspunkt fehl, weil der Anwaltsgerichtshof, wie sich bereits aus der im Tatbestand des angefochtenen Urteils enthaltenen Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin ergibt, den Einwand der Klägerin, die Beigeladene sei nach "fest vorgegebenen Richtlinien" und daher nicht fachlich unabhängig tätig, berücksichtigt hat. Die Klägerin zeigt in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung auch nicht auf, dass sie hinsichtlich der dort angeführten innerbetrieblichen Leitlinien und Maßnahmen im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof auf die Vornahme der nunmehr als unterblieben gerügten Sachaufklärung hingewirkt, insbesondere entsprechende Beweisanträge (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 9) gestellt habe.

Dem Zulassungsvorbringen der Klägerin sind aber auch ansonsten konkrete Anhaltspunkte nicht zu entnehmen, die ernstliche Zweifel an der vom Anwaltsgerichtshof festgestellten fachlichen Unabhängigkeit der Beigeladenen (§ 46 Abs. 3 , 4 Satz 1 BRAO ) begründen könnten. Es ist nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin angeführten Regelungen zur Geschäftsorganisation des Arbeitgebers die Beigeladene in ihrer konkreten Tätigkeit fachlich an bestimmte Vorgaben binden und dadurch die ihr arbeitsvertraglich eingeräumte Unabhängigkeit bei der Beurteilung der Rechtslage einschränken (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 12). Soweit die Klägerin überdies geltend macht, es bestünden außer den von ihr konkret angeführten Regelungen bei dem Arbeitgeber der Beigeladenen noch weitere interne Regelungen, an die die Beigeladene ebenfalls gebunden sei, erweist sich dieser Vortrag als eine nicht aufklärungsbedürftige bloße Vermutung (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 10).

cc) Schließlich begründet auch der Einwand der Klägerin, die Beigeladene sei hinsichtlich ihrer Vergütung in der Tarifgruppe V nach dem Manteltarifvertrag ( MTV ) für das private Versicherungsgewerbe eingestuft, keine ernstlichen Zweifel an der fachlichen Unabhängigkeit der Beigeladenen nach § 46 Abs. 3 , 4 Satz 1 BRAO (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 13).

2. Die Klägerin hat - wie sich aus den vorstehend (unter II 1 b aa und bb) genannten Gründen ergibt - auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 08.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 21/17
Fundstellen
AnwBl 2019, 295